Ich saß auf dem Fensterbrett im 1. Stock und
hatte mit Dominosteinen und Spielkarten ein Gebilde aufgebaut, das
einem heutigen Parkhaus ähnlich war. Mit einfachen kleinen
Holzautos fuhr ich darauf herum. Ein etwas jüngerer Bub im Haus
gegenüber im 3. Stock beobachtete mich und rief mich schließlich
an, von seiner Mutter ermuntert: "Bubi, was machst Du denn da?"
"Ich baue ein Haus, komm halt rüber!" Das ließ er sich nicht
zweimal sagen und kam gleich über die Straße gelaufen. So
freundete ich mich mit Helmut (Zandt?) an. Er kam ein Jahr nach
mir in die Schule. Trotzdem waren wir Freunde und spielten viel
miteinander, bis er in das Gymnasium wechselte. Er hatte eine
Biller-Eisenbahn mit Kipploren, die man schön mit Sand be- und
entladen konnte. Der nächste Freund war Peter Parigger im Eckhaus
gegenüber. Am ersten Schultag bestimmten die Mütter einfach, dass
wir immer zusammen gehen sollten, da wir ja den gleichen 15
Minuten weiten Weg hatten. Wir gingen wirklich die 8 Schuljahre
meist zusammen in die Schule und heim. Die Phasen kindlichen
Streites dauerten nie lange.
Meine Schule begann 1947 in der Bergmannschule,
die, weil ausgebombt, in der burgähnlich düsteren Ridlerschule
untergebracht war.
Dieses Schulgebäude war nach dem Krieg längst
nicht schön.Die Klassen waren groß, die Räume wenig. Wir hatten
Schichtunterricht mit ständig wechselnden Zeiten. Ich saß neben
einem Fenster und blickte immer den Wolken am blauen
Himmel nach. In der Erinnerung verbindet sich der blaue Himmel
mit den Herbstlaub-Bildern des Lesebuches. Der Herbst 1947 muss
sonnig gewesen sein. Blauen Himmel sah ich vor den Fenstern
unserer Wohnung in der Parkstraße nicht, sondern nur die
rußschwarzen Fassaden gegenüber.
Die Schulbänke waren in Reihen fest montiert. In die
schrägen Tische waren Tintengläser eingebaut. Hier
tauchten wir die Federn ein. Papier war rar, Kriegspapier mit
viel Holzfasern. Die Hefte waren wie Fließpapier und kaum mit
Tinte zu beschreiben, weil die Feder auf den rauen Papier hängen
blieb und die Tinte aus einander floss. Es gab viele
Tintenklekse und blaue Finger. Schulbücher gab es kaum, da die
Bücher aus der Nazizeit nicht mehr verwendet wurden.
Wir benützten Schiefertafeln und Griffel Die
Schiefertafeln für die Erstklassler waren so groß wie DIN A 5.
Geschrieben wurde mit einem Schiefer-Griffel. Eigentlich wurde
die Schrift in die Tafel gekratzt. Die Griffel waren so
hart, dass man sie kaum spitzen musste. Es war wohl Aufgabe der
Mütter, zuhause die Griffel zu spitzen. Ein kleines Schulkind
konnte das kaum. Die Tafel wurde vorsichtig in den
Schulranzen gepackt, damit sie nicht zerbrach.. Der Ranzen war
ein rechteckiger Leder-Rucksack. Am Holzrahmen der Tafel waren
an Schnüren befestigt ein Schwamm und ein Lappen. Die
Schnüre hingen am Deckel vom Ranzen heraus, denn sie waren
nass. Mit dem Schwamm konnte die Schrift auf der Tafel
gelöscht werden und mit dem Lappen wurde die Tafel getrocknet.
Die Hausaufgabe war auf die Schiefertafel zu schreiben und diese
sorgfältig zu verpacken, damit die Schrift nicht verwischt
wurde.
Außerdem hing außen am Schulranzen ein kleiner Aluminium-Kübel
mit Deckel und Bügel-Henkel. Bei der "Schulspeisung"
erhielt jedes Kind eine Kelle voll undefinierbaren grauen Brei
in den Kübel. Ich habe das Zeug selten gegessen, sondern nach
Hause getragen. Die Schulspeisung war eine Spende der
amerikanischen Quäker-Sekte. Hier ging es darum, unverkäufliche
amerikanische Ernteüberschüsse als gute Tat zu verwerten. Es war
Mais oder Reis, der zu einem geschmacklosen Brei gekocht wurde
und in großen Thermo-Kübeln an die Schulen geliefert wurde.
Nach den Weihnachtsferien wurden wir wieder heim geschickt, weil
die Schule keine Kohlen oder Koks für die Dampfheizung
hatte. Der Heizer hat dann wohl Nazizeit-Schulakten und kaputte
Schulbänke oder Torf verbrannt. Der Dampf reichte nur für
einen Teil der Räume. Wir mussten in der Pause von einem
geheizten in ein ungeheiztes Klassenzimmer bzw. umgekehrt
wechseln. Dazu wurden wir in Zweierreihen-Kolonnen durch das
Gebäude gescheucht. Den Schulmief der ungelüfteten Räume
vergesse ich nicht.
In der 2. Klasse ahmte ich einmal die Handbewegungen der
Lehrerin nach. Diese sah das, ließ mich raus treten und gab mir
2 Tatzen, also auf jede Hand einen Schlag mit dem
Bambus-Rohrstock. Ich fand das ungerecht. Darauf weinte ich
einige Stunden lang und störte so den Unterricht nachhaltig. Die
übrige Klasse hat wohl gar nicht mitbekommen, warum ich Tatzen
erhielt. Das waren meine einzigen Schläge in der Schule, soweit
ich mich erinnern kann. Damals war es auch üblich, wenn die
Klasse zu unruhig war, mussten alle Kinder beide Hände flach auf
den Tisch legen. Die Lehrerin hat dann noch die hölzerne
Griffel-Sshachtel auf die Finger gestellt.
Während meiner ersten Schuljahre habe ich in der Schule
geträumt. Das war aber nicht schlimm, denn Lesen lernte ich
schon vor der Schule.
Am 21.3.1948, also während der 1. Klasse beginnt im Alter von 7
Jahren ein neuer Lebensabschnitt für mich, denn plötzlich
hatte ich meinen Vater, als dieser aus der Kriegs-Gefangenschaft
zurück kam. An meine kurzen früheren Begegnungen mit ihm mit 2
oder 3 Jahren während seines Front-Urlaubes hatte ich
natürlich keine Erinnerung. Die Fotos hat mir meine
Mutter gezeigt, aber dass ich der Säugling war, konnte ich
mir nicht vorstellen..Ob mir meine Mutter vom Vater erzählt hat
oder mich auf sein Kommen vor bereitet hat, kann ich sie nicht
mehr fragen und weiß es selbst nicht.
Mit der Wieder-Eröffnung der Bäckerei änderte sich das
Familienleben wesentlich.
Scheinbar habe ich mich unmerklich an die Veränderungen gewöhnt,
da mir diese erst 2021 als solche bewusst wurden.
1948 Vater kommt aus der Gefangenschaft
Mein Vater kam am 21.3.1948 aus der Kriegsgefangenschaft zurück
und trat damit erstmals in mein bewusstes Leben. An Einzelheiten
erinnere ich mich nicht, nur dass mein Vater sehr braun gebrannt
war, da er aus Afrika kam, und dass ich darüber einen Aufsatz
schrieb. Vater brachte einen eigenartig weinroten Mantel mit. Es
war ein umgefärbter englischer Militärmantel. Die erste Zeit war
ich eifersüchtig, weil ich meine Mutter nicht mehr allein für mich
hatte und nicht mehr im großen Bett bei meiner Mutter schlafen
durfte.
Bald darauf kam die Währungsreform. In unserer Ridlerschule wurde
das Kopfgeld, 40 DM, verteilt. In langen Schlangen standen die
Leute an.
Auf den Fotos sieht man deutlich, wie schäbig die
Kleidung in den Notjahren wurde. Vaters guter Anzug
stammte wohl noch aus der Vorkriegszeit, aber die
Kinder kommen recht selbstgestrickt daher. .
Von einem Kameraden meines Vaters in der ägyptischen
Gefangenschaft, der Bauer in der Nähe von Aibling war, erhielten
meine Eltern Obst. Ich erinnere mich noch an die Radfahrt durch
das herbstliche Leitzachtal 1948.
1949 Die Bäckerei (2. - 3. Schuljahr)
Ab 1949 führten meine Eltern die Bäckerei in der Parkstraße 13
wieder selbst. Sie waren in der Bäckerei ständig beide
anwesend. Ich brauchte nie einen Schlüssel, sondern lief durch die
Ladentüre und rund im die Verkaufstheke, ebenso meine Freunde.
Wenn wir nicht im Freien waren, spielten wir im Zimmer neben dem
Laden. Oft beneideten mich Freunde, weil ich in der Bäckerei
ständig Zugriff auf Schleckereien, meist altbackene Reste, hatte.
Dabei machte ich mir nicht viel aus süßen Sachen. Meine Freunde
aber freuten sich, wenn sie auch etwas bekamen (Reste vom Vortag),
denn Konditorwaren oder Essen allgemein war noch kostbar.
Die Bäckerei mit dem Laden hat mein Vater 1937 mit einer nicht
neuen, aber der Zeit entsprechenden Ausstattung gekauft, die Räume
aber nur gemietet. 1940 musste er in den Krieg und kam erst
1948 aus der Gefangenschaft heim. Von 1.3.1949 bis 1.9.1957
betrieb er die Bäckerei wieder
Der Laden meiner Eltern hatte zwei Schaufenster. Das größere und
die Ladentüre sind im abgeschrägten Eck des Hauses. Neben dem
Laden war noch ein kleines Zimmer. Hier wohnten wir und hier
schlief das Hausmädchen, das wir Anfangs der
Fünfzigerjahren zeitweise hatten. Neben dem Zimmer
im Erdgeschoss war noch eine winzige Küche mit Herd, kleinem
Schrank und Wasserstelle, ein Wasserhahn und ein halb runder
gusseiserner Ausguss.
Wir schliefen in einer Zweizimmerwohnung im ersten
Stock. Das eigentliche Wohnzimmer im ersten
Stock wurde nur an Sonntagen beheizt und war sonst
praktisch unbewohnbar. Hier schlief ich erst auf einer Eck-Liege,
dann in einem Klappbett. Daneben war das Schlafzimmer meiner
Eltern. Diese zwei Zimmer waren nur die Hälfte einer
Vierzimmerwohnung. In den anderen 2 Zimmern wohnte ein altes
Paar namens Gradl. Man ging vom Treppenhaus zuerst durch eine
Wohnungstüre in einen finsteren Gang mit Wasserhahn und Ausguss.
Hier musste man nochmal eine Türe aufsperren und kam in die
Zweizimmerwohnung, Das zweite Zimmer war vom ersten aus zu
betreten, nicht vom Gang. Dazu gehörte ein Klo im
Treppenhaus, also außerhalb der Wohnung und von beiden Mietern
gemeinsam zu benützen.
Im Erdgeschoss gab es ebenfalls ein Klo über den Hausgang zu
erreichen, das wir gemeinsam mit den benachbarten
Ladenbesitzern benützten. Die Bäckerei ist in der
Lebensgeschichte
meines Vaters beschrieben:
1950 war noch meine "Kurze-Hosen-Zeit." Bald darauf bekam
ich eine Bundlederhose für alle Tage. Die Hose wurde stets
reichlich groß angemessen, damit ich noch hinein wachsen konnte
und ich trug sie, bis sie mir wirklich zu klein war. Die letzte
Lederhose trug ich bis zu meinem 15. Lebensjahr.
