Der Räuber Kneißl

Verfasser: Anton Mayr, Maisach.  Erstveröffentlichung 1982 im "Brucker Echo"

(Mit freundlicher Genehmigung des Verfassers)


80 Jahre sind es heuer her, daß der berühmte und berüchtigte Räuber und Gendarmenmörder Matthias Kneißl, nach einer seiner heimatlichen Wohnstellen auch  Schachenmüller-Hias" genannt, in Augsburg hingerichtet wurde. Kneißl hatte seine Reviere um die Jahrhundertwende hauptsächlich in den Bezirksämtern (späteren Landkreisen) Dachau, Aichach und Bruck (dem späteren Fürstenfeldbruck). Noch immer ist die Erinnerung an den "Räuber Kneißl" auch im Landkreis Fürstenfeldbruck lebendig. Wir wollen deshalb in einer Lebensgeschichte auf diese Person eingehen, seine tatsächlichen Begebenheiten erzählen und auch mit manchen Legenden aufräumen, die zwischenzeitlich um den Kneißl entstanden sind.

Angefangen hatte alles damit, daß der italienische Kaufmann Peter Pascolini aus Frasanetto in der damals k.k. österreichischen Lombardei (heute Norditalien um Mailand) am 26. Mai 1823 um 1200 Gulden die Krämerei des Lorenz Stich in Unterweikertshofen, Hausnummer 5 "Beim Kramer" erwarb. Pascolini war dabei seinem Landsmann Roca gefolgt, der sich bereits als Kaufmann in München niedergelassen hatte. Dieser Peter Pascolini hatte seinen Sohn Alois, geboren 1801, mit nach Unterweikertshofen gebracht. Dieser Alois übernahm nach einiger Zeit das Geschäft, verheiratete sich mit einer Tochter des Dorfes namens Klara und hatte zusammen mit dieser fünf Kinder: Johann, Maria, Viktoria, Josef und Therese.

Der Älteste, Johann Pascolini, geboren 10. April 1831, geriet bald in schlechte Gesellschaft und dadurch außer Rand und Band. Er entwickelte sich zu einem gefürchteten Räuber in der Gegend im Norden von Dachau bis nach Altomünster. Seine Raubzüge führten ihn, da damals ja alles zu Fuß gegangen werden mußte, oft viele Stunden weit weg von zuhause. Und einige Stunden weit weg von daheim ereilte ihn dann auch das Schicksal. Am Mittwoch, 6. Dezember 1871, versuchte er in aller Frühe mit einem Komplizen einen Einbruch in dem aus drei Bauernhöfen bestehenden Weiler Hohenried bei Altomünster. Die beiden Räuber wurden dabei jedoch von den Bauern und Knechten, die bereits das Dreschen begonnen hatten, gesehen und mußten flüchten. Sie liefen in südlicher Richtung auf einen Wald in der Nähe des Weilers zu, der im Volksmund "Kalvarienberg" heißt, weil in diesem Wald eine Kapelle mit heiligem Grab und Kreuzweg steht. Die beiden Flüchtenden wurden von den Bewohnern des überfallenen Weilers verfolgt. Diese Verfolger, die mit den Dreschflegeln und Gabeln bewaffnet waren, kamen immer näher. Kurz, bevor der Komplize des Pascolini den Wald erreicht hatte, schoß der Komplize im Laufen blindlings zurück. Er wollte die Verfolger treffen, traf aber nicht diese, sondern seinen Räuberkollegen Pascolini im Kopf. Dieser wurde schwer verletzt in das Krankenhaus Altomünster eingeliefert, wo er um 7 Uhr in der Früh starb. Am Tage darauf wurde er im Altomünsterer Friedhof beerdigt. Über Maria, Viktoria und Josef Pascolini ist nichts Nachteiliges zu berichten, dafür umso mehr über die Jüngste, über die Therese, geboren am 27. Februar 1847.

In den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts war ein Matthias Kneißl als Müllersbursche in Unterweikertshofen auf der Mühle beschäftigt. Kneißl, geboren am 4. Mai 1837 in Randelsried bei Altomünster, entstammte einem alten angesehenen Bauerngeschlecht. Sein elterliches Anwesen führte den Hausnamen "zum Mesner". Dieser Kneißl hatte einen guten Leumund. Er hatte sich also nie etwas zuschulden kommen lassen. Er war geschickt im Handwerklichen, besonders im Schreinern und Basteln. So arbeitete er während dieser Zeit auch ein halbes Jahr bei der Familie Königbauer in der Schachenmühle bei Sulzemoos und setzte dort das Sägewerk wieder in Gang. Während seiner Tätigkeit als Müllersbursche in Unterweikertshofen wird er wohl auch hin und wieder oder öfters in der Pascolinischen Krämerei eingekauft haben. Mit der Zeit wird er immer öfters dort aufgetaucht sein und nach der Pascolini-Resl Ausschau gehalten haben. Schließlich heirateten beide am 21. April 1868. Aus der Ehe zwischen Matthias und Therese Kneißl gingen fünf Kinder hervor: Matthias, geboren am 4. August 1875 in Unterweikertshofen, Katharina, geboren am 16. Juni 1876 in Unterweikertshöfen, Alois, geboren am 13. Juni 1877 in Unterweikertshofen, Cäcilie, geboren am 21. September 1879 in Unterweikertshofen, Therese, geboren am 8. Oktober 1891 in der Schachenmühle in Sulzemoos.

Die Einkünfte aus der Krämerei des Pascolini dürften nicht schlecht gewesen sein. 1858 kaufte Pascolini das Grundstück von Unterweikertshofen, Hausnummer 19, Hausname "beim Gärtner", und errichtete auf diesem eine Schankwirtschaft. Diese Gastwirtschaft führten nun die Ehegatten Kneißl.

Matthias Kneißl war sicherlich bestrebt, die Wirtschaft ordentlich zu führen. Doch seine Ehefrau Theres wollte Leben um sich haben. Es mußte sich etwas rühren. Bald fand sich allerhand zwielichtiges Volk in der Wirtschaft ein. Unsaubere Geschäfte wurden betrieben. Diebe und Wilderer fanden gute Absatzmöglichkeiten ihrer gestohlenen oder gewilderten Beute. Und inmitten all dieses Treibens stand die Theres Kneißl, von ihrer Umgebung "Paschkolini-Resl" genannt, und führte das Regiment. Matthias Kneißl senior mochte diesem Treiben anfangs sicher nicht zusehen. Aber er konnte sich gegen seine resolute Ehefrau Theres nicht durchsetzen.

Wenn es auch lange gedauert haben mag, aber eines Tages erschien dann doch die Polizei, damals die "Gendarmerie" genannt, zum erstenmal und dann wahrscheinlich immer öfters, um nach dem Rechten, besser gesagt Unrechten, zu sehen. Die Kneißls fühlten sich auf alle Fälle eines Tages nicht mehr so wohl in ihrer Haut. Außerdem war Matthias Kneißl senior mit der Zeit selbst auf den Geschmack des Bieres gekommen und wurde bald ein guter Kunde seiner Wirtschaft. Das heißt, er trank also zuviel und immer mehr. Nicht zuletzt auch deshalb wurde im Jahre 1885 die Wirtschaft in Unterweikertshofen verkauft. Die Kneißls zogen als Privatierseheleute mit den Kindern nach Dachau.

Doch schien für sie das Privatisieren auch nicht die ergiebigste Beschäftigung gewesen zu sein., Außerdem war ja da noch eine größere Summe baren Geldes aus dem Verkauf der Gastwirtschaft in Unterweikertshofen. Und die ganze Gegend um Dachau kannten sie. So wird ihnen sicher auch bald zu Gehör gekommen sein, daß die Schachenmühle im Bereich der Gemeinde Sulzemoos zum Verkauf anstand, die gleiche Schachenmühle, in der der Kneißl senior schon einmal gearbeitet hatte.

Die Schachenmühle war im Jahre 1823 erbaut worden. Der Müller Quirin Pirringer und seine Ehefrau Maria hatten am 28. Februar 1823 von Matthias Rottenfußer, Hausname "beim Leitner", Sulzemoos, Hausnummer 2 1, eine Teilfläche von 3,3 3 Tagwerk aus einer Wiese am Steindlbach erworben und im gleichen Jahr auf diesem Grundstück ein Wohnhaus mit Mahlmühle, Schneidsäge, Stadel mit Stallung, Pflugschupfe, Wagen- und Strohremise und Backhaus errichten lassen. Die neue "Schachenmühle" führte die Hausnummer 57 in Sulzemoos.

Den Namen "Schachenmühle" erhielt diese neue Mühle aufgrund ihres Standortes. Die Wiesen und Wälder in diesem Bereich der Gemeinde Sulzemoos, links und rechts des Steindlbaches, trugen und tragen auch heute noch die Flurbezeichnung "Schachen". Dieser Flurname "Schachen" wird bereits im Jahre 1626 unter den Sulzemooser Jagdrevieren erwähnt. Als "Schachen" wird ein Waldstück oder auch eine Niederung bezeichnet. Im Falle des Standortes der "Schachenmühle" war beides vorhanden. Der Platz, auf dem die "Schachenmühle" errichtet wurde, befand sich in einer Niederung, in einem tiefer gelegenen Gelände also, und war am Rande eines Waldes.

Besonders will ich darauf hinweisen, daß die richtige Bezeichnung dieser neuen Mühle "Schachenmühle" ist. So wird sie auch in amtlichen Unterlagen bezeichnet. Die vielfach vorhandene Bezeichnung "Schachermühle" ist eine Verstümmelung des Namens und deshalb falsch.

Fünf Jahre waren Quirin und Maria Pirringer Herr auf der Schachenmühle. Sie hatten zwei Töchter, Maria und Elisabeth. Die Tochter Maria heiratete am 18. Mai 1827 den Müller Sebastian Thalhofer (Schreibweisen auch Dallhofer und Thallhofer). Beide übernahmen am 11. Juli 1828 die Mühle. Im Jahre 1842 ging die Mühle wieder auf einen Pirringer über, diesmal auf Rupert Pirringer, der sie zusammen mit seiner Frau Maria weiterführte. Die Ehe von Rupert und Maria Pirringer blieb kinderlos. Rupert Pirringer starb bald. Die Witwe Maria Pirringer heiratete im Jahre 1851 den Matthias Königbauer. Zu diesem Zeitpunkt umfaßte die Schachenmühle neben dem Hofgrundstück mit 3,33 Tagwerk noch Äcker, Wiesen und Wald mit 16,63 Tagwerk, so daß der Gesamtbesitz 19,96 Tagwerk umfaßte. Die Ehegatten Königbauer vergrößerten den Besitz. Als deren Tochter Maria am 25. September 1871 das Anwesen übernahm, betrug der Gesamtbesitz bereits 24,58 Tagwerk. Die Maria Königbauer heiratete im gleichen Jahr 1871, es war die Zeit nach dem deutschfranzösischen Krieg, den Johann Holzmüller aus Odelzhausen.

Die Ehegatten Johann und Maria Holzmüller betrieben das Anwesen 15 Jahre lang. 1886 verkauften sie ihren Gesamtbesitz. Die Hofstelle, bestehend aus Wohnhaus mit Mahlmühle und Schneidsäge, Stadel mit Stallung und Pflugschupfe, Wagen- und Strohremise, Backhaus, Hofraum, Hausgarten und Mühlweiher und Äcker, Wiesen und Waldteile, insgesamt 11 Tagwerk und 25 Dezimalen Grund (38.329 Quadratmeter), erwarb mit Vertrag des königlichen Notars Karl Pfaffenzeller zu Dachau vom 5. April 1886 Theres Kneißl. Der Kaufpreis betrug 9800 Mark.

Die Schachenmühle lag im Nordosten des Ortes Sulzemoos, Bezirksamt Dachau, etwa einen Kilometer vom Ortskern entfernt, ebenso einen Kilometer südwestlich des Weilers Altstetten, der an der Staatsstraße Dachau - Friedberg zwischen Oberroth und Wiedenzhausen liegt. Im wahrsten Sinne allein auf weiter Flur stand diese Schachenmühle. Sie war, wie bereits erwähnt, mit einer Mahlmühle und einem kleinen Sägewerk ausgestattet. Beides wurde über ein Mühlrad durch den vorbeifließenden Steindlbach betrieben.

Viel war dabei nicht zu verdienen. Der Steindlbach war und ist auch heute noch nur ein kleiner Feldgraben. Er war zwar zur Zeit des Bestehens der Schachenmühle dort aufgestaut worden, um Wasser zu speichern für das Mühlrad. Trotzdem konnte nicht verhindert werden, daß bei Trockenperioden nicht mehr genügend Wasser zur Verfügung stand und dadurch das Mühlrad und als Folge davon Mühle und Säge stillstanden. Auch der Ertrag aus dem landwirtschaftlichen Teil des Anwesens reichte zum Lebensunterhalt der Familie nicht aus.

Kneißl senior, in den ersten Jahren des Schachenmühlendaseins noch fleißig und strebsam, war aber von früher her als geschickter Schreiner und Bastler bekannt. Er beschäftigte sich deshalb neben dem kleinen Mühlen- und Sägewerksbetrieb mit der Anfertigung von Wagner- und Schreinerarbeiten. Mit dieser Tätigkeit verdiente er sich manche Mark, die für die Versorgung seiner damals sechsköpfigen Familie dringend benötigt wurde. Der Schachenmüller erfreute sich bei seinen Abnehmern neben allgemeiner Beliebtheit auch der größten Zufriedenheit. Ein Polizist, der damals in Odelzhausen stationiert war, berichtete über diese Zeit, etwa von 1886 bis 1888: "Wer Gelegenheit hatte, mit den Kneißlschen Eheleuten in persönlichen Verkehr zu treten oder sonst in Berührung zu kommen, hat nicht immer den schlechtesten Eindruck mit hinweggenommen. Besonders wurden alle jene gastfreundlich aufgenommen und bewirtet, die den Hausfrieden nicht störten und sonst keine unliebsamen Anforderungen zu stellen hatten. Selbst die Gendarmerie wurde unter derartigen Umständen nicht unfreundlich aufgenommen und war wohl gelitten. Hätte damals nicht der Einfluß seiner Ehefrau und deren Anhänger so mächtig auf Kneißl eingewirkt, man wäre wohl imstande zu zweifeln, ob heute der Name Kneißl mit so kräftigen Lettern in der Geschichte der Kriminalistik eingetragen wäre."

Der Aufenthalt auf der Schachenmühle hätte also eigentlich ein beschaulicher und zufriedener sein können für die Familie Kneißl. Ohne Nachbarn, nur umgeben von Äcker, Wiesen und Wäldern wohnte sie dort, wo sich sonst nur Füchse und Hasen "Gute Nacht" zu sagen pflegen. Aber gerade diese Lage war es, die die Kneißls mit der Zeit auf die schiefe Bahn brachte.

Weit ab vom Ortskern bedeutete gleichzeitig auch weitab von neugierigen Nachbarsblicken und vor allem weit ab von der Polizei. So trafen sich mit der Zeit immer mehr zweifelhafte Elemente in der Mühle. In der Stube ging es oft laut und lustig zu. Die Kneißl Resl war mit der Ziehharmonika gut vertraut und spielte manchen "Landler" und "Zwiefachen" auf. Diese waren nicht nur für ihre Kinder bestimmt, sondern auch für manche Person, die lieber des Nachts als am Tage in die Schachenmühle kam.

Einiges Diebs- und Wilderergesindel, das sich früher in der Gastwirtschaft in Unterweikertshofen einfand, traf sich nun häufig in der Schachenmühle wieder. Der Bekanntenkreis erweiterte sich. Bald wurde die Schachenmühle von Gesetzesübertretern beherrscht. Sie wurde zum Umschlagplatz und auch zum "Speiselokal" für gewildertes und gestohlenes Gut. Die ganze Sache wurde plötzlich dadurch noch schlimmer, als sich auch der Kneißl senior, aus gutem Hause stammend, im Grunde fleißig und ehrlich, bereits über 50 Jahre alt, von diesen Gestalten und deren Treiben anstecken ließ. Auch der Kneißl ging nun zum Stehlen. Durch die sich im Laufe der Zeit immer mehr häufenden strafbaren Handlungen des Kneißls, meist Diebstähle, kam die Schachenmühle auch immer mehr in einen schlechten Ruf.

Das ganze Diebesgesindel, das sich in der Schachenmühle einfand, hatte fast so etwas wie einen Hehlerring aufgebaut, in dem oft gestohlene Sachen von Hand zu Hand weitergereicht wurden. Selbst einige Landwirte der weiteren Umgebung standen dieser Verbindung nicht fern. Meist wurde das Gestohlene in einer künstlich angelegten und geheim gehaltenen Grube im Hof der Schachenmühle versteckt. Nicht selten aber wurde das Diebesgut in anderen Händen, also außerhalb der Schachenmühle, aufgehoben. Bei dem Diebesgut handelte es sich öfters um Schafe und Schweine. Mit der Zeit wurde auch die Polizei auf dieses Treiben in der Schachenmühle aufmerksam. Und wenn irgendwo in der Umgebung wieder ein Diebstahl verübt wurde, mußte die Polizei der Schachenmühle einen Besuch abstatten und eine Haus- und Hofdurchsuchung vornehmen. Selten fand die Polizei etwas, schon gar nicht die Dinge, die außerhalb der Mühle aufbewahrt wurden. War die Durchsuchung vorbei, wurde das Diebesgut wieder in die Mühle gebracht und unter dem Jubel über das Gelingen, die Polizei zu täuschen, gemeinsam verspeist.

Das Treiben in ihrem Elternhause konnte mit der Zeit auf die Kinder nicht ohne Wirkung bleiben. Die Leistungen in der Schule ließen zu wünschen übrig. 1889 erhielt Matthias Kneißl junior von der Schule Sulzemoos ins Zeugnis geschrieben: Anlagen: wenige, Fleiß: sehr faul, Betragen: grob und unanständig. Bei dem um zwei Jahre jüngeren Alois lauteten die Einträge ähnlich.

Ganz anders aber als ihre Kenntnisse in der Schule war ihr Können im Umgang mit Waffen. In der Stube in der Schachenmühle hingen eine Reihe von Doppelbüchsen und Stutzen. Diese standen jederzeit zur Verfügung. Angeleitet und ausgebildet zum Schießen wurden sie von niemand anderem als von ihrer eigenen Mutter. Die Kneißl Resl verstand etwas davon. Beide Kneißlbuben wurden gute Schützen. Matthias Kneißl junior hat sich später auch stets seiner guten Leistungen und Fähigkeiten als Schütze gerühmt. Wo konnte man das Erlernte besser in der Praxis anwenden als im nahen Wald beim Wildern? In den weiten Wäldern um die Schachenmühle herum fanden die beiden Buben auch ausreichende Möglichkeiten, dem Wildern nachzugehen. Und nicht nur einmal soll auch ihre Mutter mit von der Partie gewesen sein.

Unterstützt wurden die Kneißlsöhne von dem Händler Johann Schlumbrecht aus Stangheim, der hauptsächlich die Munition besorgte, und von dem Knecht Josef Schreck aus Hepberg bei Ingolstadt, der in den Diensten des Baron von Schaezler in Sulzemoos stand. Besonders der Schreck übte einen starken und gleichermaßen schlechten Einfluß auf Matthias Kneißl junior aus. Der junge Matthias Kneißl hatte dem Schreck auch seine erste Verurteilung zu verdanken. Schreck überredete den zu der Zeit 15 Jahre alten Kneißl, mit ihm im Jahre 1891 einen Faschingsball zu besuchen. Aufgrund seines Alters war dies für Kneißl damals streng verboten. Er tat es dennoch, wurde auch prompt angezeigt. Das Amtsgericht Dachau verurteilte ihn am 21. März 1891 dafür zu drei Tagen Haft. Dies war die erste Strafe für Matthias Kneißl junior. Zwölf weitere sollten noch folgen, wovon gerade die insgesamt Dreizehnte seine Verurteilung zum Tode bringen sollte.

Kneißl zog aus dieser seiner ersten Bestrafung keinerlei Lehren und wurde auch von zuhause nicht angehalten, einen ordentlichen Weg einzuschlagen. Sogar das Gegenteil war der Fall. Jetzt begann erst das Leben. Das Wildern wurde ausgedehnt. Die Strafe mußte folgen. Am 8. Juli 1891 wurde Kneißl vom Landgericht München wegen Wilderns zu drei Monaten Gefängnis verdonnert.

Es war damals und auch noch weit bis in unser Jahrhundert herein Üblich, daß die Kinder sieben Jahre in die Volksschule gehen mußten und anschließend drei Jahre in die sogenannte Volksfortbildungsschule. Diese war wöchentlich einmal, und zwar am Sonntag. Sie wurde deshalb auch "Feiertagsschule" genannt. In diese Feiertagsschule mußte nach seiner Entlassung aus der Volksschule auch der Kneißl Matthias gehen. Ging dieser aber schon nicht gerne in die Volksschule, so ging er überhaupt nicht gerne in die Feiertagsschule. Von seinem Vater wurde er in dieser Ablehnung gegen diese Feiertagsschule bestärkt. Kneißl senior sagte: "Ein solches Gesetz erkenne ich nicht an, wonach mein Bub noch mit 16 Jahren in die Feiertagsschule gehen soll." So blieb der "Bub" halt hin und wieder dieser Feiertagsschule fern. Auch dies stellte damals ein strafbares Vergehen dar. Die Folgen waren wieder Gerichtsverhandlungen und Aburteilungen.Insgesamt fünfmal wurde Kneißl wegen  Schulversäumnissen verurteilt: im Juli 1891, und im Januar, Februar, Mai und Juli 1892. Die Strafen lauteten: drei Tage, vier Tage, acht Tage, fünfzehn Tage und zwölf Tage Haft.

Die Polizei war dadurch mit der Zeit ebenfalls zum "Dauerbesucher" in der Schachenmühle geworden. Sie konnte dabei immer wieder feststellen, daß in der Schachenmühle lichtscheues Gesindel Aufnahme und Unterstützung fand, das einfach mit den Kneißls unter einer Decke stecken mußte. Unter einer Decke mit Kneißls und den Gestalten, die in der Schachenmühle verkehrten, steckte auch der kleine Spitz der Kneißls. Wieder einmal, es war im April 1892, das Treiben in der Schachenmühle ging seinem Höhepunkt und Ende entgegen, sollte die Polizei eine Durchsuchung in der Schachenmühle vornehmen. Den Gendarmen war bekannt geworden, daß sich eine gesuchte Person in der Schachenmühle aufhalten solle. Gendarmen aus Dachau, Schwabhausen, Indersdorf und Odelzhausen waren zusammengezogen worden. Im nahen Wald wollten sie sich gerade aufstellen, um einen Ring um das Anwesen zu ziehen, als der wachsarne Hund heftig zu bellen begann. Die gesuchte Person wurde dadurch auf die anwesenden Gendarmen aufmerksam, verließ in größter Eile, nur mit dem Hemd bekleidet, sein Versteck, und war mit wenigen Sprüngen im Wald verschwunden. Die Gendarmen hatten nur noch das Nachsehen.

Der nun zum "alten Kneißl" gewordene Matthias Kneißl senior hatte sich immer weiter auf die schiefe Bahn treiben lassen. Der Einfluß seiner Frau und deren Spießgesellen werden ihn so weit gebracht haben. Er schreckte mit der Zeit auch vor größeren Diebstählen nicht mehr zurück. Im Sommer 1892 wurde die Wallfahrtskirche "Herrgottsruh" in Friedberg ausgeraubt. Der Verdacht richtete sich gegen Kneißl senior. Dieser wurde schließlich von der Polizei verhaftet. Eine Hausdurchsuchung hatte aber keine Spur von den gestohlenen Gegenständen gebracht. Deshalb machte sich Frau Kneißl auf, sich beim Bezirksamt in Dachau wegen der Verhaftung ihres Mannes und der Hausdurchsuchung zu beschweren. Sie trug dabei einen großen Korb am Arm. Niemand dachte daran, in diesen Korb zu schauen. Darin befand sich aber ein Teil der in Friedberg gestohlenen Sachen. Die Frau Kneißl trug also die gestohlenen Silbergegenstände, die sie vorher kaltblütig und unverfroren mit in das Bezirksamt genommen hatte, auch wieder heraus. Kurz danach wurde sie aber beim Verkauf von Gegenständen, die aus dem Kirchenraub herrührten, in München beobachtet und festgenommen. Sie erhielt wegen Hehlerei drei Monate Gefängnis.

Der alte Kneißl war inzwischen wieder heimgekehrt. Nicht daß er entlassen worden wäre. Er war aus dem Untersuchungsgefängnis geflohen. Kneißl wurde wieder geholt. Wieder entkam er den Aufsichtspersonen im Gefängnis. Ab diesem Zeitpunkt aber war er verschwunden. Hin und wieder aber kam er nachts heim in die Schachenmühle. Auch wenn die Schachenmühle abseits lag vom Ort, bekam die Polizei mit der Zeit doch Hinweise von diesen nächtlichen Besuchen des Kneißl. Schließlich wurde für den 28. August eine erneute Durchsuchung der Schachenmühle angeordnet. Zum drittenmal also rüsteten sich die Gendarmen, diesmal sechs Mann stark, den alten Kneißl zu verhaften. Die Gendarmen beobachteten zuerst stundenlang das Anwesen. Ihnen war bekannt, daß sich Kneißl im Haus befand. Gerade, als sie gegen die Schachenmühle vorgehen wollten, war wieder einmal der wachsame Haushund, ein kleiner Spitz, rechtzeitig in Aktion und verriet durch sein Bellen das Kommen der Gendarmen. Kneißl verließ daraufhin das Wohnhaus, lief in die an das Wohnhaus angebaute Mühle, rannte von dort ins Freie und versuchte, in den nahen Wald zu entkommen. Plötzlich stand ein Gendarm vor ihm. Kneißl konnte diesen beiseite stoßen, und ohne lange zu zögern stürzte er sich in den in unmittelbarer Nähe gelegenen Weiher. Für die Polizisten war nun Rat teuer. Sie holten Stangen, schlugen damit auf den im Wasser liegenden Kneißl ein und versuchten, ihn herauszuziehen, was ihnen schließlich auch gelang. Kneißl wurde verhaftet, auf einen Wagen gesetzt und nach Dachau transportiert. Bereits unterwegs klagte Kneißl über Unwohlsein und wurde ohnmächtig. In Schwabhausen mußte deshalb eine kurze Pause eingelegt werden. Schließlich kam aber der Transport doch in Dachau an. Bei der Aufnahme im Amtsgerichtsgefängnis klagte Kneißl plötzlich über starke Magenschmerzen. Um sich etwas zu erholen, setzte er sich auf die Treppe vor dem Gefängnis. Als der Beamte nach Erledigung der Formalitäten wieder auf Kneißl zukam, prallte er entsetzt zurück. Kneißl war tot. Unbemerkt von den anderen war er auf den Stufen des Amtsgerichtsgefängnisses gestorben.
Da die Frau Kneißl im Gefängnis war, waren nun, im September 1892, in der Schachenmühle nur noch die fünf unmündigen Kinder da. Als fünftes und letztes der Kneißlkinder war am 8. Oktober 1891 noch die Therese in der Schachenmühle auf die Welt gekommen. Elf Monate war sie alt, als ihr Vater starb und ihre Mutter verhaftet wurde. Matthias, der älteste, war 17, die übrigen 16, 15 und 13 Jahre alt. Diese Kinder waren nun in der Schachenmühle allein zurückgelassen. Die 16jährige Katharina, die ruhigste von allen, hatte Mutterpflichten an ihren Geschwistern zu erfüllen. Die beiden Buben aber nutzten diese völlige Freiheit, die sich ihnen nun bot, auch völlig aus. Gewildert wurde, wann es nur ging. Und es ging fast immer. Mit der Zeit wurden dann auch Diebstähle ausgeübt und Räubereien unternommen. Die beiden Kneißlbuben und mit ihnen Schlumbrecht und Schreck wurden zum Schrecken von Sulzemoos und Umgebung.

Mit der Zeit wurde aber dem Baron von Schaezler als dem Eigentümer der Wälder und auch den übrigen Mitbewohnern von Sulzemoos das Treiben der Kneißlkinder und von Schlumbrecht und Schreck doch zu bunt. Auch die Polizei hatte längst nicht nur ein Auge auf das Treiben der Bewohner der Schachenmühle geworfen. Und so entschloß sich die Polizei, einzuschreiten und die Kneißlbuben und ihre beiden sauberen Freunde zu verhaften.

Am Allerseelentag 1892 gegen 9 Uhr marschieren zwei Gendarmen zur Schachenmühle. Es sind der Stationskommandant Balthasar Gößwein und Gendarm Georg Förtsch von der Gendarmeriestation Odelzhausen, zu deren Bereich die Gemeinde Sulzemoos mit der Schachenmühle gehört. Dichter Nebel ermöglicht es den Gendarmen, unbemerkt fast bis an das Anwesen heranzukommen. Kurz vorher kam jedoch die Kneißhochter Katharina von der Kirche heim. Sie hatte bemerkt, daß ihr die Gendarmen folgten. Sie ahnt wohl, was kommen soll und warnt ihre beiden Brüder. Zur gleichen Stunde sind auch Schlumbrecht und Schreck in der Schachenmühle. Sofort beginnt Schreck auf die beiden Kneißlsöhne einzureden und sie gegen die Gendarmen zu hetzen. Da nimmt auch schon der Alois ein Gewehr an sich, ebenso eine Anzahl Patronen, und rennt über den Hausgang und über die Stiege in den oberen Stock des Anwesens. Matthias Kneißl und Schreck folgen ihm, ebenfalls bewaffnet. Lediglich Schlumbrecht, der die Katharina gerne sieht, bleibt bei den Mädchen in der Stube.

Der Spitz vor der Haustüre meldet die Ankunft der Gendarmen. Die Katharina versucht derweil immer noch, die Drei von ihrem dummen Vorhaben abzuhalten. Aber sie stößt nur auf taube Ohren. Schon öffnet sich die Haustüre. Die beiden Gendarmen treten in den Hausgang. Auf alles mögliche gefaßt, erkennen sie deshalb sofort den gefährlichen Stand der Dinge. Im forschen Schritt will der junge Gendarm Förtsch, der erst seit kurzem in Odelzhausen Dienst tut, in das obere Stockwerk. Er geht auf die Treppe zu und steigt ein paar Stufen empor. Dann bleibt ihm schier das Herz stehen. Zwei Doppelbüchsen sind auf ihn gerichtet. Dabei allein bleibt es aber nicht. Beide Doppelbüchsen werden abgedrückt. Dem jungen Gendarmen war vorher gerade noch Zeit geblieben, sich etwas aus dem direkten Schußbereich wegzudrehen. So erhält er lediglich am Kopf und an einer Hand leichte Streifschüsse. Förtsch war mit geladenem und entsichertem Gewehr die Treppe emporgestiegen und hatte auch noch abgedrückt. Sein Schuß gehtjedoch an den Dreien im oberen Stock vorbei.

Kommandant Gößwein zieht den leicht blutenden Kollegen aus dem Schußbereich. Nun rechnet er mit der Vernunft des Matthias. Dieser war nicht so hitzköpfig wie sein zwei Jahre jüngerer Bruder Alois. Er redet dem Matthias gut zu und hätte ihn sicher auch zur Vernunft gebracht. Aber der Alois war nicht zu bändigen. Gößwein geht nun seinerseits auf die Treppe zu und steigt hinauf. Er kommt etwas weiter als sein Kollege. Da dreht der Alois durch. Zielen und abdrücken ist eins. Schwer am Unterleib getroffen, bricht der Kommandant zusammen. Den dreien im oberen Stockwerk überfüllt nun die Angst. Sie merken, daß sie etwas Schlimmes angerichtet haben und ergreifen die Flucht. Kopflos rennen sie dahin, über Wenigmünchen und Eurastetten bis nach Aufkirchen.

Gendarm Förtsch hat seinen Kommandanten nach dessen Verletzung mit Hilfe der Katharina und des Schlumbrecht in die Stube getragen. Notdürftig versorgen sie die schwere Wunde. Dann betten sie ihn auf einen Wagen und fahren ihn, Katharina lenkt wieder das Fuhrwerk wie zwei Monate früher bei ihrem Vater, nach Odelzhausen, heim in seine Wohnung. Es gelingt dem Arzt, Gößwein vorläufig am Leben zu erhalten. Der Gendarm ist aber für immer dienstunfähig und stirbt nach langem Leiden am 16. Oktober 1907 in Miesbach.

Die drei Mordbuben waren noch in der Nacht wieder nach Sulzemoos zurückgekehrt. Matthias schlich zur Schachenmühle. Alois und Schreck übernachteten in einem Ziegelstadel. Sie wurden am nächsten Tag von Arbeitern erkannt. Schreck konnte gerade noch entkommen. Alois aber wurde festgehalten und von den herbeigeholten Gendarmen festgenommen und in das Amtsgerichtsgefängnis nach Dachau eingeliefert.

Vier Tage später, in der Abenddämmerung des 7. November, marschierte der Matthias von Welshofen zur Schachenmühle. Er wurde von einer Polizeistreife gestellt und festgenommen. Der "Hiasl", wie er gerufen wurde, hatte einen Rucksack umgehängt. Sofort schauten die Polizisten in den Rucksack, in voller Erwartung, daß sie da bestimmt Diebesgut zu sehen bekämen. Aber was war im Rucksack: die Ziehharmonika des Hiasl. Diese beherrschte er meisterlich.

Am 18. November wurde auch Schreck erwischt und verhaftet. Schlumbrecht als Vierter im Bunde, der zwar an dem Anschlag auf die Gendarmen in der Schachenmühle nicht beteiligt gewesen war, dafür an vielen Vergehen vorher, wurde Ende November ebenfalls verhaftet und in das Amtsgerichtsgefängnis nach Dachau gebracht, wo seine drei Freunde auch schon saßen und auf den Prozeß warteten.

Die Schachenmühle, in der es noch vor wenigen Monaten so laut und lustig zugegangen war und sich viel Publikum, wenn auch zwielichtiges, eingefunden hatte, war nun innerhalb kurzer Zeit verwaist. Der alte Kneißl war tot, die Frau Kneißl im Gefängnis, die beiden Buben im Gefängnis. Übrig blieben noch die drei Mädchen Katharina, Cäcilie und Therese. Katharina als die älteste war 16 Jahre alt. Die drei Mädchen konnten nicht in der Mühle bleiben. Sie wurden zu Verwandten gebracht.

Über das Anwesen selbst aber hatte sich in jenen turbulenten Tagen des Novembers 1892 auch das Schicksal entschieden. Auf Antrag eines Dachauer Kreditinstituts war am 3. November 1892 die Zwangsversteigerung über die Schachenmühle vorgenommen worden. Um das Meistgebot von 6100 Mark wurde es von Elkan Gundelfinger, Kaufmann aus Augsburg, eingesteigert. Dieser verkaufte es am 21. November 1892 an Lorenz Mair um 7650 Mark. Am 1. Dezember 1892 wurde das Anwesen schließlich von der Gemeinde Sulzemoos um 7926 Mark erworben. Diese ließ die Gebäude im Frühjahr 1894 abreißen. Die Grundstücke wurden an Sulzemooser Bauern verkauft. Nur sechseinhalb Jahre lang waren also die Kneißls Besitzer, Herren auf der Schachenmühle. Diese kurze Zeitspanne hatte aber genügt, dieses Anwesen mit seinen Bewohnern auf Generationen hinaus in das Bewußtsein der Bevölkerung zwischen Amper und Paar einzuprägen und Gesprächsstoff für viele Erzählungen und Unterhaltungen zu liefern. Die Schachenmühle selber hatte 71 Jahre Bestand gehabt, von 1823 bis 1894, sicher viel zu wenig für das, was sich sein Erbauer Pirringer vorgestellt hatte. Auch die Nachfolger Thalhofer, nochmals Pirringer, Königbauer und Holzmüller hätten der Schachenmühle sicher ein längeres Leben vergönnt. Wer aber oft zu schnell in das Bewußtsein der Menschen tritt, muß auch oft genauso schnell wieder abtreten. Bei der Schachenmühle war dies der Fall.

Am 30. Mai 1893 fand vor dem Landgericht München 11 die Verhandlung gegen Matthias Kneißl, Alois Kneißl, Josef Schreck und Johann Schlumbrecht statt. Matthias Kneißl wird wegen Totschlag, versuchtem Totschlag, Widerstand gegen die Staatsgewalt, schwerem Diebstahl, eines Jagdvergehens sowie wegen Beleidigung zu insgesamt fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Alois Kneißl erhielt 15 Jahre Gefängnis, Josef Schreck 12 Jahre und Johann Schlumbrecht 2 Jahre. Am 12. Juni 1893 mußte Matthias Kneißl erneut vor das Gericht, diesmal vor das Landgericht Neuburg an der Donau. Wegen eines schweren Diebstahls erhält er ein Jahr Gefängnis. Mit Beschluß des königlichen Landgerichtes München 11 vom 21. Juli 1893 werden die beiden Strafen zusammengefaßt und auf eine Gesamtstrafe von fünf Jahren und neun Monaten festgesetzt. Alois Kneißl stirbt nach vier Jahren Haft am 3. Juli 1897 in der Gefangenenanstalt Laufen. Schreck und Schlumbrecht verbüßen ihre Strafen und wurden in unserer Gegend nicht mehr gesehen.

Kneißl mußte seine Strafe sofort am 30. Mai 1893 antreten. Er war unmittelbar nach dem Urteilsspruch verhaftet und in das Gefängnis eingeliefert worden. Seine Strafe büßte er in der Gefangenenanstalt Amberg ab. Kneißl war dort in der Goldleistenfabrikation tätig. Er konnte auch im Gefängnis nicht immer Ruhe geben. Viermal während seiner Strafzeit wurde er hauspolizeilich bestraft. Im März 1898 ersuchte Kneißl um vorläufige Entlassung. Er gab an, bei dem Installateur Wilhelm Karl in München, dessen Frau Sabine eine Tante zu Kneißl war, sofort Arbeit, lohnenden Verdienst, zu finden. Aus diesem Grunde fragte die Gefangenenanstalt am 17. September 1898 in München an, welche Bedenken gegen eine Entlassung Kneißls nach München bestünden. Von dort kam die Antwort, daß Kneißls Ausweisung aus München beabsichtigt sei und deshalb eine vorläufige Entlassung nach München "überhaupt nicht befürwortet werden kann". Kneißl mußte also seine Strafe bis auf den letzten Tag, dies war der 28. Februar 1899, absitzen. Nach der Verbüßung der Strafe stellte die Gefangenenanstalt auf die Frage: "Ob und welche Hoffnung für nachhaltige Besserung gegeben sei?" fest: "keine".
Auch Ende Februar 1899 war Kneißl noch nicht frei. Erst am 20. März 1899 kam er auf dem Schubwege in Dachau an. Vom dortigen königlichen Bezirksamt wurde er "unter Verwarnung vor Rückfall angewiesen, sich sofort und auf direktem Wege" in seine Heimat, dies war Unterweikertshofen, zu begeben, sich beim dortigen Bürgermeister vorzustellen und innerhalb von 14 Tagen ein seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechendes Unterkommen zu verschaffen. Der Bürgermeister von Unterweikertshofen, Riedmair, konnte am nächsten Tag dem Bezirksamt melden, daß sich Kneißl rechtzeitig gemeldet und einen Heimatschein ausgestellt haben wollte. Den Heimatschein benötigte er nach seinen Angaben für das Bezirksamt, um dort einen Paß beantragen zu können. Er wolle in das Ausland gehen und sich dort um Arbeit umschauen. Am Nachmittag des 21. März 1899 ist Kneißl wieder nach Dachau zurückmarschiert. Es darf hier festgehalten werden, daß damals, vor 80 Jahren, die "Heimat" und davon abgeleitet das "Heimatrecht" ein feststehender Rechtsbegriff war.

Es beinhaltete das Recht gegenüber der Heimatgemeinde zum Aufenthalt, darüber hinaus das Recht auf Grunderwerb, Führung eines Gewerbebetriebes, aber auch das Recht auf Unterstützung bei Bedürftigkeit. In jeder Gemeinde war deshalb ein sogenanntes "Gemeindehaus" als Wohnhaus vorhanden, in dem die unterstützungsbedürftigen Personen eingewiesen, einquartiert wurden. Dazu mußte die betreffende Gemeinde oft noch für den Lebensunterhalt dieser Personen sorgen. Weil es sich eben meistens um sozial schwächergestellte Personengruppen handelte, die in solchen Gemeindehäusern wohnten, wurden diese Häuser oft auch "Armenhäuser" genannt. Davon wird auch der Spruch abgeleitet, der bei uns oft zu hören ist, wenn jemand allzu leichtsinnig oder leichtfertig mit seinem Geld oder sonstigem Eigentum umgeht: "Wenn Du so weitermachst, dann kommst Du schon noch ins Armenhaus". Dies bedeutet nichts anderes, als daß derjenige, der so gerügt wird, noch einmal von der Gemeinde unterstützt werden müsse. Das Heimatrecht konnte durch Geburt, Verheiratung oder durch Verleihung (gegen Bezahlung) erworben werden. Kneißl hatte seine Heimat in Unterweikertshofen, weil er dort geboren war. Ein Heimatschein war ein Ausweis, mit dem die Staatsangehörigkeit nachgewiesen wurde. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch noch, daß es in Deutschland bis 1934 zuerst eine Staatsangehörigkeit des Landes gab und erst über diese Landesstaatsangehörigkeit entstand die Reichsstaatsangehörigkeit. In Bayern war man also zuerst Bayer und erst dadurch dann Deutscher. Allerdings hatte jeder Deutsche in jedem deutschen Land die gleichen Rechte und Pflichten wie die Angehörigen des jeweiligen Landes. Am 5. Februar 1934 wurde diese Landesstaatsangehörigkeit aufgehoben. Es gibt seitdem nur noch eine einheitliche deutsche Staatsangehörigkeit.

Wenn also jemand in einer bestimmten Gemeinde oder Stadt kein Heimatrecht hatte, konnte er am Betreten der Gemeinde gehindert oder von dieser Gemeinde ausgewiesen werden. Kneißl wollte nach seiner Entlassung zu seiner Mutter ziehen, die zwischenzeitlich in München wohnhaft geworden war. Die Stadt München aber wollte Kneißl nicht haben. Er wurde mit Beschluß vom 18. März 1899 auf zwei Jahre aus München ausgewiesen. Die Familie Pascolini-Kneißl hatte aber viele Bekannte im ganzen Land. Darunter war auch der Schreiner Matthias Christoph aus Nußdorf am Inn, Bezirksamt Rosenheim. Kneißl hatte von seinem Vater etwas Schreinern gelernt. So zog der Hiasl fürs erste einmal nach Nußdorf und arbeitete im Frühjahr und Sommer 1899 drei Monate lang in der Schreinerei. Bei einem pensionierten Straßenwärter bezog er Quartier.

Schreiner Christoph war mit dem Hiasl zufrieden. Auch sonst ließ sich Kneißl nichts zuschulden kommen. Er war ein ordentlicher Mitbewohner seiner neuen Umgebung. 14 Tage war sogar seine damalige Freundin Maria bei ihm in Nußdorf. Auch seine Schwester Katharina mit ihrem Freund, dem russischen Grafen und Kunstmaler Sotter von Jaxa Malachowski, besuchten den Hiasl. Es schien alles gut zu werden. Da erschien eines Tages der Gendarmeriestationskommandant bei Christoph und erklärte ihm, daß es angeblich die Bevölkerung nicht dulde, daß in Nußdorf ein ehemaliger "Zuchthäusler" arbeite. Christoph fand nichts Anstößiges dabei. Der Gendarm kam aber öfters und schließlich mußte Christoph den Kneißl wegen der Vorwürfe des Gendarmen doch entlassen. Dies war ein eigenartiges Verhalten des Polizisten. Statt den Mann in Ruhe zu lassen und ihm zu helfen, versuchte der Polizist, den Kneißl wieder aus der Bahn zu werfen. Kein Wunder, daß in Kneißl wieder Haß aufkam gegen die "Grünen". Kneißl mußte also gehen und fand anschließend, aber doch nur hin und wieder, in der Umgebung von München Arbeit. Seine unverschuldete Arbeitslosigkeit brachte ihm dann auch noch ganz persönlichen Ärger. Seine Freundin Maria löste das Verhältnis, weil Kneißl nach dem Aufenthalt in Nußdorf die meiste Zeit arbeitslos war. Kneißl war darüber sehr wütend und erklärte seiner "verflossenen" Maria, daß er ihr auflauern und sie erschießen werde. Es blieb aber doch Gott sei Dank nur bei dem Gerede. Kneißl ließ das Mädchen künftig in Ruhe. Kneißl hatte nun aber wieder Zeit, über Eigentum anderer Leute nachzudenken. Vor allem träumte er von einem Gewehr. Da bot sich ihm am 4. Juni 1900 eine "günstige Gelegenheit". Es war ein warmer Vorsommertag, Montag. Der Apotheker Franz Bürstinger aus München war Jagdpächter in Sauerlach. Er war zusammen mit dem Geweihhändler Wolfgang Plecher, ebenfalls aus München, an diesem Tag auf einem Pirschgang gewesen. Im Anschluß daran wollten sie sich im Gasthaus "Zum Neuwirt" in Sauerlach noch etwas erholen und einen Dämmerschoppen einnehmen. Die beiden Herren stellten ihre Gewehre, Bürstinger einen Drilling und Plecher eine Bockbüchse, ins Nebenzimmer des Gasthauses. Da es schon etwas dunkelte, machten sie Licht im Nebenzimmer und ließen es brennen, als sie das Zimmer wieder verließen. Versperrt war das Zimmer nicht. Die Gewehre lagen also sozusagen direkt "im Schaufenster". Die beiden Jäger hatten sich inzwischen in den Garten des Gasthauses gesetzt. Zufällig kam Kneißl des Wegs und mußte natürlich einen Blick in das Fenster werfen. Da durchzuckte es ihn. Standen da nicht ein Drilling und eine Bockbüchse, unbewacht, unversperrt? Kneißl schlich sich über den Hintereingang in das Haus, ins Nebenzimmer, und schon gehörten die beiden Gewehre ihm.

Kneißl hatte nun "seinen Drilling", von dem künftig öfters die Rede ist, mit dem er soviel Unheil anrichten und der ihn im negativen Sinne berühmt machen wird, genau so wie der Drilling durch Kneißl zu Berühmtheit gelangt. Kneißl war jetzt ständig arbeitslos. Er hatte Zeit, Streifzüge durch das Land zu unternehmen, von Süden nach Norden, von Westen nach Osten zu marschieren. An einem schönen Augusttag war er in Kleinberghofen in der Wirtschaft. Wie es das Schicksal oft so will, waren die beiden Altomünsterer Gendarmen, Stationskommandant Benedikt Brandmaier und Gendarm Wolfgang Scheidler, die mit Kneißl gut drei Monate später noch einmal so verhängnisvoll zusammentreffen sollten, ebenfalls dort. Diese kannten und erkannten den Kneißl nicht. Der Kneißl nahm irgendwann seinen Revolver hervor und sagte mit Blick auf die Gendarmen: "Auf einen mehr von ihnen kommt es mir nicht an." Die Gendarmen hör ten dieses Gerede offensichtlich nicht. Sie haben sich auf alle Fälle nicht gestört gefühlt. Wenn die Gendarmen gewußt hätten, daß es ein erneutes Aufeinandertreffen von ihnen mit dem Kneißl geben würde, hätten sie bestimmt entsprechend reagiert. Draußen in den Kleinberghofener Wiesen entlang des Zeitlbaches wurden zu dieser Zeit Vermessungen vorgenommen für eine zu bauende Bahnlinie von Dachau nach Altomünster. Auch an diesem Tag, als der Kneißl in der Wirtschaft in Kleinberghofen saß, waren der Ingenieur Heinrich Petrus von der Firma Sager und Wörner aus München, der Meßgehilfe Gottfried Schneider aus München und der Hilfsarbeiter Diepold aus Ampermoching fleißig bei der Sache. Als es vom Kleinberghofener Kirchturm 12 Uhr schlug, gingen sie in die nahe Wirtschaft in Kleinberghofen zum Mittagessen. Gerade, als sie in die Wirtschaft eintreten, verlassen die beiden Gendarmen, die Gewehre umgehängt, das Haus. Die beiden Arbeiter nehmen an einem Tisch in der Wirtsstube Platz, während der Ingenieur in das Nebenzimmer ging und vom folgenden Vorfall nichts mitbekam. Kneißl, der an einem anderen Tisch saß, stand plötzlich auf, ging auf den Tisch zu, an dem die beiden Arbeiter saßen und sagte mit Bezug auf die beiden eben weggegangenen Gendarmen: "Denen hab ich gmuckt". Er wollte wahrscheinlich sagen, er habe die Gendarmen aufgezogen oder verhöhnt. Kneißl fuhr fort: "Das nächstemal ziele ich besser. Wenns mir noch einmal so ging wie in der Schachenmühle, dann schieße ich alles zusammen." Er erzählte dann den beiden Arbeitern die Geschichte von seinem Bruder und der Schachenmühle. Kneißl berichtete auch, daß er einen guten Drilling habe. Zu Geld komme er dadurch, daß seine Schwester Katharina einen Grafen als Freund habe. Dieser Graf habe ihm zugesichert, daß er für ihn sorgen werde, wenn er ein ordentlicher Bursche werde. Auch den Anzug, den er anhabe, darunter befand sich ein blauer Überzieher, habe ihm der Graf gekauft. Er, Kneißl, wolle jetzt zum Militär gehen, vielleicht zur Schutztruppe nach Afrika (Das deutsche Reich hatte damals mehrere Kolonien in Afrika, in denen es auch Militärverbände gab). Bald darauf entfernte sich Kneißl aus der Wirtschaft. Jetzt erst konnte die Wirtin die beiden Vermessungsarbeiter über den Kneißl aufklären, auch, daß er erst aus dem Gefängnis entlassen worden sei. Sie sei froh, daß der Kneißl wieder fort sei, sagte die Wirtin. Mit dem müsse man versuchen, ihn im Guten weiterzubringen. Kneißl schlug, nachdem er die Wirtschaft verlassen hatte, den Fußweg nach Altomünster ein und folgte mit einigem Abstand den Gendarmen. Nach einer Weile kehrte er aber doch um und ging Richtung Süden zum Petersberg hin.

Erhard Holzleitner, 23 Jahre, Tapezierer von Niederschneiding, Bezirksamt Straubing, ist ein Vetter der Kneißlkinder. Ihre Mütter waren Schwestern. Dieser Holzleitner war zusammen mit Alois Kneißl in der Gefangenenanstalt Niederschönenfeld bei Rain am Lech in Haft. Nach seiner Entlassung suchte er öfters den Matthias Kneißl auf. Holzleitner wollte diesen veranlassen, mit ihm Räubereien auszuführen. Doch Kneißl lehnte anfangs strickt ab und meinte, daß man da ja auf einen Schlag 15 Jahre Zuchthaus bekommen könne. Holzleitner bohrte aber solange in den Kneißl hinein, bis dieser schließlich doch mittat. Als erstes fuhren sie mit dem Zug nach Freising, wo sie in der Nähe einen Pfarrhof ausrauben wollten. Kneißl traute sich aber nicht, so daß dieser Plan scheiterte. Am Dienstag, 25. Oktober 1900, mittags war es aber doch soweit. Kneißl verübte zusammen mit Holzleitner einen Einbruch beim Bauern Lorenz Scheurer in der Einöde Oberbirnbach, Gemeinde Wahlsdorf bei Langquaid, Bezirksamt Rottenburg, Niederbayern. Zuhause war die. Bäuerin Ottilie Scheurer. Die beiden gaben sich als Hopfenhändler aus, plötzlich sagten sie aber "Geld her oder... " Holzleitner trug bei dieser Gelegenheit einen Revolver und ein Messer in den Händen. Die Frau bat um ihr Leben. Sie mußte in den oberen Stock gehen, wo Kneißl aus einer Kommode 20 Mark in bar, fünf Hundertmarkscheine und einen Pfandbrief zu 2000 Mark und einen zu 500 Mark und verschiedene Schmuckgegenstände an sich nahm. Als Holzleitner auch noch die Sachen des Hüterbuben mitnehmen wollte, sagte Kneißl: "Laß doch dem Hüterbuben seine Sachen." Daraufhin befahl Holzleitner der Bäuerin, in den Keller zu gehen, worauf er die Falltüre schloß und die Bäuerin einsperrte. Beim Weggehen aus der Ortschaft trafen die beiden die Tochter der Überfallenen und riefen ihr zu "Arbeitet nur recht fleißig."

Nach diesem Raub fuhren die beiden nach Unterschweinbach. Am 27. Oktober besuchte Kneißl seine Freundin in Poigern. Am nächsten Tag kamen die Räuber nach Oberschweinbach und versuchten, die Pfandbriefe zu verkaufen. Der Gütler Peter Göttler in Günzlhofen hatte bereits am Tage zuvor von dem Raub in Oberbirnbach in der Zeitung gelesen, als die beiden abends bei ihm auftauchten und den Pfandbrief über 500 Mark verkaufen wollten. Er verweigerte dies, las nochmals die Zeitung und ritt dann, als er vom Wirt die Bestätigung erhalten hatte, daß die Beschreibung auf die beiden paßte, nach Oberschweinbach, wo Kneißl und Holzleitner inzwischen in der Wirtschaft Sedlmaier saßen und dort bereits versucht hatten, der Wirtin den Pfandbrief zu verkaufen. Als diese abgelehnt hatte, gingen die beiden anschließend von Haus zu Haus, um den Pfandbrief zu verkaufen. Dann kamen sie wieder in die Wirtschaft zurück. Inzwischen hatten die Gäste dort, denen die Sache verdächtig vorkam, in der Zeitung nachgesehen. Auch kam der Göttler in Oberschweinbach an, ritt in den Hausgang und rief in die Gaststube: "Das sind die zwei, die in Niederbayern den Raub ausübten." Daraufhin sprang Kneißl auf die Bank und zielte mit dem Revolver auf Göttler. Dieser flüchtete in die Küche. Gütler Johann Rupp aus Günzlhofen wollte daraufhin den Holzleitner festnehmen. Dieser packte ihn jedoch und stieß ihm den Revolver an die Brust. Rupp ließ von dem Räuber ab. Kneißl und Holzleitner ergriffen sofort die Flucht. Als Kneißl gerade durch die Türe wollte, kam der Dienstknecht Johann Neumaier zur Türe herein. Dieser wollte Kneißl den Ausgang verwehren- Kneißl setzte ihm aber den Revolver auf die Brust, worauf ihn Neumaier laufen ließ. Neumaier wurde von seinem Dienstherrn beauftragt, nach Nannhofen zu reiten und die Gendarmen zu verständigen. Neumaier machte sich auf den Weg, bekam es unterwegs aber mit der Angst zu tun und kehrte bald wieder um. Als Kneißl und Holzleitner flüchteten, wurden sie von mehreren Personen verfolgt. Die beiden gaben zwei Schüsse auf die Verfolger ab. Ein Schuß davon ging dem Johann Rupp knapp an den Ohren vorbei. Der Weg der beiden Räuber führte nach München. Kneißl hatte dort Verwandte. Holzleitner wollte einen Unterschlupf finden. Den fand er auch, aber anders, als er sich das vorgestellt hatte. Aufgrund seiner Beschreibung wurde er bereits am nächsten Tag, 29. Oktober, in München verhaftet und in sein neues Quartier, ins Gefängnis eingeliefert. Vom Schwurgericht Straubing wurde er schließlich zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Kneißl, der die ganze Beute von Oberbirnbach bei sich hatte, war weiter in Freiheit. Der Untersuchungsrichter am königlichen Landgericht in Landshut, Wolf, erließ am 11. November 1900 wegen des Raubes in Oberbirnbach Haftbefehl gegen Kneißl: "Ersuche um dessen Festnahme und um Hierherlieferung", so, als ob das die leichteste Sache der Welt wäre. Die Beschreibung (Signalement hieß dies damals) für Kneißl lautete: 25 Jahre alt, klein (1,60 bis 1,64 Meter groß), untersetzt, blond, in der Mitte gescheitelte Haare, dunkelblondes Schnurrbärtchen, blaue Augen, blonde Augenbrauen, ovales Gesicht, am linken Unterarm eine Tätowierung (einen Armbrustschützen und die Jahreszahl 1892 darstellend) und am linken Oberschenkel zwei Schußnarben. Auch soll er am Halse eine Warze haben. Kleidung: Schwarzer Hut, blauschwarzer Überzieher, blaugestreiftes Hemd mit weißem Stehkragen, schwarze Krawatte, schwarze Strümpfe und gelbe Schuhe. Kneißl trägt ein in der Regel geladenes Drillingsgewehr bei sich. Außerdem war eine Belohnung von 400 Mark für die Ergreifung von Kneißl ausgesetzt worden.

Gegen Kneißl war also ein Haftbefehl erlassen worden. Aber so einfach wollte sich der Hiasl nicht fangen lassen. Er war körperlich in einer guten Verfassung, zäh und ausdauernd, verschlagen und listig. Diese Eigenschaften waren es auch, die es ihm später ermöglichten, immer wieder der Polizei zu entwischen, die ihn erst durch einen Verrat verhaften konnten. Vorerst aber begann für Kneißl ein viermonatiges ständiges Herumziehen, von einer Übernachtungsstelle, von einem Heu- oder Strohstadel zum anderen, von einer Ortschaft in die nächste. Anfangs mag ihm dieses Versteckspielen vielleicht noch Spaß gemacht haben, ein Spiel im wahrsten Sinne des Wortes "Räuber und Gendarm", das wir als Kinder auch immer spielten, "Reiba und Schandi", Gott sei Dank immer ohne ernsten Hintergrund. Für den Kneißl aber war es stets "blutiger Ernst". Mit der Zeit aber wurde er der Gehetzte, der in durchnäßten Kleidern flüchten mußte, oft tagelang nichts zu essen hatte, weil er sich aus seinen Verstecken nicht hervortraute. Immer aber blieb er in einem eng umgrenzten Gebiet, in dem er sich auskannte, in dem er zuhause war, und das man später das "Kneißl-Gebiet" nennen wird. Es umfaßte die Bezirksämter Dachau, Aichach, Schrobenhausen, Friedberg und Bruck. Zwischenzeitlich machte er auch "Ausflüge" nach München. Meist aber war er auf dem Lande, wo er jede Wirtschaft und fast jeden Stadel kannte.

Zum erstenmal nach seinem Auftreten in Oberschweinbach wurde er am Sonntag, 25. November 1900, Kathreinstag, um 10 Uhr vormittags im Stadel der Wirtschaft Helfer in Großberghofen von der Wirtin Therese Helfer selbst angetroffen. Kneißl saß seelenruhig auf einem Bund Stroh und aß ein Stück Brot. Als Kneißl die Wirtin sah, stand er ruhig auf und ging von dannen, Richtung Erdweg, Kleinberghofen.

Zwei Tage später, am Dienstag, 27. November, war er in der Ortschaft Paar bei Kühbach. Er schoß dort während des hellichten Tages am Fluß Paar mit seinem Gewehr auf Wildenten. Gegen Abend zu ging er, mit seinem Drilling bewaffnet, in das Gasthaus nach Haslangkreit. Kneißl gab sich dort als Jäger aus. Dies tat er öfters. Gegen 20 Uhr verließ Kneißl das Gasthaus wieder und marschierte erneut in die Ortschaft Paar. Dort stahl er eine halbe Stunde später in der Mühle zwei Hühner. Der Hund des Nachbarn bellte ihn dabei an. Kneißl schoß den Hund kurzerhand nieder. Aufgeschreckt durch die Schüsse trat Bürgermeister Xaver Plöckl zusammen mit seinem Hund auf die Straße. Kneißl schoß auf beide, ohne aber zu treffen. Inzwischen war ein weiterer Hund unruhig geworden und fing zu bellen an. Auch den schoß Kneißl nieder. Die Schießwut des Kneißl an diesem Abend war aber dadurch noch nicht gestillt. In dem Anwesen, vor dem Kneißl gerade stand, brannte im Keller ein Licht. Außerdem stand das Kellerfenster offen. Kneißl schoß in den Keller, glücklicherweise ohne jemanden zu treffen.

Die Schüsse hallten durch das ganze Dorf. Im Gasthaus saßen mehrere Einwohner von Paar. Diese hörten plötzlich die Schüsse von der Straße her. Alle rannten daraufhin sofort ins Freie. Dort trafen sie auf den Bürgermeister. Währenddessen fielen weitere Schüsse. Die Umstehenden sprachen eingehend von der Sache. Sie waren allgemein der Überzeugung, daß die Schüsse nur von Kneißl stammen konnten, weil dieser schon nachmittags in der Nähe gesehen wurde. Dieser Überzeugung war besonders der Bürgermeister. Er forderte unmißverständlich zur Verfolgung des Kneißl auf: "Das ist der Kneißl. Den treiben wir aus dem Dorf hinaus." Mehrere Dorfbewohner rannten daraufhin dem Kneißl nach.Sie kamen ihm auch ganz nahe. Kneißl rief öfters, daß man ihn in Ruhe lassen solle. Trotzdem gab es einige Unerschrockene oder Übermütige, die Kneißl immer näher kamen, darunter war auch der Landwirtssohn Johann Seitz, 24 Jahre alt. Als dieser dem Kneißl auf drei Meter nahe war und die Situation für Kneißl kritisch wurde, rief Kneißl: Jetzt geh her!", drehte sich plötzlich um und gab einen Schrotschuß ab, der Seitz in das linke Knie und in den Oberschenkel traf. Daraufhin ließ Kneißl seine gestohlenen Hühner fallen und lief davon in Richtung Kühbach. Für den verletzten Seitz hatte vorübergehend Lebensgefahr bestanden. Diese Krise konnte er überwinden. Zeit seines Lebens aber war Seitz schwer behindert durch diese Verletzung. Die Gendarmerie war schnell zur Stelle, war auch schnell mit Verhaftungen. Aber die zwei Italiener, die die Gendarmen noch in der Nacht verhafteten, waren gänzlich unschuldig und wurden am folgenden Tag wieder entlassen.

Kneißl, im Dunkel der Nacht entkommen, machte sich auf in Richtung Süden. Er war nun unterwegs zu dem Ort, an dem er sein größtes Verbrechen verüben sollte, nach Irchenbrunn. Sein Weg läßt sich von Paar aus genau verfolgen. In der Nacht nach seinem Auftreten in Paar wird er noch ein paar Stunden gewandert sein, ehe er sich in einem Stadel zur Nachtruhe niederließ. Am folgenden Tag hatte er sein Versteck nicht verlassen. In der anschließenden Dämmerung marschierte er weiter nach Süden. Am frühen Morgen des 29. November langte er in Randelsried an. Dieser Ort, bei Altomünster gelegen, war der Geburts- und Heimatort seines Vaters gewesen. Kneißl versuchte dort vergeblich, die gestohlenen Pfandbriefe zu verkaufen. Anschließend ging er zur Gastwirtschaft Seidl nach Asbach. Bereits um 7 Uhr in der Früh begehrte er dort Einlaß, legte seinen geladenen Drilling auf den Tisch, aß eine Sülze mit Brot und trank zwei Glas Bier dazu. Nach diesem Frühstück zahlte er ordnungsgemäß und machte sich wieder auf den Weg. Im Laufe des Vormittags kehrte er in der Wirtschaft in Reichertshausen ein.

Dorthin kam etwas später als Kneißl auch ein fliegender Händler, ein Hausierer, der "Neuburger Kramer". Dieser zog mit Pferd und Wagen von Ort zu Ort, um seine Waren anzubieten und zu verkaufen. Der Neuburger Kramer war ein leutseliger Mensch, ratschte gerne ein wenig, kam mit den Leuten gut zurecht, die von ihm immer allerhand Neuigkeiten erfuhren. Auch jenesmal erfuhren die Reichertshausener Neuigkeiten, doch glaubten diese nicht ganz daran. Der Hausierer setzte sich in die Wirtsstube, zum Tisch mit dem Kneißl und einigen Einheimischen. "Ich möcht' wetten", dachte sich der Händler innerlich, "daß dös der Kneißl is." Gesehen hatte er diesen zwar noch nie. Auch ein Bild hatte er noch nie zu Gesicht bekommen. Aber: "Aufgrund des Signalements könnt' er es sein." Als er mit seinen Tischnachbarn einmal allein war, erzählte er ihnen seinen Verdacht. Diese aber trauten der Sache nicht ganz. Die 400 Mark wären schon recht, die zu verdienen wären. Aber ist es der Kneißl wirklich? Sie zeigten sich unschlüssig, unternahmen keine Hilfsdienste für die Polizei. Hätten sie es doch getan, kann man heute nachträglich wünschen.

Die 400 Mark hätten ihnen gehört. Viel wichtiger aber wäre gewesen, daß zwei Polizisten, die in den nächsten Tagen sterben mußten, am Leben geblieben wären. Kneißl wanderte weiter, Richtung Pipinsried. Auch in die dortige Wirtschaft Lampl schaute er hinein, ließ sich eine halbe Bier bringen und fragte die Wirtin, ob der Postomnibus von Altomünster schon durchgefahren sei. Dieser Omnibus stellte damals die Verbindung zum Bahnhof in Röhrmoos her. Ja, sagte die Wirtin, der sei schon durch. Aber er könne mit ihrem Knecht mitfahren. Dieser hole ihren Mann in Röhrmoos vom Zug ab. Kneißl, der sich wieder als Jäger ausgegeben hatte, nahm dankend an und fuhr zwei Stunden später mit dem Wirtsknecht von Pipinsried Richtung Röhrmoos. Gerade, als sie in Indersdorf durch den Schneiderturm fahren wollten, kam ihnen der Wirt von Pipinsried schon entgegen. Er war einen Zug früher von München weggefahren und zu Fuß von Röhrmoos herübergegangen. Der Knecht konnte also bereits hier wieder umkehren. Für Kneißl war die Fahrt in Indersdorf zu Ende. Diesem machte das nichts aus. Er bedankte sich, stieg vom Fuhrwerk ab und zog wieder zu Fuß des Weges. Wieder muß hier eine Frage gestellt werden: Warum ist der Wirt von Pipinsried einen Zug früher von München gekommen? Wäre er so, wie ursprünglich geplant, in Röhrmoos angekommen, wäre der Knecht bis nach Röhrmoos gefahren, Kneißl mit ihm. Dieser wäre vielleicht nicht am folgenden Andreastag nach Irchenbrunn gekommen. So aber war Kneißl weiter unterwegs nach Irchenbrunn, wo er zwei Menschen das Lebenslicht ausblasen sollte. Noch wußte er aber von nichts. Vorerst verbrachte Kneißl die bereits angebrochene Nacht vom 29. auf den 30. November 1900 im Glonntal zwischen Indersdorf und Erdweg.

Der folgende Tag, der Andreastag, war kein schöner Tag. Es war ein Tag im Übergang vom Herbst in den Winter, wolkenverhangen, windig. Kneißl blieb tagsüber in seiner Schlafstelle. Erst gegen Abend bekam er Hunger, suchte eine Mahlzeit. In der Nähe von Erdweg ist gleich Unterweikertshofen. Dort aber war er daheim, dort kannte man ihn. Also konnte er es sich nicht einfach machen, in Unterweikertshofen ins Wirtshaus zu gehen und sich etwas zum Essen zu bestellen. Nein, er mußte zu zuverlässigen Bekannten gehen, die ihn kannten und nicht verrieten, die ihn unterstützten und verpflegten. Nach Einbruch der Dunkelheit machte sich Kneißl mit seinem Drilling auf den Weg, auf den verhängnisvollen Weg, der schließlich drei Menschen, und zwar zwei Polizisten und dann ihm selber, den Tod brachte.

Kneißl ging schon nach Unterweikertshofen, aber nicht in die Wirtschaft, sondern klopfte gegen sieben Uhr abends an das Wohnhaus des Gütlers Johann Maier und bat um Einlaß. Es war nur die Frau zuhause. Diese fragte der Kneißl nach ihrem Mann. Der war nach Schwabhausen gegangen und wollte erst spät wieder zurückkommen. Solange wollte der Kneißl nicht warten. Deshalb ging er wieder. So marschierte der Hiasl wieder weiter, genau dorthin, wo er sein größtes Verbrechen verüben sollte, nach Irchenbrunn. Etwa gegen acht Uhr abends kommt er dort an. Er geht sofort auf das am östlichen Dorfeingang stehende Haus zu. "Beim Flecklbauern" heißt das Anwesen. Es wird bewohnt von Michael Rieger und seiner Frau Maria und deren Kindern.

Kneißl klopft. Die Bäuerin öffnet. Sie wollte gerade ins Bett gehen. Sie sieht den Kneißl und erkennt ihn auch gleich. Sie ist auch nicht überrascht, daß der Kneißl da ist. Seit vielen Jahren besteht eine Verbindung zwischen den Kneißls und den Riegers. Der Hiasl frägt nach dem Flecklbauern. "Der", gibt die Flecklbäuerin Auskunft, "ist in der Wirtschaft." Es ist ja schließlich Andreastag, ein sogenannter abgeschaffter Feiertag.

Das gehörte sich damals so, daß an solchen Tagen das Landvolk die Arbeit langsamer angehen ließ und nachmittags oder abends in die Wirtschaft ging. Solche "abgeschaffte Feiertage" gab es damals eine ganze Reihe, wie Maria Lichtmeß (2. Februar), Blasius (3. Februar), Mariä Verkündigung (25. März), Georg (23. April), Osterdienstag, Pfingstdienstag, Johann (24. Juni), Mariä Heimsuchung (2. Juli), Bartholomäus (24. August), Katharina (25. November) und auch den Andreastag (30. November). Ursprünglich waren diese Tage vollständige, richtige Feiertage. Unter dem bayerischen Minister Graf Maximilian von Montgelas wurden diese Feiertage im Jahre 1800 abgeschafft. Das Volk sollte mehr arbeiten und nicht immer kirchliche Feste feiern. Aber die Bayern nahmen diese neue Vorschrift anfangs nicht genau. Mit voller Strenge hatte Montgelas aber dann seine neue Vorschrift durchdrücken und am Lichtmeßtag 1802 sogar die ersten Wirtshausrazzien durchführen lassen, wo die Bauern vom Biertisch weg verhaftet und in den Arrest geführt wurden. Der Minister hatte nicht einsehen wollen, daß gerade der Bauer und das Landvolk überhaupt in Altbayern mitten drin stand im katholischen Kirchenjahr und dem Bauern und dem Knecht die vielen Feiertage auch das waren, was ihm selber sein Urlaub war. Selbstverständlich war das Volk nicht gut auf diese Verordnung und auf den Minister zu sprechen. Man kann sich vorstellen, wie das Volk schadenfroh lachte, als dieser Minister Montgelas gerade am 2. Februar 1817, am Lichtmeßtag also, an dem üblicherweise die Dienstboten auf dem Lande ihre Arbeitsstellen wechselten, von König Max 1. Joseph, nicht zuletzt auf Betreiben des Kronprinzen und späteren Königs Ludwigs 1., aus seinem Ministeramt entlassen wurde.

Die Flecklbäuerin hat das Fenster wieder geschlossen und geht ins Bett. Kneißl geht zur Wirtschaft in Irchenbrunn. Sie liegt fast am anderen Ende des Dorfes. Kneißl geht nicht in die Wirtschaft hinein. Er traut sich nicht recht. Die Wirtsstube ist voller Leute. Es hat ihn zwar auch in Irchenbrunn außer dem Flecklbauer noch keiner von Angesicht gesehen. Aber die Leute könnten doch nachfragen. Es könnte herauskommen, wer er ist. Und vielleicht könnte ihm dann einer nicht gut gesonnen sein. Er wartet lieber, bis der Flecklbauer einmal aus der "Stub'n", wie die Gast- oder Wirtsstube auch heute noch auf dem Lande heißt, herauskommt. Das ist bald der Fall. Kneißl spricht den Flecklbauern an und sagt ihm, daß er Hunger habe. Rieger, auch nicht überrascht über das Auftauchen des Hiasl, sagt, daß er nur mit hereinkommen soll. In der Wirtsstube sei es warm. Er könne essen und trinken und später zum Schlafen werde sich schon etwas finden. Der Hiasl aber ist damit nicht einverstanden. Er lehnt ab. Ihm ist es lieber, wenn er nicht von so vielen Leuten gesehen wird. Dem Flecklbauern aber bringt er Vertrauen entgegen. Von dem befürchtet er nichts. Er kennt ihn schon lange. Manches Geschäft wurde zwischen den Kneißlschen und den Riegerschen schon getätigt. Kneißl wäre sonst nicht zum Rieger gekommen. "Gut", meint der Flecklbauer, "wennst Du halt nicht mit hereingehen willst, dann kauf' ich halt noch etwas und dann gehen wir heim." Rieger geht zur Wirtin, läßt sich drei Maß Bier, ein paar Würste und ein Pfund Gselchtes geben, packt alles in einen Sägerer (sackartige Tasche), zahlt, sagt "Gute Nacht" und will gehen.

Da aber kommt ihm blitzartig ein Gedanke. Ohne lange zu zögern, setzt er diesen Gedanken auch schon in die Tat um. Es war etwas ganz Rätselhaftes, etwas, das noch nie und nie mehr ganz geklärt werden kann. Er winkt plötzlich den ihm bekannten Knecht Michael Grießer aus der Stube. "Du", sagt der Flecklbauer zum "Nazimo Miche", weil der Grießer beim "Nazimo" in Unterzeitlbach daheim ist, lauf schnell auf Altomünster. