Josef Kiening: Genealogie und Häuser im Gebiet nordwestlich von München
und Pfarrei Hahnbach /Oberpfalz
Hier das Beispiel eines "Zeit-Mietvertrages" um 1700 aus dem Gericht
Amberg Oberpfalz. Erläuterung am Ende des Textes. Zur besseren
Lesbarkeit wurde die Rechtschreibung etwas modernisiert.
Bestandbrief um einen Hof auf 3 Jahr.
Leonhard Beck von Witzlhof, Landrichteramts Ambergl. Unterhan
bekennt
und verbeständ seinem unterm dato 14. März 1699 von seinem
Schwiegervater seelig, Leonhard Paur zu Ursensollen, kurfürstl.
Hofkastenamts Amberg, in Specie aber auf seine Tochter Elisabetha
käuflich gebrachten
- Hof derorten, Cum Pertinentys,
- samt der über Winter angebauten Besamung
- nitweniger die dabei vorhandenen Erbstück als 1/2 Tagwerk Wiesen
in der Au,
- 1/2 Tagwerk in
Lengenloherbach,
- weiters 7 Äcker, namentlich 1/2 Tagwerk auf der Straß,
- 1 Tagwerk an zwei Stücken im Buchenwege,
- ein Tagwerk unterm Haus,
- 1/2 Tagwerk beim Gaisberg und
- 1/2 Tagwerk, das Stuckackerl genannt,
- nichts davon besondert noch ausgenommen,
- aber zwei Pferde,
- zwei Kühe,
- 2 Rosswagen,
- 4 dergleichen Geschirr, einem Sattel, welches zusammen
angeschlagen
worden per 80 Gulden,
- künftig benötigte Speis- und Samengetreide,
- 5 Viertl Korn,
- 1 Viertl Sommerweizen,
- 4 Viertl Gerstensamen,
- 18 Viertl Hafer,
- 1 Metzen Erbsen und
- 1 Metzen Linsen, nichtweniger
- die dermallen bei solchem Hof vorhandene Futterei, als ungefähr
- 2 Fuder Heu und
- 1 Fuder Grummeth,
- 4 Schock Winter-
- und 1 Schock Sommerstroh,
- 30 Quintl Deckstroh und
- 2 Klafter Holz,
dem ehrbaren Hans Zettl von Bittenbrunn Hofmark Zandt Untertan,
dergestalten neben sogleich erlegten 3 fl. Leykauf auf 3 Jahr von heute
an zu rechnen,
dass selber auf solche Zeit, alle hiervon betreffente herschaftl. und
all
andern Schuldigkeiten, als Steuer, Gilt, Scharwerk, Durchzüge allein
auf
seine Kosten, ohne des Vorbeständers geringsten Entgelt, abrichten und
bezahlen und
anstatt der jährlichen Interessen oder Bestandzinses,
ihm
Leonhard Peckh, die dritte Garbe von allem gesammelten Getreide,
durch
und durch
zu verreichen,
nach solch verflossenen 3 Jahren, aber nemblichen von heute
an zu rechnen, da sich solcher Bestand wiederum endet, Er, Zettl
solchen Hof nicht allein .. so (zurück gibt)..- wie er den unter
heutigem Datum angetreten,
sondern auch schuldig und verbunden sein
solle, bei solch wiederholten Zettls nehmenden Abstand, sich
spezifiziertes Rind und
Fahrnis in einer solchen (gleichen) Qualität oder Wert sich zeigt
(oder) hierfür die pactierten 80 fl. zu bezahlen, entgegen auch, da zu
selbiger Zeit das Vieh in einem höheren Wert sei, (ihm) dann frei
stehen
sollte, berührtes Vieh
anderwertig zu verkaufen und vorgenannte 80 Gulden an Geld seinem
Vorbesitzer, dem
Peckhen dafür einzuhändigen,
zugleich ist Zettl auch verpflichtet und verbunden, nach
Beendigung
solcher 3 Bestandjahre, neben der Sämereien vor(hin) angeführtes
Getreide,
wie ihm solches ausgehändigt worden ist, wiederum samt der Fütterei,
als zwei Fuder Heu und 1 Fuder Grummet, 4 Schober
Winter- und 1 Schober Sommerstroh auch jenige 30 pintl Deckstroh, dann
2 Klafter Holz, alles in Natura zurück zu lassen und gedachtem Peckh zu
übergeben.
Wobei dann auch wiederholter Vorbstandtner bei solchem Hof die
sich noch im Leben befindende und von anfangs genanntem Leonhard
Pauer
hinterbliebene Witwe Margaretha, als vorige Inhaberin solchen Hofs auf
solche drei Jahr den Winkelsitz (Austragsstube),
aber freie Herberge nebst der benötigten Beholzung und Unterhaltung
einer Kuh, in
des Beständners Futter ausdrücklich reserviert und vorbehalten,
bis dahin dann diesem aufgerichten Bestand ... (jeder) ... den
vorgeschriebenen Punkten gemäß, die schuldige Ausrichtung geschieht,
hat Zettl sein jetziges
Gütel zu Bittenbrunn mit Vorwissen und dem Vorbständer von dessen
Hofmarks
Obrigkeit überbrachten Consens unterpfändlich verschrieben,
womit und angeregter Bestand beschlossen, beide Teile damit ganz wohl
content und zufrieden, auch alles was hier eingekommen und widerruflich
zu halten, mit Mund und Hand angelobt, zugesagt und versprochen.
Zeugen: Hans Zettl von Zandt und Hans Rubenbauer von Gärmersdorf,
geschehen
den 20. May anno 1700.
Kommentar
Der vorstehende Text wurde freundlicherweise von Frau Margit Anspann
zur Verfügung gestellt als Beispiel für einen Miet- oder
Pachtvertrag für ein Bauernanweisen um 1700, in der Oberpfalz in der
Nähe von Amberg.
Ein Beständer ist ein Mieter oder Pächter ohne Eigentum.
Im Gegensatz dazu ist Leibrecht oder Freistift ein
der Grundherrschaft unterliegendes
Eigentum
Miet- und Pachtverhältnisse waren zu dieser Zeit sehr selten und nur
durch ungewöhnliche Umstände verursacht. Dieser Hof wird für 3 Jahre
vermietet, weil die Besitzerin Elisabeth noch
ledig oder gar minderjährig ist und noch nicht selbst wirtschaften
kann. Elisabeth ist die Tochter des Leonhard Peck und Enkelin des
Leonhard Paur und erwarb mit Vertrag vom 14.3.1699 den Hof des
mütterlichen Großvaters. In den drei Jahren hat die junge
Frau Zeit, sich einen Mann zu suchen, mit dem sie dann den Hof
bewirtschaftet. Eine Pachtzeit von 3 Jahren wurde gewählt, weil
nach 3 Jahren im Turnus der Dreifelderwirtschaft
wieder das gleiche Winterfeld eingesät ist, wie am Tag der Vermietung.
Im ersten Teil des Mietvertrages wird aufgezählt, was alles Mietsache
ist und wie diese nach 3 Jahren wieder zurück gegeben werden muß. Da
bei den 2 Pferden und den 2 Kühen nicht verlangt werden kann, dass
diese in 3 Jahren noch lebend vorhanden sind, wurde dafür ein
Wert von
80 Gulden vereinbart. Je nach den Umständen kann der Mieter in 3
Jahren die Tiere oder deren Gegenwert von 80 Gulden abliefern. Die
Entscheidung steht dem Pächter frei. Kleinvieh, wie Hühner, wurde nicht
erwähnt. Diese konnte der Mieter leicht selbst mitbringen und nach 3
Jahren wieder weg nehmen. Auch Mastschweine sind nicht so langlebig.
Weiter leistet der Mieter 3 Gulden Leykauf, das ist für die
Wirtshaus-Zeche aller Beteiligten einschließlich Notar und
Schreiber. Die eigentliche Miete ist ein Drittel des geernteten
Getreides; "jede dritte Garbe", also noch vor dem Dreschen, ist als
Naturalien an die Vermieterin abzuliefern. Der Mieter muß
außerdem alle in
den 3 Jahren anfallenden Steuern und Abgaben, sowie alle von
durchziehenden Soldaten verursachten Schäden
und Erpressungen bezahlen. Hier wirken noch
die Erfahrungen des 30-jährigen Krieges nach.
Als zusätzliche Belastung kommt noch der Austrag für die Witwe des
Vorbesitzers (Großvaters, wohl nicht die Großmutter der Elisabeth,
sondern eine weitere Ehefrau), deren Wohnung, Heizung und Stellung
einer Kuh, dazu.
Als Kaution oder Sicherheit für die Erfüllung des
Mietvertrages hat der Pächter sein Anwesen
verpfändet, weshalb sein Grundherr zustimmen mußte und darüber einen
Consens erteilte. Er haftete also mit seinem gesamten Vermögen.
Der Pächter Hans Zettl hat den gepachteten Hof
zusätzlich zu seinem Anwesen in Bittenbrunn bewirtschaftet. Er hat
dafür an Geld nur die 3 Gulden Leykauf und die Schreibgebühr des
Gerichtes eingesetzt, außerdem nahm er das wirtschaftliche Risiko auf
sich und konnte mit zusätzlicher Arbeit eine zusätzliche Ernte
erzielen. Vielleicht hatte er erwachsene Kinder, die hier bis zur
Übergabe des elterlichen Anwesens üben konnten.
Kommentar zu Übertragung der Urkunde
Der vorstehende Vertrag wurde zuerst mit Hilfe von Herrn
Alexander Peren buchstabengetreu abgeschrieben. Das
Ergebnis ist jedoch kaum flüssig zu lesen. Ein barocker Vertrag besteht
nur aus einem Satz, der leicht über 10 Seiten Protokoll lang und ohne
erkennbare Struktur sein konnte . Der Notar hat ihn aufgesetzt oder
konnte ihn auswendig hersagen und seinem Schreiber diktieren. Die
Vertragspartner waren nicht schreibkundig und konnten dem Notar nur
zuhören.
Um den Sinn der Urkunde zu erkennen, wurde versucht, den
Bandwurmsatz in eine Aufzählung und in sinnvolle Abschnitte zu
gliedern. Diese Gliederung ist im handgeschriebenen Original
nicht so vorhanden, wohl aber in der Vorlesung des Notars. Schließlich
mußte der Notar Pausen einlegen, um Luft zu holen. Er wird also immer
einen Satz gesprochen haben und geschaut haben, ob ihn die Zuhörer auch
verstanden haben und ob der Schreiber mit der Niederschrift nachkam.
Während der Atempause konnte der Schreiber seine Gänsefeder in das
Tintenfaß tauchen.
Ich
möchte behaupten, das gesprochene Original des Notars hatte
die obige Gliederung und Betonung.
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(C) Josef Kiening zum Anfang
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