Mein Taschengeld
Etwa so ab 10 Jahren bekam ich Taschengeld, das ich mir durch
Arbeit in der Backstube verdienen musste. Ich denke, es waren 10
Pfennig je Tag. Dafür musste ich nach der Schule die
eingetrockneten Teigreste aus der Teigteilmaschine kratzen. Die 30
Vierecke hatten 120 Ecken und 120 Flächen, die abzukratzen waren.
Mein Vater hasste diese Arbeit wohl genauso wie ich, deshalb
delegierte er sie. Leichter abzukratzen war der Trog der
Knetmaschine und der Knetarm. Wenn während dieser Arbeit schon
meine Schulfreunde kamen, kletterte die Kinderschar in den
Trog zum Karussell fahren und einer drehte den Trog. Außerdem
hatte ich die Kohlenkübel zu füllen.
In den Schulferien hatte ich die Semmel- und Bretzenkörbe von der
Backstube in den Laden hinauf zu tragen. Dabei halfen meine
Freunde. Wir fassten die Körbe zu zweit, einer vorne und einer
hinten und kamen dadurch leichter durch die Türen. Meine Freunde
wurden dafür mit Bretzen oder übrig gebliebenen Konditorsachen
belohnt. Buben haben immer Hunger.
Mein Vater arbeitete von 4 Uhr früh bis Mittag in der Bäckerei. Am
Nachmittag war der lange finstere Kellergang mit Pfeilern und
Nischen ein schöner Versteckplatz für mich und meine Freunde. Der
Kohlenlagerplatz ragte über das Haus hinaus in den Hof und war mit
einem Blechdach abgedeckt. Durch ein kleines Loch wurden die
Kohlen hinunter geschüttet. Wenn der Kohlenhaufen hoch war,
konnten wir durch das Loch hinunter schlüpfen. Die Bäckerei hatte
auch eine eigene Kellertreppe in den Hof, im Sommer ein
wettergeschützter Platz zum Spielen und Basteln
Nachmittags nahm mich mein Vater manchmal auf dem Rad mit zu
kleinen Ausflügen, wie nach Nymphenburg oder Blutenburg. Ein
Kinderrad, um selbst zu fahren, hatte ich nicht. Als ich schon
über 8 Jahre alt war und eigentlich nicht mehr auf dem Kindersitz
hätte mitfahren dürfen, wurde mir eingeschärft, bei einer
Kontrolle stets zu sagen, ich sei noch nicht 8 Jahre. Tatsächlich
wurden wir in der Dachauer Straße einmal von einem Polizisten
angehalten und nach meinem Alter gefragt. Nach überzeugender
Begründung meines Vaters, dass wir die Mitfahrmöglichkeit eben
voll ausnutzen wollten, bis ich 8 Jahre alt sei, weil ein
Kinderrad zu teuer sei, ließ er uns weiter fahren.
Die Hofeinfahrt unseres Hauses war mit einem hohen Gittertor
verschlossen. Frau Lankes, die Hausverwalterin, wirkte in Haus und
Hof als Zerberus. Sie war gehbehindert und lief mit einem Stock.
Mich mochte sie recht gerne, aber fremde Kinder, also auch meinen
Freunde, verscheuchte sie. Wenn im Hof Kinderstimmen zu hören
waren, rumpelte sie auf ihren Balkon und schimpfte hinunter und
fuchtelte mit ihrem Stock. Dann trollten wir uns in den nächsten
Hof. Damit war dieser Hof für die Kinder der Nachbarschaft
verschlossen. Mit den Kindern der Nachbarhäuser spielten ich
abends Verstecken und andere Gruppenspiele in den Höfen der
anderen Häuser oder auf der Straße. Damals gab es weder
fahrende noch parkende Autos in der Straße, wir hatten die Straße
für uns alleine.
Der Obstkarren und die Geschäfte in den Nachbarhäusern
Im Haus schräg gegenüber wohnte im 3. Stock neben Freund Peter
Parigger eine Familie mit Kindern. Der Vater hatte einen
Handkarren mit einer flachen Ladefläche, darunter große Räder.
Zum Fahren stand er zwischen zwei Handgriffen, an denen er
den Karren zog oder schob. Frühmorgens fuhr er damit in
die Großmarkthalle und kaufte einen Wagen voll Obst, Südfrüchte
oder Gemüse, was es jahreszeitlich günstig gab. Voll beladen
schob er seinen Karren ins Westend und stellte ihn vor sein Haus
in der Gollierstraße. Die Leute standen Schlange, um die
frischen Sachen zu kaufen. Offensichtlich lohnte sich Geschäft,
denn er konnte sich bald ein Dreirad-Auto ( es war
eigentlich ein kleines Motorrad mit Dach) kaufen mit einem
flachen Anhänger für die Obstkisten. Da er seinen Standplatz vor
seinem Wohnhaus hatte, konnte ihn seine Frau beim Verkauf
ablösen und unterstützen.
In unserem Eckhaus Ecke Parkstraße-Gollierstraße waren
ein Tabakwaren-Laden, ein kleines Speiselokal mit Küche,
ein Metzgerladen, dann unsere Bäckerei am Eck, neben der
Haustüre noch ein Schusterladen und ein Schneiderladen, aus dem
ein Kürschner (Pelznäher) wurde. Nur im Speiselokal
gab es ein Klo, alle anderen, auch wir, benützten ein Klo
im Hausgang, zu dem jeder einen Schlüssel hatte.
Schräg gegenüber (das Haus, in dem Freund Peter im 3. Stock
wohnte) war eine Schreinerwerkstätte im Rückgebäude , ein
Glaser-Laden, vor der Haustüre der Obstkarren, am Eck eine
Drogerie. Die anderen beiden Eckhäuser waren Wirtschaften,
daneben in der Gollierstraße war ein Elektro-Geschäft, in
der Parkstraße war ein Kramerladen, ein MIlchladen und ein
"Feinkostladen", in dem es die übel riechenden Sachen wie Fisch
und Sauerkraut gab. Alle Waren in den Läden waren unverpackt und
wurden für die Käufer verpackt oder in mit gebrachte
Behälter, wie Milchkannen gefüllt. Das Bier kaufte man im
Hausgang neben der Wirtschaft an der "Gassenschänke". Dazu
brachte man den Bierkrug mit. Die Gassenschänke war ein
kleines Schiebefenster zum Hausgang. Wenn man klingelte, öffnete
der Wirt das Fenster, man reichte den Krug hinein und bekam ihn
gefüllt wieder heraus. So konnten auch Kinder zum Bier holen
geschickt werden und brauchten nicht in die Wirtschaft zu den
lärmenden Betrunkenen gehen. Durch das kleine Fenster entwich
weniger Wärme aus der geheizten Wirtsstube, als wenn die Türe
geöffnet worden wäre.
Freunde Helmut Zandt und Peter Parigger
Mit Helmut Zandt und Peter Parigger verbrachte ich die Freizeit.
Beide wohnten in Häusern gegenüber, jeweils im 3. Stock. Wir
waren viel zu dritt unterwegs.
Peters Vater war Tierwärter bei den Eisbären im Tierpark
Hellabrunn. Er sagte an der Tierpark-Kasse nur "ich bin dem
Parigger sein Bub" und wir konnten kostenlos in den Tierpark.
Helmuts Vater war Zahntechniker und machte Gebisse in einer
kleinen Ecke seines Schlafzimmers. Meine Eltern ließen sich einmal
von ihm Gebisse machen und waren recht zufrieden damit.
Bei den Kellerabteilen für die Wohnungen ( in unserem Haus
außerhalb der Bäckerei, die den halben Keller ein nahm) gab es nur
eine einzige Lampe am unteren Ende der Treppe. Die verwinkelten
Gänge zu den Kellerabteilen waren völlig finster und für uns gut
zum Versteckspielen. Als wir zu dritt in einem Winkel steckten,
rumpelte ausgerechnet die gehbehinderte Hausverwalterin Frau
Lankes mit ihrem Stock mit einer Kerze heran. Sie hatte ihren
Keller gerade in diesem Gang. Wir saßen ganz still in der Ecke.
Sie bemerkte uns trotzdem und fragte: "Ist da jemand." Da liefen
wir los und stürmten die Kellertreppe hinauf. Einer blies ihr
sogar die Kerze aus, so dass sie im Finstern da stand. Sie
beschwerte sich anschließend bei meinen Eltern, dass 6 bis 12
Buben sich im Keller versteckt hatten. Meine Eltern wussten aber
auch, dass wir nur drei , nämlich meine Freunde Peter und Helmut
und ich waren.
Einmal bekam Helmut ahnungslos auf dem Schulweg von einem
Erwachsenen Schläge, weil Peter am Tag davor ein dickes
Mädchen getratzt (geneckt) hatte und dessen Vater uns
auflauerte. Peter und ich erkannten die Gefahr und rannten schnell
genug davon. Peter hatte das Mädchen nur ausgelacht, weil es so
dick war. Es rechtfertigte sich, es sei drüsenkrank. Peter
darauf.- "Haha, die ist tütenkrank!" Helmut war am Vortag gar
nicht dabei gewesen. Sein Vater wollte den Vater des Mädchens zur
Rechenschaft ziehen.
Eine Sensation für uns 3 war es jedes mal, wenn in einem der
großen Kaufhäuser vor Weihnachten eine Modelleisenbahn aufgebaut
war. Da standen wir lange mit roten Köpfen davor. Einmal fuhr
sogar ein Fährschiff mit dem Zug über einen echten See mit Wasser.
Eigenartigerweise hatte ich nie den Wunsch, selbst so eine
Modell-Eisenbahn zu besitzen. Eine eigene Modellanlage war einfach
unerreichbar, undenkbar. Da kam der Wunsch gar nicht auf.
Die Bastler-Modellschau
In einem unbenutzten Schuppen des
Ausstellungsgeländes hatte ein Arbeitsloser eine
Bastler-Modellschau eingerichtet. Ich war sein eifrigster
Besucher, sodass er mir bald freien Eintritt gewährte. Er hatte
aus Gips, Holzresten und Farbe Modelle gebastelt. Sein
Prunkstück war das raumhohe Schloss Neuschwanstein mit Umgebung.
Ich konnte die Modelle nicht genug ansehen und registrierte
eifrig jedes neue Werk. Die Währungsreform ließ das Unternehmen
eingehen.
Aufgrund dieser Anregung werkte ich auch eifrig mit Gips und
besuchte in der 4. Klasse einen Zeichen- und Bastelkurs der
Schule mit Eifer und Erfolg. Im Kurs entstanden Gips-Reliefs,
Rauschgoldengel, Aquarellbilder, Kartoffelstempel und
Bucheinbände.
Für einen Bastelwettbewerb aller Münchner Schulen 1950 mit
Ausstellung baute ich ein Modell der Großhesseloher Brücke und
Umgebung aus Gips, Pappe und Malfarbe. Ohne einen bestimmten
Maßstab montierte ich auf einem Brett ca. 50 x 10 cm einen
Querschnitt durch das Isartal, links und rechts die Hochufer aus
Gips, grün bemalt, dazwischen Isar und Kanal, die Brückenpfeiler
aus Holz, die Fahrbahn und die Stützbögen zwischen den Pfeilern
aus Pappe. Alles mit Wasserfarbe bemalt. Gips hatten wir immer
im Haus, wir bekamen ihm vermutlich vom Onkel Schweizer, der
Stuckateur war.
Mein Freund Helmut Holzheimer hatte ebenfalls die Großhesseloher
Brücke aus Papier geklebt und war auf mein Werk
eifersüchtig. Gemeinsam zerstörten wir mein Werk nach der
Ausstellung mit einem Bombenangriff, indem wir Steine darauf
warfen.
Ein anderer Klassenkamerad erhielt für sein Modell des
Chinesischen Turmes den ersten Preis, ein bewundertes und nie
erreichtes Vorbild. Er schenkte sein Modell der Schule für das
Lehrmittelzimmer. Dieses war ein chaotisches Raritätenkabinett
mit Vorkriegsplunder, das wir einmal nach Schulschluss mit
Begeisterung aufräumen durften.
Der Film-Projektor
Ich hatte mein eigenes Kino. Meine Eltern kauften vermutlich von
einem Kunden, als das neue DM-Geld rar war, einen einfachen
gebrauchten 16-mm-Projektor samt Filmen. Es waren einige
Zeichentrickfilme schwarz-weiß, etwa 5 m lange Streifen. Ich
erinnere mich an eine Spule, da liefen Neger vor Löwen davon,
nachdem sie vorher einen Weißen in einem großen Kessel kochen
wollten. Außerdem waren es Amateurfilme, Skispringen
Olympiade 1936. Der Projektor hatte keinen Motor. Ich musste
selber kurbeln und die lose ab gespulten Filme wieder aufrollen.
Als einzig konstruktives Spiel konnte man gerissene Filme wieder
kleben und mit dem Projektor die Filme rückwärts laufen lassen.
Das war ganz lustig, wenn die Skispringer rückwärts auf die
Schanze hinauf sprangen. Für fremde Kinder bot er einmal eine
Unterhaltung, bis sie die Filme kannten. Ich kann mich nicht
erinnern, wohin wir Gerät und Filme weitergaben.
Meine Spielsachen habe ich nicht sehr schonend
behandelt. Nach der Benützung durch mich waren die Filme nicht
mehr in gutem Zustand.
Trix-Baukasten
Mein Cousin Hans Lauchner hatte als Kind einen großen
Trix-Baukasten. Hans war längst erwachsen. Als ich, 5-jährig, bei
der Tante Therese Lauchner zu Besuch, einige Teile zum Spielen
erhielt. Ich schraubte gleich einen Wagen zusammen und wollte
nichts mehr hergeben. Glücklich trug ich meine Beute heim. Bei
jedem Besuch musste ich nun die Tante überzeugen, dass ich für
meine Modelle unbedingt weitere Teile brauchte. Sie versprach mir
den Rest, wenn ich in der Schule und mein Vater aus der
Gefangenschaft zurück sei. Mit dem Metallbaukasten habe ich viel
und lange gespielt. Meist baute ich nach eigenen Vorstellungen,
nicht nach dem Anleitungsbuch. Ich hatte auch einen Elektromotor
dazu. Für Zahnradgetriebe ist es mir aber nie gelungen, die
Blechzahnräder exakt genug zu justieren. Bis ein Modell lief,
waren die Batterien meist verbraucht. Einen Trafo kannte ich
nicht, er hätte mir auch nichts genutzt, da wir im Stromnetz
Gleichstrom hatten.
In den ersten Nachkriegsjahren verschwand der Baukasten vor
Weihnachten und mein Vater baute nächtelang jeweils ein größeres
Modell nach dem Anleitungsbuch: Einmal ein Kettenkarussell, ein
andermal eine Dampflok mit vielen Rädern und Gestänge. Das war
dann mein Weihnachtsgeschenk. Außer Zerlegen konnte ich kaum etwas
damit anfangen. Im Laufe der Jahre wurden die Baukastenteile
immer weniger. Viele Schrauben und Muttern verschwanden in den
Ritzen der Fußbodenbretter, wo ich sie bei Bedarf wieder heraus
kratzte. Der Trix-Metallbaukasten war mein vielseitigstes und
konstruktivstes Spielzeug.
Schrauben für die Verlorenen nach zu kaufen, kam niemand in den
Sinn. Es hätte auch wenig genützt, denn es waren keine
handelsüblichen metrischen Gewinde, sondern solche nach alter
amerikanischer Zoll-Norm.
Einige wenige Teile blieben zuletzt übrig. Das meiste wurde
zerspielt, verloren, fiel dem Hausputz zum Opfer..
Spielzeug
Im Vergleich zu den Kindern jetzt hatte ich
wenig perfektes Spielzeug. Das war aber kein Mangel, denn
Ersatzmaterial fand ich überall: Aus Plastilin formte ich
Figuren für die Eisenbahn und andere Spiele. Es störte niemand,
dass das Plastilin immer schmutziger und härter wurde. Ständig
schleppten wir Zweige und ähnliches Bastelmaterial heim. Das
Verpackungsmaterial aus dem Laden war begehrt. Eine Zeit lang
baute ich Schusserbahnen in Pappschachteln nach dem Vorbild der
Achterbahnen. Der oben eingesteckte Schusser kam irgendwo aus
einem Loch heraus, lief eine Kurve oder hüpfte über eine
Sprungschanze und verschwand wieder in der Schachtel. Die vielen
Bastelsachen wurden bald wieder weg geworfen.
Vermutlich von Bäckerei-Kunden erhielt ich immer wieder buntes
Blechspielzeug zum Aufziehen, das meinen Eltern gegen Brot
vertauscht wurde. Es stammte wohl von Leuten, die ihre Söhne im
Krieg verloren hatten und sich nun in den Nachkriegsjahren vom
aufgehobenen Spielzeug getrennt haben. Bei mir hielt
dieses Blechspielzeug immer nur kurze Zeit. Wenn es nicht mehr
funktionierte, versuchte ich es zu reparieren und habe es dabei
ganz zerstört. Meine Eltern haben es dann ohne Bedauern weg
geworfen. In gutem Zustand sind diese Spielsachen heute sehr
gesucht.
Spielplatz Straße
Alle Nachbarskinder kamen gegen Abend auf die Straße. Die
Parkstraße hatte "Kleinstadt-Pflaster" mit kleinen Steinen in
Bögen verlegt. Die Gollierstraße hatte als Durchgangsstraße
"Großstadtpflaster" mit großen Steinen, die kleine so glatte
Oberfläche ergaben. Wenn da einmal ein Auto fuhr, schauten wir
schon nach und versuchten das Fabrikat zu bestimmen.
Parkende Autos gab es 1950 in beiden Straßen noch nicht. Wir
Kinder hatten die ganze Straße für uns, zum Fangermandl oder
Versteck-Spielen. Die Hof-Einfahrt unseres Hauses war mit einem
hohen Gitter abgesperrt. In diesen Hof durften wir nicht, denn
da hat die Hausmeisterin gleich vom Balkon herunter geschimpft.
Kinderspielplätze mit Geräten kannten wir nicht. Die Straße,
die Theresienwiese und der Ausstellungspark waren unsere
Spielplätze.
Viele Kinder hatten damals keinen Vater, denn die Väter waren
im Krieg umgekommen. Mein Vater kam ja auch erst 1948 aus
der Gefangenschaft heim.
Die Mutter des Schulkameraden Helmut Berger im Nachbarhaus war
Straßenbahn-Schaffnerin. Als ich mit Helmut einmal an der Isar
beim Isartalbahnhof zum Spielen war, sagte Helmut: Meine Mutter
fährt heute auf der 10er. Die Linie 10 fuhr vom Isartalbahnhof
ins Westend. Tatsächlich war sie in der nächsten Bahn im
Anhänger. Da liefen wir gleich hin. Als eine Kontrolle kam,
sagte die Frau, das sind meine Kinder und dann war es in
Ordnung. Als wir zum Sendlinger Torplatz kamen, sagte sie, ich
habe zu wenig Fahrscheine mit genommen. Lauft vom Sendlinger
Tor-Platz schnell heim und Helmut sollte ihr Fahrscheine von der
Wohnung zur Haltestelle Ausstellungspark bringen.
Das hat auch geklappt. Bis die Tram über Stachus und Bahnhof ins
Westend kam, hat Helmut ihr die Fahrscheine zur nächsten
Haltestelle gebracht.
Das Nachbarhaus gehörte einem Taxi-Unternehmer. Im Hof waren
einige Garagen und eine Werkstätte. Die Eigentümer-Familie
wohnte im 2. Stock und hatte eine Tochter in unserem Alter. Das
Mädchen kam nicht zu uns auf die Straße, denn es hatte
Kinderlähmung (Polio) und konnte nicht laufen. Einmal wurde ich
aufgefordert, in den 2. Stock zu gehen um mit dem Mädchen zu
spielen, scheinbar weil ich ein ruhiges Kind war. Das war
aber kein großer Erfolg, denn es blieb bei einem Besuch.
Mit den Puppen des Mädchens konnte ich nichts anfangen. Beim
Klassentreffen mit 40 Jahren sprach mich eine Frau an. Es war
das Mädchen. Sie hat einen Klassenkameraden, Fuhrunternehmersohn
aus der Tulbeckstraße geheiratet. So kam das Taxi-Unternehmen
mit dem Fuhrunternehmen zusammen. Das Mädchen hat sich an
mich erinnert. Ich hätte sie nicht erkannt. Jetzt ist mir
aufgefallen, dass alle mir bekannten Kinderlähmungs-Fälle Kinder
aus "besseren" Häusern betrafen, die schon immer ein Klo mit
Wasserspülung hatten. Hier kam es wohl zu den Polio-Infektionen,
während wir noch jeder seinen eigenen Nachttopf benützten. Durch
die Schutzimpfung gibt es keine Polio-Erkrankungen mehr..
Manchmal fuhr ein Feuerwehr-Zug durch die Gollierstraße. Dann hieß
es, bei Metzler (Gummireifen-Fabrik) brennt es. Da sind wir gleich
hinter her gelaufen. Einmal brannte das vierstöckige Fabrikgebäude
lichterloh. Aus dem Erdgeschoß kamen die Flammen bis zum Dach.
Metzler hatte keinen Bahngleis-Anschluss. Regelmäßig wurden
Güterwagen, meist Tankwagen auf einem Tieflader-Lkw Culemeyer
durch die Gollierstraße gezogen.
Ferienwoche Freising bei Oma
Unsere zwischen 1949 und 1962 häufigen sonntäglichen
Besuche in Freising liefen stets nach dem gleichen Ritual ab:
Nach der Ankunft vom Bahnhof sagten wir Oma kurz Grüß Gott und
gingen in die Schulmesse, während Oma, die täglich die Frühmesse
besuchte, den Schweinsbraten kochte. Dazu gab es immer
Teigknödel und grünen oder Gurkensalat. Da Oma nur 2 Stühle
hatte, wurde der Tisch vor das Sofa geschoben. Kurz vor dem
Essen musste ich noch mit dem Maßkrug zum Hacklbräu in die
Hauptstraße gehen und dort an der Gassenschänke, einem
Schiebefenster zur Tordurchfahrt, 3 Quartel Bier (0,75
Liter) holen. Man war der Meinung, dass der Wirt bei
1 Liter auch nicht mehr in den Krug füllt, denn der Rest bis zum
oberen Krugrand war Schaum. Unterwegs trank ich dann einen
Schluck und füllte am Wasserhahn hinter der Haustüre etwas
Wasser nach, wie es mein Vater aus seiner Jugend erzählt hatte.
Alle freuten sich, dass der Wirt so gut eingeschenkt hatte und
nach dem stehend gesprochenen Tischgebet konnte gegessen werden.
Beim Tischgebet staunte ich immer, wie schnell die
Erwachsenen, vor allem meine Oma, diesen Text sagen konnten. Ich
verstand sowieso kaum ein Wort, da sie ganze Sätze zu einem Wort
zusammen zogen. "WirdankendirHerrfürSpeisundTrank..."
Nur wenn Oma Luft holen musste, fiel mein Vater in den Singsang
ein. Meine Mutter und ich blieben fast stumm. Sonst sprach meine
Oma aber recht langsam und bedächtig.
Meine Großmutter wohnte im einfach ausgebautem Dachgeschoss eines
Rückgebäudes, dessen Erdgeschoss ursprünglich Waschhaus und Stall
war. Hinauf kam man über eine außen angebaute hölzerne Treppe, die
mit Brettern zu einem Gang verschlossen und außen mit
gestrichenem Blech beschlagen war.
Der kleine Raum über dem Waschhaus war die Wohnküche. Darin
stand unter dem Fenster ein Regal für Töpfe und Schüsseln, über
Eck dazu der Kochofen ohne Wassergrandl. Dann kam die Türe
ins Schlafzimmer, danach stand ein Küchenschrank mit dem Geschirr
und an der Rückwand noch ein Kanapee, ein Liegemöbel, das
ursprünglich mit Leder bezogen war. Über dem Kanapee hing ein
Regulator, eine Uhr mit Pendel in einem gedrechselten
Glasgehäuse. Gegenüber dem Küchenschrank hatte gerade noch ein
Tisch mit 2 einfachen massiven Holzstühlen Platz bis zum
Eingangstüre.
Das Schlafzimmer war etwas größer und hatte zwei Fenster im Giebel
nach Westen. Die beiden Betten waren links und rechts an die Wand
unter die Dachschräge gerückt. Eine Komode stand dazwischen an der
Fensterwand. An der Rückwand standen links der Türe ein
Kleiderschrank und rechts ein Schrank mit Glastüren. Darin waren
die Bücher meines Vaters aus seiner Ledigenzeit. Als Großmutter
etwa 80 Jahre alt war, verlangte sie, dass wir die Bücher mit
nehmen. Den Rest und den Schrank wollte sie verheizen. Alle Möbel
waren einheitlich mit brauner Farbe gestrichen.
1951 und 1952 verbrachte ich je 1 oder 2 Ferienwochen in Freising.
Das waren anstrengende Wochen für die Oma, denn ich wollte alle
Winkel der Altstadt kennen lernen. Die Kleinstadt-Idylle mit
Gärten, Bächen und Kirchen war mir neu. Ich kannte ja nur die
Häuserblocks der Münchner Vorstadt. Die Oma zeigte mir bei
schönem Wetter alle Freisinger Sehenswürdigkeiten. Beeindruckt hat
mich die Fischergasse mit dem Bach neben der Straße und das
Korbinansbrünnl unter dem Weihenstephaner Berg. Dort musste man
die Augen waschen. Dafür war das Wasser gut.
Großmutter saß am Abend stets mit den anderen Hausbewohnern
auf einer einfachen Bank ohne Lehne an der warmen Westwand des
Vorderhauses in der Abendsonne. Das Gespräch ging dabei fast immer
über die Pfarrer bzw. Geistlichen Herren, von denen es damals in
Freising noch genug gab. Ob sie schön, kurz oder zu lang gepredigt
hatten und ähnliches.
Ich verstand als Kind nicht, was an den Pfarrern so interessant
war, dass man sich über ihre Person so lange unterhalten konnte.
Das ganze Leben im Jahreslauf wurde von den kirchlichen
Veranstaltungen geprägt.
Als ich im Sommer 1953 wieder zu Oma wollte, lehnte sie ab. Ich
war ihr zu anstrengend. Oma war da 75 Jahre alt und ich 12 Jahre.
Großmutters Wohnung enthielt außer dem Kohleherd, 2 Glühbirnen mit
Schalter und einer Steckdose keinerlei Installationen. Die völlig
fehlende Wasserinstallation vermisste ich nicht, denn zu hause
hatten wir es ja auch nicht anders. Zum Klo stieg man die
Außentreppe hinunter und ging über den Hof. In den 50-er Jahren
wurde aus dem Plumpsklo ein Wasserklo. Die Versitzgrube hat aber
noch genauso gestunken.
Das Wasser holte die Großmutter im Kübel vom Wasserhahn neben der
Straßentüre des Vorderhauses. Das Spül- und Waschwasser kippte sie
wohl aus dem Fenster in den Garten, Um 1960 bekam sie dann einen
Wasserhahn in der Küche, wurde aber nicht froh damit, da die frei
durch die Luft über den Hof verlegte Leitung beim ersten Frost
eingefroren und geplatzt ist.
Ergänzung Juli 2019
Die Ferienwochen bei der Großmutter in Freising sind immer noch
eine angenehme Erinnerung.
Der Bahnhof Freising war bei unseren ersten Besuchen noch eine
Ruine. Bei jedem Besuch bemerkten wir den Baufortschritt. Auf
einem stumpfen Nebengleis stand bei unserer Ankunft
abfahrbereit das Holledauer Bockerl. Nach meiner
Erinnerung und heutiger Kenntnis würde ich die Lok als Köf-Typ
bezeichnen mit einem Personenwagen.
Als Weg zur Oma hatten wir zwei Möglichkeiten:
Westlich am Domberg vorbei durch die Altstadt war weiter, aber
interessanter.
Der andere Weg östlich vom Domberg lief erst eintönig am
Bahndamm entlang und dann durch die Heiliggeist-Gasse. Zu
sehen gab es hier nur den Mühlbach, der unter einem Haus
hervorquoll und gleich wieder unter der Straße verschwand.
Der karge Haushalt der Oma ist bereits beschrieben. Dass
sie keinerlei Wasserinstallation in der Wohnung hatte,
verwunderte mich als Kind nicht. Zuhause hatten wir es ja auch
kein Klo in der Wohnung. Nachts wurde selbstverständlich das
"Haferl" benützt, das unter dem Bett stand. Wie die Oma
das Haferl entleerte, weiß ich nicht. Vermutlich hat sie den
Topf in einen unbeobachteten Moment aus dem Fenster in den
Garten hinter dem Haus gekippt. Die Wohnung lag ja im 1.
Stock und das Schlafzimmer hatte Fenster auf der
Gartenseite.
Vor der Eingangstüre oberhalb der Treppe stand in einer Nische
ein kleines Werkzeugregal. Das war mein Spielplatz. Da habe ich
irgend etwas gebastelt, gehämmert oder gebohrt.
Nach den Ferien wollte und durfte ich einiges von dem Werkzeug
mit nehmen. Mein Vater hatte ja keinerlei Werkzeug. Aber bei
einigen Sachen protestierte Oma, denn dieses Werkzeug brauchte
sie noch, etwa zum Brennholz machen.
Am Bichl und in der Freisinger Altstadt waren sie Häuser eng
zusammen gebaut, verschachtelt. Das bedrückte mich nicht,
sondern ich fand es romantisch. Im Vergleich zu unserer Wohnung
im Westend waren die Häuser nur ein- und nicht dreistöckig
und hinter der Häuserzeile waren Gärten.
Sicher hat mich die Oma nicht nur in die Fischergasse und
nach Weihenstephan geführt, sondern auch hinauf in den Dom. Aber
nur Fischergasse mit dem Bach neben der Straße und
Korbiniansbrünnl sind in der Erinnerung geblieben.
1951 Ende der 4. Klasse
In den ersten 4 Klassen der Volksschule war ich ein unauffälliger
Schüler. Der Lehrer in der 3.- 4. Klasse mochte mich wohl gerne.
Als ich die Idee hatte, ein Weihnachts-Krippenspiel aufzuführen,
ließ er mich gewähren. Nach der Schule übte ich mit anderen dafür.
Es wurde aber nichts daraus.
Im Schulzimmer gab es einen Sandkasten, in dem der Lehrer
Landschaften für den Heimatkunde-Unterricht gestaltete, zum
Beispiel die Stadtgründung von München. Aus Kreidestücken schnitt
er Häuser und Türme.
Bei Klassenwanderungen in der Stadt hatte er eine weiße Joppe wie
ein Verkehrspolizist an und hielt damit den Verkehr auf, damit die
Klasse über die Straße gehen konnte.
Als nach der 4. Klasse die besseren Schüler ans
Gymnasium übertraten, empfahl mir der Lehrer (1951) das
Gymnasium. Ich erwiderte, dass ich als künftiger Bäcker keine
Oberschule brauche. Aus heutiger Sicht (2016) denke
ich, dass ich durch einen Oberschulbesuch weder erfolgreicher,
noch glücklicher geworden wäre. Meine Eltern hätten mir nach
Aufgabe der Bäckerei (bereits 1957) kein Studium finanzieren
können und waren ganz froh, dass ich ab 1955 schon etwas Geld
verdiente und sie keine Sorgen wegen meiner Zukunft haben mussten.
In die Oberschule wechselten nur Beamtenkinder, die alle in
Genossenschafts-Blöcken beim Gollierplatz wohnten. Manche davon
hatten sogar eine Modelleisenbahn. Mit einem der Oberschüler,
Helmut Holzheimer, war ich noch lange befreundet und holte ihn
auch am Nachmittag von seiner Schule ab, dem
Kaiser-Ludwig-Gymnasium.
Der Lehrer in der 3./4. Klasse und der in der 6./7. Klasse
prügelte viel, aber nur bestimmte Schüler, eben die Prügelknaben.
Beide Lehrer bekamen dabei einen hochroten Kopf. Der Lehrer in der
4. Klasse stellte sich dann hinter die Schultafel, bis er sich
wieder beruhigt hatte. Im neuen Schulhaus Bergmannschule ging das
nicht mehr, denn die Tafeln waren an der Wand befestigt und nicht
freistehend auf Stellagen.
Religionsunterricht
Den Religionsunterricht als Vorbereitung zur Erstkommunion hielt
der Stadtpfarrer, der Herr "Geistliche Rat" Widmann von der
Ruppertkirche selbst. Er überragte in der Kirche seine Gemeinde um
Kopflänge, war also nicht nur für uns Kinder ein Riese. Außerdem
war er sehr korpulent. In der Schule und in der Kirche lernten wir
vieles auswendig. Zum Beispiel bei der Erstkommunion: "Widersagt
ihr dem bösen Geiste?" Die Worte widersagt und Geist kamen in
unserem Sprachschatz nicht vor. Da konnte ich und genauso die
anderen sich nichts darunter vorstellen. Trotzdem riefen alle im
Chor: "Wir widersagen". Die Texte der Messe, selbst die
lateinischen, prägten sich durch vielfache Wiederholung ein, ohne
jemals Sinn und Inhalt zu bekommen. Falls einmal ein
Religionslehrer versucht hat, uns den Inhalt zu erläutern, war es
für uns unverständlich. Ich kann mich jedenfalls nicht daran
erinnern. Religion kann für manche Leute durchaus Inhalt bis zur
Ekstase haben. Was jedoch der "Geistliche Rat" vorführte, war
Leerlauf einer Zeremonie mit zusätzlichem Psychoterror. Der
Geistliche Rat war nicht einmal scheinheilig. Er hat nach meiner
Erinnerung auch kein Kind geschlagen .
Bei der Kindermesse führte der Geistliche Rat selbst Regie. Die
Kinder hatten nach Klassen reserviert die vordersten
Bankreihen. Wenn der Geistliche Rat ein Schulkind hinten zwischen
den Erwachsenen entdeckte, pflügte er wie ein Eisbrecher durch die
Menge und lotste das Kind in die vorderen Bankreihen. Die
anwesenden Kinder hakte er scheinbar im Gedächtnis in einer Liste
ab, denn in der Religionsstunde am Montag fragte er alle fehlenden
einzeln und genau, warum sie nicht in der Sonntagsmesse waren. Ich
hatte da keine Probleme, denn meine Eltern gingen gewohnheitsmäßig
in die Schulmesse und ich ging eben mit. Bei einem Ausflug konnte
ich angeben, wo ich die Kirche besucht hatte. Das war eine
vollwertige Ausrede.
Der Geistliche Rat hatte Sinn und Geschick für Zeremonien und
Effekte. Für uns Kinder und auch die Erwachsenen war es ein
großes Vergnügen, wenn eine Zeremonie nicht klappte, weil etwa ein
junger Aushilfspfarrer nicht richtig spurte. Da quoll der Riese
sichtbar vor Zorn auf. Dann machte er mit seiner gewaltigen Stimme
auch der Orgel Konkurrenz, um beispielsweise ein Lied an zu
stimmen. Die Ruppertkirche war sehr weiträumig und hatte eine
schlechte Akustik, da musste ein Pfarrer schon eine kräftige
Stimme haben. Für die Maiandacht hatte er einen besonderen Gag.
Zum Ende wurde es bereits dunkel, da wurden die Lichter
ausgeschaltet und der Geistliche Rat persönlich projizierte ein
Dia eines Marienbildes von der Orgelempore aus auf eine Leinwand
zwischen die Altarsäulen. Die Projektionsleinwand rollte vorher
lautlos automatisch ab. Lichtbildervorträge und Farbbilder gab es
in der Schule erst in den folgenden Jahren. Da war der Pfarrer
seiner Zeit voraus.
Für die Erstkommunion übten wir, wie wir im
Gänsemarsch in der Kirche herum laufen sollten. Weitere
Erinnerungen von diesem Ereignis weiß ich nicht zu berichten. Es
ist ein typisches Fotoereignis. Der Geistliche Rat war ganz
entsetzt, dass ich als einziger das Gruppenfoto der
Kommunionkinder nicht bestellte. Ich konnte mir nicht vorstellen,
was ich damit anfangen sollte.
Floßfahrt von Tölz nach München
In der Erinnerung eingeprägt ist eine Floßfahrt von Tölz nach
München mit dem Bäcker-Fachverein.
Die Wildwasserstrecke von Tölz bis Wolfratshausen wurde damals
noch von den Flößen befahren, denn es gab den Sylvenstein-Damm
noch nicht, der jetzt die Hochwasser im Frühjahr zurück
hält. Die Flößer hatten Mühe ihre Fahrzeuge über die
Kiesbänke zu steuern. Nach Wolfratshausen beeindruckten mich die
Steilufer mit den Burgen und Kirchen. Ich sah hier
Märchenbuch-Bilder verwirklicht.
Eine Floßfahrt, die ist lustig, eine Floßfahrt, die ist fein,
drum fahr ich am Sonntag auf der Isar
mit dem Bäcker-Fachverein.
Das hat einer auf die Anmeldekarte gedichtet und ich habe das
Verserl am Montag in der Schule vorgetragen.
Zum Spitzungsee fuhr man damals noch mit der Kabinenbahn hinauf.
Mit dem Sessellift zum Stümpfling getraute ich mich nicht zu
fahren, so dass mein Vater die bereits gelösten Fahrkarten zurück
geben musste.
Die Dampferfahrt auf dem Starnberger See war auch ein
beliebter Sonntags- oder Ferien-Ausflug. Einmal war nach dem
Verkauf das Schloß Höhenried bei Bernried samt Park öffentlich
zugänglich und zu besichtigen.
Feriengast Cousine Irmi Buchta
Mit der 3 Jahre älteren Irmi bin ich 1943 bis 1946 zusammen in
Hattenhofen aufgewachsen. 1946 ist Irmi wieder mit ihrer Mutter
nach Bayreuth gezogen. 1951 kam sie eine Ferienwoche zu mir nach
München. Es müssen die Pfingstferien gewesen sein, denn
ich war noch in der 4. Klasse. Irmi war 13 Jahre alt und fuhr
alleine mit Kinderfahrkarte von Bayreuth nach München. Es war
damals noch möglich, dass ein unbegleitetes Kind mit dem Zug
fuhr. Die Schaffner haben sich um das Kind gekümmert. Irmi
musste zweimal umsteigen. In München holten wir sie am Bahnhof
ab. Die Fahrt wurde mit Postkarten vereinbart, denn Telefon
kannten wir noch nicht. Wir hätten das Mädchen nach 5
Jahren nicht mehr erkannt, aber sie erkannte meine Mutter. Am
Wochenende startete unsere erste Bergtour. Es war meine
erste bewusst erlebte Bergtour.
Ich denke, dass wir vom Isartalbahnhof (den gibt es nicht mehr)
mit der Isartalbahn über Wolfratshausen und Bichl nach Kochel
gefahren sind. Diese Bahnstrecke ist längst in Vergessenheit
geraten und nicht einmal Spuren davon sind erhalten. Diese
Strecke war kürzer als die heutige über Tutzing. Da der Preis nach
Kilometer gerechnet wurde, fuhren wir so. Zum Isartalbahnhof fuhr
unsere Trambahnlinie 10 vom Westend aus ohne Umsteigen.
Mit dem Bus fuhren wir auf den Kesselberg.
Die Zugfahrt, Aufstieg durch die Wad- und Almregion, der
Gipfelanstieg durch die Latschen, der Tiefblick vom Gipfel und das
Gewitter beim Abstieg sind in der Erinnerung eingeprägt und durch
gelungene Fotos gefestigt. Es gab noch keine Seilbahn auf den
Herzogstand. Wir gingen vom Kesselberg-Sattel auf dem
Fahrweg hinauf.
Nach den Ferien erzählte ich begeistert davon in der Schule. Es
war noch in der 4. Klasse, könnte in den Pfingstferien gewesen
sein. Viele spätere Bergtouren sind in der Erinnerung
verblasst. Wenige haben mich so nachhaltig beeindruckt wie diese
kleine Wanderung.
Die Rückfahrt nach Bayreuth musste Irmi wieder alleine schaffen.
Einmal (wahrscheinlich in Schnabelwaid) hat sie übersehen, dass
sie umsteigen musste und kam an einen falschen Ort (
Kirchenlaibach ?) Als die Eisenbahner das Kind bemerkten,
fuhr an diesem Tag kein Personen-Zug mehr von Kirchenlaibach nach
Bayreuth. Deshalb wurde sie auf einem Güterzug auf der Lokomotive
mitgenommen. Sie hat uns das dann in einem Brief geschildert
und ich habe mir diese Sensation gemerkt. In Bayreuth hat sie den
Weg vom Bahnhof zur Wohnung dann selbst gefunden. Heute (2023)
wäre so etwas undenkbar.
Die Bergwanderungen der Jahre 1951 - 1953 lassen sich nicht genau
datieren, da keine Notizen darüber existieren. Wir sind in
diesen Jahren an vielen Sonntagen los gefahren. Mein Vater wollte
nachholen, was er in den Kriegsjahren versäumt hatte. Ich und
meine Feriengäste profitierten davon.
1952 Ferien bei Traudl in Oberschweinbach
Wir fuhren oft zu Verwandtenbesuchen aufs Land. Am liebsten von
all den zahlreichen Onkeln und Tanten besuchten wir Onkel
Michel Heiß und seine Familie in Oberschweinbach bei
Nannhofen. Traudl ist meine einzige gleich alte Cousine, deshalb
verstand ich mich mit ihr besser als mit den anderen, die viel
älter als ich waren. Das Behelfshaus hatte Tante Fanny noch
während des Krieges gebaut. Nach dem Krieg vergrößerte Michel es
laufend. Jedes mal, wenn wir wieder zu Besuch kamen, war das Haus
etwas größer geworden.
Hier gab es einen Garten zum Spielen und zum Naschen von Früchten.
Nur bei der Geiß hielten wir respektvoll Abstand. Die Ferienwochen
1951 bis 1954 bei Traudl waren für mich der Inbegriff des Sommers.
Im Münchener Westend gab es keine reifenden Getreidefelder und
keine blühenden Wiesen wie in Oberschweinbach. Hier war das
Häuschen mit Garten in einer ehemaligen Kiesgrube. Auf einem
steilen Weglein erstieg man den Kiesgrubenrand und war in den
Feldern. Am Feld entlang liefen wir einige Meter zum Waldrand mit
einem Bankerl. Hier malte ich das Panorama mit Wasserfarben
Das Bild erschien mir gut gelungen. Es ist natürlich nicht
erhalten.
Alle Menschen gingen noch zu Fuß und nahmen den kürzesten Weg zu
ihrem Ziel. Deshalb gab es überall kleine Wege, auch durch fremde
Gärten und an Feldrändern. Die Gartenzäune waren nur für Hühner
und andere Tiere. Wir konnten überall durch gehen. Da es Sommer
war, waren wir stets im Freien. Nur zum Essen und Schlafen waren
wir im Haus, ebenso wie die Erwachsenen, die im Freien Arbeit
hatten.
Es gab noch keine Mähdrescher. Getreide wurde mit dem Stroh
geerntet: die Halme gemäht, in Garben gebündelt und zu
"Manderl" aufgestellt. Einige Tage getrocknet, wurden die Garben
in den Hof gefahren. So bald ein Feld abgeräumt war, wurden
wir Kinder der armen Leute, die kein Getreidefeld hatten, hin
geschickt, um die liegen gebliebenen Halme mit den Ähren zu
sammeln. "Ähern" nannte man das. Jedes Kind brachte einen Arm voll
als Hühnerfutter heim.
Mit einem Leiterwagen wurden wir Kinder zu einem
Limonaden-Hersteller geschickt um einige Kisten Limo zu holen.
Ich sammelte Blumen, presste sie in Büchern und versuchte, sie mit
dem Pflanzenkundebuch zu bestimmen. Traudl führte mir die
Sehenswürdigkeiten der Umgebung vor, die Klosterkirche Spielberg,
das Dorf Günzlhofen, den Vermessungsturm. Auf den Vermessungsturm
sind Traudl und ich wirklich hinauf gestiegen.
Dazu liefen wir weite Strecken durch Feld und Wald.
In den folgenden 2 Wochen kam Traudl zu mir nach München und ließ
sich die Stadt zeigen: Frauenkirche, Petersturm, Tierpark. Die
kinderlose Tante Kathi Schweizer hat uns herum geführt.. Meine
Eltern hätten dafür keine Zeit gehabt, denn sie betrieben ja die
Bäckerei.
Linderhof
Die Fotoserie beweist, dass wir beim Ferienausflug mit Traudl nach
Linderhof und in die Partnachklamm kamen. An Einzelheiten erinnere
ich mich nicht mehr. Nur über die Oberammergauer Lokalbahn
mokierte ich mich. Sie startete in einem eigenen Bahnhof etwas
oberhalb des Murnauer Bahnhofs. Dann hielt sie alle paar Meter.
Nach den Haltestellen Berggeist und Jägerhaus meinte ich, jetzt
kommt die Haltestelle Millikübel (Milchkübel Abtransport zur
Molkerei.)
Die Blecheisenbahn
An Weihnachten 1951 erhielt ich eine Blecheisenbahn zum
Aufziehen. Die Eisenbahn war ein Vorkriegsmodell,
vermutlich Fleischmann Spur 0, heute eine Antiquität. Allerdings
wäre der Wert wohl gering, denn es war sicher nur eine
"Anfangs-Packung". Dazu wurden dann Gleise und Zubehör, wie
Schranke und Signal gekauft. Die ganze Holzkiste voll hat
vermutlich jemand, als das Geld nach der Währungsreform knapp war,
gegen Brot an meine Eltern verkauft. Wir haben nichts dazu
gekauft. Es war eine Menge Gleise und Weichen, 1 Lok,
mehrere Wägen zum Beladen, Gebäude, Schranke und Signal. Alles
war, wie üblich, aus bedrucktem Blech, das durch umgebogene
Laschen verbunden war. Ich erfand immer neue Gleispläne. Auch die
Freunde spielten mit Begeisterung mit. Durch den unebenen Ast
reichen Dielenboden wurden die Gleise immer mehr verbogen.
Verlorene Gleisverbindungsstifte ersetzte ich durch Nägel und bog
ausgeleiertes Blech mit der Zange zurecht. Etwa als ich 13 Jahre
alt war, hat jemand von den Freunden die Feder der Lok überdreht.
Darauf ließ er den Schlüssel verschwinden und schob die Lok in die
hinterste Ecke unter dem Bett. Da verlor ich auch die Lust an der
Eisenbahn und meine Eltern gaben den Rest an die
Verwandtschaft, meinen jüngeren Cousin Herbert Buchta in Bayreuth.
Nur ein Klassenkamerad (Norbert Winterstetter) hatte eine
elektrische Eisenbahn. Sein Vater war Beamter. Da wir im Netz
Gleichstrom hatten, musste der Strom erst mit einem mechanischen
Zerhacker in Wechselstrom umgeformt werden, bevor er für die
Eisenbahn transformiert werden konnte.
1951 5. Schulklasse
Bis zur 4. Klasse waren wir als Bergmann-Schüler in der
Ridlerschule, weil die Bergmannschule noch von Bomben zerstört
war. 1952 war die Bergmannschule innen neu ausgebaut und wir
konnten in ein neues Schulhaus einziehen. Hier waren modernere
Möbel. Nicht mehr die alten fest montierten Schulbänke mit den
schrägen Tischen. Immer zwei Kinder hatten einen Tisch mit zwei
einfachen Drehstühlen.
Da die 5. Bubenklasse zu klein geworden ist, wurde mit den Mädchen
eine 5. Klasse gebildet. Zwei Tischreihen waren die Mädchen,
eine Tischreihe waren wir Buben. Die Mädchen waren mehr, denn sie
wechselten nicht in die Oberschule. Als Lehrer hatten wir 2
Monate Georg Kronawitter, den späteren Münchner Oberbürgermeister.
Er war in der Klasse sehr beliebt, weil er nach der Schule noch
mit zum Fußballspielen ging. Klassenkameraden meinten Jahrzehnte
später, als Lehrer habe er mehr Talent gehabt als als
Bürgermeister. Mit einer anderen Lehrerin zogen wir dann um in die
neu aufgebaute Bergmannschule. .
Wir bekamen eine junge Lehrerin. Für diese war ich der
Vorzugs-Schüler. "Herzibobberl" sagte man damals dazu. Sie
gab mir sogar das Lehrerbuch, damit ich voraus lernen konnte.
Eine Klassenkameradin der 5. Klasse erzählte beim Klassentreffen,
dass ich als einziger in der Klasse die Aufgabe löste, wie viele
Knöpfe man für eine Jacke braucht. An der 50 cm langen Jacke
sollten alle 10 cm Knöpfe sein. Dazu benötigt man nicht 5, sondern
6 Knöpfe, denn zu der Null auf dem Maßband kommt auch ein Knopf.
Die Katzen
In der Bäckerei gab es Mäuse. Deshalb hatten wir
nacheinander 3 Katzen. Sie wohnten nachts in der Backstube. Die
erste starb an einer Krankheit. Ihren Tod wählte ich in der 5.
Klasse als Aufsatzthema. Da die Katze sehr reinlich war, schleppte
sie sich schwer krank von der Backstube noch zum Kohlenhaufen,
erbrach sich dort und starb daneben. Wir fanden sie am Morgen tot.
Ich schilderte das anschaulich.
Die Lehrerin las den Aufsatz vor und die ganze Klasse weinte.
Nachdem dieser Aufsatz so ein Erfolg war, schrieb ich bei der
nächsten Aufsatz-Aufgabe wieder eine Katzen-Geschichte, bis die
Lehrerin sagte: Nicht schon wieder eine Katzen-Geschichte.
Die andere Katze beschränkte sich nicht auf die Backstube als
Revier, sondern kannte sich im ganzen vierstöckigen Haus aus. In
den Ferien kam sie am Morgen zu mir ins Bett, wenn die Erwachsenen
alle aufgestanden waren. In der benachbarten Wohnung war da meist
die Gangtüre offen. Die Katze schlich durch die Wohnung, stieg
beim Fenster hinaus und lief auf einem Mauersims im 1. Stock an
der Fassade entlang und kam zu meinem Fenster herein. So einen mit
Blech abgedeckten Mauersims gab es auch im 3. Stock. Das wurde der
Katze zum Verhängnis. Als sie dort entlang lief, rutschte sie aus
und fiel vom 3. Stock auf das Straßenpflaster. Der Familie im 3.
Stock tat das sehr leid. Sie betteten die Katze vor einen
elektrischen Wärmestrahler und das Tier erholte sich in 2 Wochen.
Indianerspiele
Angeregt durch "Lederstrumpf" und Karl May-Bücher spielten wir oft
Indianer. Deshalb bastelte ich mir auch Pfeil und Bogen aus
irgendwo abgeschnittenen Haselstecken. Als ich so bewaffnet auf
der Straße stand, griff mich ein etwas jüngerer Bub aus der
Nachbarschaft an. Als er keine Ruhe gab, schoss ich den Pfeil in
Bauchhöhe ab. Dummerweise bückte sich der Bub in diesem Moment und
ich traf ihn am Auge. Schreiend lief er heim. Da warf ich meinen
Bogen weg und bastelte nie wieder einen. Die Eltern des Buben
kamen noch am Abend in die Bäckerei und beschwerten sich. Zum
Glück hatte ich das Auge nicht getroffen und die Verletzung heilte
bald. Ich besuchte den Buben, als er noch krank war und
entschuldigte mich. Er und seine Eltern trugen es mir auch nicht
weiter nach.
Die Theresienwiese war unser Hauptspielplatz. Beim Oktoberfest war
der Auf- und Abbau der Achterbahnen und Bierzelte das
Interessanteste. Geld brauchten wir beim Oktoberfest keines. Wir
kannten die Attraktionen schon lange auswendig. Nur beim Einräumen
der Geister in die Geisterbahn ließ man uns nie zuschauen. Das
hätten wir gerne gesehen.
Viel Zeit verbrachten wir beim Schlittenfahren am Wiesenbergl. In
der Erinnerung waren die Winter alle lang und schneereich.
Außer der fast ganzjährig leeren Theresienwiese gab
es noch den Ausstellungspark. Hier und um die Bavaria war die
Freiheit nicht so groß, denn da waren uns immer die Aufseher
auf den Fersen. Trotzdem war der Ausstellungspark und das dahinter
liegende Brachland von der Verkehrsausstellung 1924 schöner als
die kahle Wiese. Die Ausstellungen waren nur in den Hallen,
der Park dahinter wurde nur bei den Verkehrsausstellungen benützt.
Im Park konnten wir schon auf Bäume klettern, einen Specht
beobachten oder ein Amselnest entdecken.
Auf dem Wallberg mit Irmi
Auch die 3 Jahre ältere Cousine Irmi (Buchta , geboren 6.11.1938)
kam als Feriengast nach München. Da spielte ich für 1 oder 2
Wochen den Gastgeber. In Bayreuth besuchten wir sie jedoch nie,
denn meine Eltern konnten die Bäckerei nicht mehrere Tage
schließen und um allein zu reisen, war ich zu klein. Die teuren
Eisenbahnfahrten von Bayreuth nach München machte Irmi in den
Nachkriegsjahren (12- bis 15-jährig) mehrmals allein. Sie konnte
ja noch mit Kinderfahrkarte fahren.. Das war jedes mal ein
Abenteuer. Sie fuhr den ganzen Tag, musste unterwegs umsteigen.
Wir haben sie natürlich vom Bahnhof abgeholt und zum Zug gebracht.
Das wurde vorher brieflich vereinbart, funktionierte aber nicht
immer. Auto und Telefon waren uns noch unbekannt. .
Bei ihrem letzten Besuch, als die siegreiche deutsche
Fußball-Weltmeister-Mannschaft 1954 heim kam, beobachteten wir die
Ankunft im Rathaus vom Turm der Peterskirche aus. Da sahen wir
alles viel besser als im Gedränge auf dem Marienplatz. Wir hatten
als erste die Idee mit dem Turm und deshalb die besten Plätze.
Ferienwochen im Bäckerheim Lochham
Oft führte unser Ausflug zum Bäckerheim der Bäckerinnung München
Es war in Lochham direkt in den Waldrand hinein gebaut.. Normal
wurden dort Kurse für Bäcker gehalten. In den Ferien war es ein
Kinderheim. In den Ferien sollte ich dort 3
Wochen im Kinderheim verbringen. Es gab für jeweils ca. 30 Kinder
einen Schlafsaal. Tagsüber sollten die Kinder auf einer Waldwiese
spielen. Ich hatte mich mit einigen Karl-May-Büchern
ausgerüstet und habe meist gelesen. Zu den anderen Kindern fand
ich keinen Kontakt und es war mir furchtbar langweilig. Den
ganzen Tag herum toben oder Ball spielen war nicht meine Art.
Nach zwei Wochen ließ ich mich von meinen Eltern wieder nach Hause
abholen.
Wendelstein
Weiter sind Bilder von einem herbstlichen Wendelsteinausflug
vorhanden. Die Fahrt mit der altertümlichen Zahnradbahn war schon
etwas besonderes. Die Bahn begann noch am Bahnhof Brannenburg. Auf
dem Bild habe ich eine kurze, noch reichlich große Lederhose an.
Der bescheidene Wohlstand der Fünfzigerjahre erlaubte uns jetzt
häufiger solche Ausflüge mit Zug und Bergbahn.
Hupfleitenjoch
Eine Familienwanderung 1952 oder 1953 führte uns vom Kreuzeck ins
Höllental und durch die Höllentalklamm. Als Erinnerung prägte sich
vor allem der Name des "Hupfleitenjoches" ein. Diese Wanderung war
schon fast eine Bergtour. Sie hatte jedenfalls eine
Hochgebirgs-Umgebung und als Abschluss und Höhepunkt die
Höllentalklamm. So wurde ich während meiner Schulzeit mit den
wichtigsten Ausflugszielen Münchens bekannt.
Es war die einzige und letzte gemeinsame Bergtour, bei meine
Mutter mit gegangen ist. Ihr Sonntagskleid und Halbschuhe waren
nicht die geeignete Bergsteiger-Ausrüstung. Mit meinem Vater
habe ich in den folgenden Jahren noch zwei Touren unternommen, bis
ich dann alleine los gezogen bin.
Der Kosmos-Elektromann Baukasten
Irgendwann begann ich, mit Batterien und Lämpchen zu basteln. Im
Elektrogeschäft gegenüber kaufte ich Drähte und kleine Schalter,
die ich im Schaufenster sah. Es war als Beleuchtung für eine
Puppenstube gedacht.
Darauf erhielt ich an Weihnachten 1953 den Kosmos-
Experimentierkasten "Elektromann". Das war ein großer Erfolg und
ein gut angelegtes Geld. Ich lernte elektrische Grundbegriffe.
Leider wurden im Anleitungsbuch die theoretischen Voraussetzungen
und Formeln nicht erklärt. Ich bastelte eifrig, bis das
Hauptstück, die Elektromagnetspule kaputt ging. Es gelang uns
nicht, Ersatz dafür zu bekommen. Ich hatte im Eifer die
Erklärungen am Anfang überblättert und nicht mitgekriegt, dass die
Drähte zur Isolierung mit einer Lackschicht überzogen waren. Auch
mein Vater ist nicht dahinter gekommen. Die Versuche
funktionierten nicht , weil ich an den Kontaktstellen die
Lackisolierung nicht abgekratzt hatte.
Ich hätte einige Anleitungen und Erklärungen gebraucht an den
Punkten, an denen ich nicht weiter kam. Das konnte jedoch niemand
in meiner Umgebung. Trotzdem habe mit dem Elektromann die
Voraussetzungen für den späteren Beruf Tabellierer gelernt.
Auf der Rückseite des Anleitungsbuches war Reklame für die anderen
Experimentierkästen des Kosmosverlages. Ich habe sie auswendig
gelernt, weil ich den Chemie-, Technik- und Radiokasten
gerne gehabt hätte. Diesen Wunsch konnte ich mir erst 10 Jahre
später als Erwachsener erfüllen. Meinem Vater fehlte dafür das
Verständnis. Bezahlbar wären diese Lehrspielzeuge leicht gewesen.
Dabei hat mein Vater sogar einmal einen Aprilscherz damit gemacht.
Er sagte, "Peter hat den All-Chemist bekommen". Wie die
Wilden sind wir darauf im Haus gegenüber in den 3. Stock zu Peter
gestürmt. Mein Freund Helmut wusste gar nicht, um was es
ging und rief: "Wo ist der Mist !" Es war nur April ! April
!
1952 - 1953 Schule 6. Klasse
In der 6. Klasse überlegte man es sich wieder anders. Wir Buben
kamen zur Schrenkschule. Diese war ebenfalls zerstört und noch ein
Schutthaufen. Die Kinder der Schrenkschule waren in der
Guldeinschule unter gebracht. Das war wie die Ridlerschule ein
burgartig finsterer Bau.
Die Schrenkschüler zogen in die nun wieder aufgebaute
Bergmannschule. Wir Buben der 6. Klasse wurde jetzt mit der
6. der Schrenkschule zusammen gelegt. Wir kamen zur Schrenkschule,
die in der Bergmannschule war. Es änderte sich nur der Titel und
der Rektor, nicht aber das Gebäude. Für den Religionsunterricht
war nun die Pfarrei St. Benedikt und nicht mehr St. Rupert
zuständig.
Zwei Schulklassen wurden zusammen gelegt, die sich bisher nicht
kannten. Sie mussten sich zusammen raufen. Anerkannt Bester in der
Schrenkschule war Seppi Winter, ein sportlicher kleiner
Fußballer. Zwischen ihm und mir ging es um den ersten Rang in der
Klasse. Das haben wir einmal nach der Schule auf dem freien Platz
vor der evangelischen Kirche in einer Rauferei aus gekämpft,
gewissermaßen stellvertretend für Schrenkschüler gegen
Bergmannschüler.. Die übrige Klasse, in den zwei Gruppen
Bergmannschüler und Schrenkschüler, hat dabei zugeschaut.
Der Kampf ging wohl unentschieden. Seppi war kleiner als ich, aber
gewandter. Ich habe sonst nie und mit niemand gerauft. Nach dieser
Rauferei waren wir gute Freunde und haben einiges gemeinsam
unternommen. Die Führung im Sport blieb unangefochten bei Seppi.
In der Schrenkschule hatten wir Hauptlehrer Bürkle in der 6. und
7. Klasse. Dieser alte Lehrer hatte unheimliches Temperament und
trimmte die Klasse mit allen Methoden und Tricks auf Leistung. Zum
Beispiel stellte er eine Frage, die alle wissen mussten. Wer nach
kurzer Zeit nicht den Arm hob, musste aufstehen, wurde zusammen
geputzt und erhielt Strafpunkte. So konnte niemand in der Klasse
schlafen. Wieder war ich Klassenbester. Das war bei diesem Lehrer
eine Streßsituation. Erst in der 8. Klasse blieb mir zu meiner
Erleichterung diese Rolle erspart.
Neu war, dass nun die Tische nicht mehr in Reihen standen, sondern
immer 3 Tische zu einem großen zusammen geschoben waren und wir zu
sechst Gruppenarbeiten machten.
1953 bis 1959 im Briefmarkenklub
Von 1953 bis 1959 gehörte ich zur Jugendgruppe des Briefmarkenclub
Bavaria. Alle 14 Tage wurde im Kolpinghaus eifrig getauscht. Hier
lernte ich viel über Briefmarken und habe auch eine große Sammlung
wertloser Marken zusammengetragen.
Aus dem Katalog lernte ich beim Ordnen der Marken die neuere
deutsche Geschichte, von der in der Schule keine Rede war. Bei
Marken aus fremden Ländern lieferte der Katalog ebenfalls
interessante Information.
Speziell für die Jugend kam damals Motivsammeln in Mode. Eine
Ländersammlung wurde wegen der unbezahlbaren teuren Marken nie
komplett, aber eine Motivsammlung war immer komplett. Ich
spezialisierte mich auf Schiffe und ordnete die Markenbildchen
nach historischen Schiffstypen. Anleitung gab mir ein Buch "Komm
mit an Bord" Die ganze Jugendgruppe sammelte für mich
Schiff-Briefmarken. Diese Sammlung gibt es noch. Nach heutigen
Maßstäben (2017) mag das alles primitiv wirken. Damals gab
es nicht einmal einen Fotokopierer.
Zu einer Briefmarken-Ausstellung war auch die Jugend eingeladen.
Ich war mit meinen Schiffe-Albumblättern dabei und bekam dafür den
3. Preis. Das war das Schwaneberger-Deutschland Vordruck-Album,
das ich noch habe. Eigentlich war dies der erste Preis. Die
Gewinner des ersten und zweiten Preises wollten das Album nicht
und so bekam ich es. In der Folgezeit habe ich viele
Ergänzungsseiten dazu gekauft und dafür deutsche Nebengebiete, zu
denen ich keine Marken habe, heraus genommen. Auch Seiten mit für
mich unerreichbaren Marken, wie die Zeppelin-Ausgaben nahm ich
heraus, damit die Seiten mit den laufend nachkommenden neuen
Jahrgängen in den Umschlag passten.
Mit ein wenig Erklärung ist die Deutschland-Sammlung wie ein
Geschichtsbuch für die Zeit von 1850 bis zum Albumende.
Nach dem Ausscheiden aus der Jugendgruppe wollte ich nicht in den
Verein eintreten. Für die Vereinsmeierei hatte ich nichts übrig.
Briefmarken sammeln erschien mir nun spießig. Mein Vater führte
die Sammlung etwas weiter, indem er die Neuheiten kaufte.
Jahre später habe ich mich immer wieder einmal damit beschäftigt
und die Sammlung auf den neuen Stand geordnet, aber zu einem
Verein ging ich nicht mehr.
Fotografieren
Bilder im Wald bei der Trambahn-Schleife Großhesselohe sind
meine ersten Fotos mit dem Apparat meines Vaters. Von da an habe
ich viel geknipst. Anfangs wurden die Köpfe und Turmspitzen
abgeschnitten, weil der Apparat nur einen primitiven Sucher
hatte. Ich kaufte einen Belichtungsmesser dazu und bald ein
elektronisches Blitzlichtgerät, das einen schweren Akku und
einen riesigen Kondensator hatte.
Federball-Spiel war damals aktuelle Mode. Sogar meine Mutter
versuchte sich damit.
Gegengeschäfte
Ein Geschäftsmann fühlt sich verpflichtet,
bei anderen Geschäftsleuten, die seine Kunden sind, einzukaufen.
Deshalb musste ich bei verschiedenen Metzgern und Krämern
einkaufen, das Bier reihum in 3 Wirtschaften holen und zu einem
bestimmten Friseur gehen, den ich nicht mochte. Sonntags kochte
meine Mutter nicht, sondern wir gingen zum Mittagessen in eine
der Wirtschaften. Von den drei Wirten kochte nur einer ein
genießbares Essen, bei den anderen würgten wir das Zeug aus
Verpflichtung hinunter.
In eine vierte Wirtschaft, die bei uns Kunde war, brauchten wir
nicht zum Essen gehen, denn die haben nicht gekocht. Weil dieses
Haus an meinem Schulweg lag, musste ich jeden Tag in der Frühe
ein Netz mit Semmeln am hinteren Wohnungseingang der Wirtschaft
an die Türklinke hängen. Die Wirtsleute schliefen zu dieser Zeit
noch. Auf dem Gang vor der Wohnungstüre lagen oft die
Bierleichen und schliefen ihren Rausch aus. Über diese bin ich
vorsichtig hinweg gestiegen, um bis zur Wohnungstüre zu kommen.
Jede der Kneipen veranstaltete alljährlich ihren Hausball. Da
mussten wir natürlich auch hin. Das war sogar meiner Mutter zu
viel, so dass ich, in Sonntagskleidung, mit meinem Vater zum
Fest ging. Da saß ich dann bei den alten Geschäftsleuten am
Tisch und verzehrte das teuerste Gericht der Speisekarte.
Anschließend durfte ich wieder heimgehen und versuchte, den
beißenden Mief wieder loszuwerden. Nur selten hatte ich
Leidensgenossen, die Kinder anderer Geschäftsleute. Als mein
Vater die Bäckerei aufgab, waren wir alle froh, dass wir damit
auch diese Verpflichtungen los waren.
1954 Stadtplan zeichnen
Angeregt durch Stadtpläne und Heimatkunde-Unterricht
versuchte ich mit einem Freund, eine Art Katasterplan unserer
Umgebung im Westend zu zeichnen. Dazu maßen wir die Strecken mit
Schritten ab und zeichneten alle Häuser, Rückgebäude und
Hinterhöfe. Oft wurden wir von den Hausmeistern verscheucht,
wenn wir vorsichtig in die Höfe hinein spitzten. Das Werk gedieh
etwa 2 Häuserblocks weit, das war unser Aktionsradius, hier
waren unsere Freunde zuhause.
Ergänzung 2008: Heute würde man zu diesem Zweck ein
Satellitenfoto oder einen Katasterplan aus dem Internet holen .
In meiner Jugend waren die Dachgeschoße der Häuser noch nicht
ausgebaut und es standen keine Autos vor den Häusern. Überall
bröckelte der Verputz. Die Straßen waren holprig gepflastert.
Die Wanderbücherei
Von Reisen sind 1954/55 weder Fotos, noch Erinnerungen
überliefert. Ich hatte andere Interessen: 1952 hatte ich
angefangen, Karl May-Bücher zu lesen. In der Städtischen
Wanderbücherei, die in einem alten Straßenbahnwagen an
verschiedene Stellen der Stadt fuhr, entdeckte ich einen
größeren Bestand. Jede Woche ging ich zur Wendeschleife an der
Ganghofer Brücke und holte 3 Bücher. Als ich alle Karl May
verschlungen hatte, lenkte der Bibliothekar mein Interesse auf
bessere Bücher und ich war bis zu meiner Militärzeit
regelmäßiger Kunde der Bücherei. Ich las Sachbücher
über Fotografieren, Bildgestaltung, Möglichkeiten der
Schwarzweiß-Fotografie, viel über Bergsteigen. Gerne las ich
Bücher von Karl Lukan, Wien ("Bergvagabunden"), die
ich später vergeblich in Antiquariaten suchte. Auch Pinkerton:
"Fünf Jahre im kanadischen Busch" und andere beeindruckte
mich. Die amerikanischen Bücher sind um 1950 erst in deutsch
erschienen. Ich glaubte damals, das sei zeitlich
aktuell und habe erst jetzt gemerkt, dass es in der Zeit vor dem
1. Weltkrieg handelt.
Auf der hinteren Plattform des Straßenbahnwagens wurden die
Kunden bedient, die vor dem Wagen Schlange standen. Anstelle der
Türe zwischen Plattform und Wagen war ein Tisch, auf
dem die Bücher zurück gegeben wurden und hinter dem der
Bibliothekar stand, der die Kunden beriet und aus der Kartei
passende Bücher heraus suchte, die dann aus dem Regal geholt und
heraus gereicht wurden. Einer der Bibliotheks-Helfer war auch
Straßenbahnfahrer.
1955 Radfahren
1955 war ich groß genug, dass ich das kleinere Fahrrad von Papa
benützen konnte. Ich lernte Radfahren und war von nun an
eifriger Radfahrer. 1957 kaufte ich ein neues Rad mit
Gangschaltung.
1954 Basteln von Kriegsschiffen
Zwischen 1952 und 1955 interessierte ich mich sehr für deutsche
Kriegsschiffe des 2. Weltkriegs. Das war damals ein aktuelles
Thema, denn im Krieg war vieles geheim und wurde erst nach dem
Krieg allgemein bekannt. Ich las viele Bücher und bastelte
Schiffsmodelle nach Zeichnungen und Fotos in den Büchern. Mein
Vater kaufte mir in dieser Zeit in den Antiquariaten
Bücher, die noch in der Nazizeit erschienen sind und natürlich
die Marine sehr verherrlichten. Ich hatte damals eine ganz
unrealistische Vorstellung von einem Schiff. Die Verfasser der
Kriegsbücher hatten wohl ein ebenso unrealistisches Bild und
keine Ahnung, worüber sie schrieben. In einem Bastelgeschäft im
Westend kaufte ich das Zubehör: Balsaholz, Kanonenrohre,
Propeller und kleine Elektromotoren. Die Badewanne war zu klein
für die Probefahrten, deshalb trugen wir unsere Schiffe bis zum
Nymphenburger Kanal. Als ich mit diesem Hobbys Schluss
machte, schenkte ich den ganzen Krempel einem interessierten
Schulkameraden.
1954 - 1955 In der 8. Klasse
Während des Schulanfangsgottesdienstes zur 8. Klasse erhielt ich
vom neuen Kaplan eine schallende Ohrfeige, weil ich zu
meinem Hintermann etwas sagte. Da die Aufsichtspersonen alle neu
waren und uns nicht persönlich kannten, kam der Rektor gleich zu
Beginn des Unterrichts selbst in die Klasse und fragte, wer der
Empfänger der Ohrfeige war. Als ich mich meldete, sagte er nur
erstaunt: "Was, du?" und verschwand wieder. Dass ausgerechnet der
Musterschüler eine Ohrfeige bekam, musste wohl ein Irrtum sein.
Ich hatte den Rektor zwar nie als Klassenlehrer, aber er kannte
mich und wusste, dass ich der Musterschüler war.
Der gleiche Kaplan hätte mich einmal fast mit dem Motorrad
überfahren. Er hielt auch bei uns in der 8. Klasse den
Religionsunterricht. Die ganze Klasse döste und ließ ihn reden.
Da fragte er: "Was sind die drei christlichen Tugenden?"
Niemand rührte sich. Da habe ich mich doch gemeldet und gesagt:
"Glaube, Hoffnung, Liebe". Das hatte ich einmal wo auf
geschnappt und konnte mir aber nichts darunter vor stellen. Da war
der Kaplan erfreut und rief mich zu ihm vor. Er schenkte mir ein
kleines Heiligenbild. Als ich mit dem Bild zurück zu meinem Platz
ging, feixte die ganze Klasse. Es war einfach lächerlich, als
13-jähriger Bub in der 8. Klasse ein Heiligenbildchen geschenkt zu
bekommen.
Lehrer Schmied in der 8. Klasse nahm es leichter als der
Hauptlehrer Bürkle.
Im Nordbad lernten wir Schwimmen.
Werkunterricht
Einmal wöchentlich hatten wir nachmittags Werkunterricht in
der Ridlerschule. Es war eine Gnade für besonders brave Klassen,
wenn sie in die Werkstätten durften. Die Klasse wurde in 2
Gruppen geteilt. Eine Gruppe kam in die Metallwerkstätte, die
andere in die Schreiner-Werkstätte. Nach einem halben Jahr wurde
getauscht.
Unter Anleitung von Gewerbelehrern lernten wir in der
Metallwerkstätte erst schmieden, dann in der Schreinerwerkstätte
hobeln und sägen. Wir mussten zuerst eine technische
Zeichnung im Maßstab 1 zu 1 machen. Nach dieser wurde dann
gearbeitet. Von Rohmaterial, Stangeneisen oder Blech, war ein
Stück ab zu schneiden oder stemmen, dann zu gefeilt, bis es die
Form auf 1/10 mm Genauigkeit hatte. Die exakt runde Platte wurde
aus einem eckigen Blech gefeilt, ebenso der kleine Ring. Das
Rundeisen war zuletzt hinten vernietet.
Der Fotoständer hatte einen rechteckigen Fuß mit exakt
abgefasten Kanten, darauf ein Fotohalter genietet aus einem Blech,
das durch Glühen ein Muster bekam und oben am gebogenen Rand ovale
Punzen-Vertiefungen.
In der Holzwerkstätte fertigten wir einen Wäschetrockner,
bestehend aus einer Wandplatte, darauf halbrund zwei Halterungen
für die fünf um 180 Grad schwenkbaren Latten. Mit dem
großen langen Rauhbankhobel brachte ich kaum Späne weg.
Mittag vor dem Werkunterricht musste mir meine Mutter immer
Schinkennudeln kochen, damit ich genügend Kraft hatte.
Die Lehrer prüften nach jedem Arbeitsgang die Werkstücke mit der
Schieblehre und gaben danach die Noten.
Das war etwas ganz anderes als die Bastelei vorher und hat mir
viel genützt. Die im Werkunterricht angefertigten Sachen,
ein Fotoständer und ein Kleiderhaken aus massivem Eisen, ein
sternförmiger Wäschetrockner aus Holz, lagen lange herum und sind
bis auf den Kleiderhaken verloren.
Oktoberfest 1954 bis 1956
Die Parkstraße war nur 2 Straßenkreuzungen von der
Theresienhöhe und damit vom Oktoberfest entfernt.
Damals Anfang der 1950er-Jahre gingen die Leute noch zu Fuß hin,
um das Trambahn-Zehnerl zu sparen. Deshalb kamen Samstags ab
mittag und am Sonntag schon am Vormittag alle Bewohner des
Münchener Westens, bis aus Laim und Pasing, durch die
Gollierstraße wie eine Völkerwanderung daher. Sie kauften
bei uns Brezen, denn hier gab es diese zum normalen
Ladenpreis, während auf der Wiesn alles teurer war.
Mein Vater konnte an solchen Tagen gar nicht genug Brezen backen.
Frisch aus dem Ofen wurden sie noch warm verkauft. An diesen
Wochenenden kam mein Onkel Michel aus Oberschweinbach zu Hilfe. Er
war gelernter Bäcker, arbeitete aber als Elektriker. Michel
hat die Brezen gedreht, ich musste sie in die Lauge tauchen
und mein Vater stand nur am Ofen und hat pausenlos Brezen
hinein geschoben und heraus geholt. Meine Schulkameraden trugen
die Körbe in den Laden.
Vaters Buchhaltung
Als selbständiger Bäckermeister erledigte mein Vater seine
Arbeiten, so gut er konnte. Er war sehr fleißig, führte stöhnend
seine Buchhaltung, erstellte die Steuererklärungen, wie das
Finanzamt es verlangte und wirtschaftete sparsam. Buchführung
hatte er im Meisterkurs gelernt.
Als Onkel Michl sich als Elektriker selbständig machte, half er
auch diesem in Oberschweinbach bei Buchführung und
Steuererklärung. Einen Sonntag nachmittag saßen die beiden Männer
in einem Kammerl zusammen und wir mussten daneben möglichst ruhig
sein. Michl fuhr dann mit seiner Buchführung und Steuererklärung
zum Finanzamt. Der Beamte hat die Buchhaltung mit einen
Blick darauf verworfen. "Das gibt es nicht, Sie hätten ja viel
mehr ausgegeben als eingenommen !" Michl kam darauf ganz
verstört zu meinem Vater in die Backstube. Mein Vater konnte es
erklären und erzählte es auch mir, denn ich weiß es heute noch,
warum Michl mehr ausgegeben als eingenommen hatte: Michl hatte im
ersten Jahr ein stattliches Lager mit noch unverkaufter oder nicht
verarbeiteter Ware angelegt. Da war das Geld hin gekommen.
Mein Vater konnte mir zwar kaufmännische bzw. buchhalterische
Grundbegriffe vermitteln, aber keinen Geschäftssinn. So blieb ich
auch dabei, zu verwalten und buchhalterisch an zu häufen. Ein
Risiko, ein großes Geschäft, wagte ich nie. Ich habe auch recht
wenig bäckerei-technisches Wissen mitbekommen, nur was ich so
beobachtete. Über Rezepte und Techniken für Brot oder
Konditorwaren wurde nie gesprochen, deshalb bin ich da völlig
ahnungslos. Dabei musste ich regelmäßig mit arbeiten. Etwa ab 10
Jahren verdiente ich mein tägliches Taschengeld von 10
Pfennig dadurch, dass ich die Teigteil-Maschine und die
Knetmaschine von Teigresten sauber kratzte. Diese Arbeit hasste
mein Vater wohl genauso wie ich.
Was habe ich in der Schule gelernt
Ergänzung 21.1.2020
Am fertigen Band "Schulzeit" ist mir erst auf gefallen, dass
ich über die Schule nichts geschrieben habe, sondern nur über
Ferien und Freizeit-Aktivitäten.
Da frage ich mich, was habe ich in der Schule gelernt ?
Was ist vom angebotenen Schulstoff hängen geblieben. Meist
kann ich heute nicht mehr sagen, habe ich es in der Schule oder
sonst wie gelernt.
Eingeprägt hat sich stets, wenn die Lehrer von ihrem
Unterrichtsstoff begeistert und motiviert waren. Das war in der
4. Klasse die Münchener Heimatkunde, die Münchener Geologie im
Sandkasten dargestellt mit den Isar-Hofufern.
Die Lehrerin in der 5. Klasse stammte scheinbar von Ostpreußen.
Deshalb weiß ich heute noch über die Nehrungen und Haffe
Bescheid. Sonst bestand die deutsche Geografie nur aus dem
Rhein mit Nebenflüssen und Randgebirgen. Alles zwischen Rhein
und Ostpreußen ist für mich heute noch ein weißer Fleck auf der
Landkarte.
In der 6./7. Klasse hatten wir einen Frankreich-Fan.
Französische Städte und Flüsse sind mir fest eingeprägt und die
Aussprache der französischen Namen ein Graus.
Weitere Länder oder Erdteile blieben in der Schule völlig
unbekannt.
Deutsche Geschichte war in der Nachkriegszeit in heikles Thema
und wurde aus gespart. In der 8. Klasse folgten wir so lange
Napoleons Feldzügen, bis das Schuljahr um war.
Die neuere Geschichte habe ich dann mit der
Briefmarken-Sammlung und dem Michel-Katalog gelernt.
In der 7. Klasse lernten wir, eine Folge von Multiplikationen
und Divisionen auf einen Bruchstrich zu schreiben und zu kürzen.
Der Lehrer in der 8. Klasse hat das nicht kapiert und sich
gewundert, dass wir Aufgaben schneller lösten als er selbst,
obwohl wir es ihm erklärten.
Alle Fremdwörter habe ich ohne Schule gelernt und Fremdsprachen
kann ich keine. In der 4. Klasse wurde nachmittags ein
Englisch-Kurs an geboten. Dreimal ging ich mit einigen Freunden
hin und es kam kein Lehrer. Zum 4. Termin gingen wir nicht
mehr hin und prompt wurden wir gerügt, warum wir nicht gekommen
sind. So kann man Interesse der Kinder ab würgen.
weiter
mit Lehrzeit 1955 -58