Josef Kiening: Genealogie im Gebiet nordwestlich von München
Ab der Säkularisation erfolgte die Führung der Pfarrmatrikel in Bayern durch die Pfarrer in staatlichem Auftrag und auf amtlichen Formularen: Doppelseiten mit vielen Spalten von Datum über Namen bis zur Hebamme / Trauzeuge und Namen des sakramentspendenden Priesters. Die Familienforscher kennen das Formular.
Jährlich mußte davon eine Abschrift angefertigt werden und an den Vorläufer des heutigen Landratsamtes, damals Landgericht oder Bezirksamt genannt, abgeliefert werden. Die Abschrift war nach Gemeinden getrennt anzulegen. Meist umfaßte eine Pfarrei mehrere Gemeinden. Umgekehrt konnte eine Gemeinde zu mehreren Pfarreien gehören. Dann gibt es mehrere Hefte je Jahr, jedes von einem Pfarrer. Zu verwenden war das amtliche doppelseitige Formular, das die Pfarrer kaufen mußten. Die Heiraten einer (ländlichen) Gemeinde für ein Jahr paßten meist auf einen Doppelbogen. Taufen und Beerdigungen waren mehrere Blätter und ergaben ein dünnes Heft.
Das (Landratsamt-)Amt wußte mit den Heften wenig anzufangen. Es hat jedenfalls nicht damit gearbeitet, sondern die hereintröpfelnden Blätter nur mehr oder weniger sorgfältig in der Registratur abgelegt. Das erklärt schon mal die dürftige Erhaltung . Die Blätter wurden nicht gebunden und sind, wenn sie erhalten sind, heute noch lose. Im Gebiet nordwestlich von München (Fürstenfeldbruck, Dachau ) beginnen die erhaltenen Zweitschriften so um 1830, sind unvollständig und reichen nicht bis zum Jahr 1876, als die Standesämter eingeführt wurden. In anderen Landkreisen wird es ähnlich sein
Mit anderen Archivalien wurden die Pfarrmatrikelzweitschriften von den Landratsämtern an die Staatsarchive abgegeben. Das Staatsarchiv München hat daraus einen eigenen Bestand mit dem Titel "Pfarrmatrikelzweitschriften" gebildet. Als die Mormonen in den 1980er-Jahren die hiesigen Pfarrbücher nicht abfotografieren durften, haben Sie ersatzweise die Zweitschriften verfilmt. Das Staatsarchiv besitzt eine Kopie dieser Filmrollen und hat die wenig gefragten Originale daraufhin nach Eichstätt ausgelagert. Der Benützer im Staatsarchiv bekommt die Filmrolle.
Nur der Landkreis Fürstenfeldbruck wurde übersehen, da hier die Zweitschriften nicht wie anderswo in den eigenen Bestand gestellt wurden, sondern unter LRA (Landratsamtsakten) abgelegt sind. FFB ist deshalb noch auf Papier in München vorhanden. Alle Heiraten darin habe ich abgeschrieben und unter www.genealogie-kiening.de veröffentlicht. Der Zeitraum 1830 bis 1875 ist bei weitem nicht vollständig.
Die Filme entsprechen der in den 1980-er Jahren üblichen Qualität. Heute wären mit einem großformatigen Scanner bessere digitale Bilder machbar. Es wurde stets die linke und die rechte Seite einzeln fotografiert. Das Originalformat ist etwas über A4 groß und die meist sehr kleine Schrift wird am Betrachtungsgerät nochmals verkleinert. Um eine Zeile in der Tabelle zu lesen, muß man stets 2 Bilder betrachten und es besteht die Gefahr, daß man nicht die gleiche Zeile findet. Vermurkste (unscharfe) Bilder sind nicht aus der Rolle herausgeschnitten und erhöhen die Verwirrung, so daß man leicht nicht zusammengehörige linke und rechte Seiten kombiniert, mit der Folge, daß der Bräutigam auf der linken Seite eine ganz falsche Braut von der rechten Seite bekommt.
Da die Zweitschriften jeweils in einem Zug geschrieben wurden, ist die Schrift stets sehr gut. Wenn es die Original-Pfarrbücher nicht mehr gibt, lohnt es sich auf jeden Fall, die Zweitschriften anzuschauen. In Einzelfällen, etwa bei unehelichen Kindern, die später für ehelich erklärt wurde, können die Einträge in der Zweitschrift, die ja später angefertigt wurde, von der Erstschrift abweichen. Auch wenn die Erstschrift ein Geschmier enthält, weil die Betroffenen ihre Namen selbst nicht wußten, kann die Zweitschrift deutlich sein, weil der Pfarrer Zeit hatte, den Sachverhalt zu klären.
Wenig bekannt ist auch, daß es im Erzbischöflichen Archiv in München einen Bestand "Pfarrbuch-Zweitschriften" gibt. Das sind Bücher, meist Duplikate, die bereits vor der Zentralisierung der Pfarrbücher in das Archiv kamen. In Einzelfällen, zum Beispiel in Pfarrei Hebertshausen, gibt es darin Bände, die im "normalen" verfilmten Pfarrbuchbestand fehlen.
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(C) Josef Kiening, zum Anfang www.genealogie-kiening.de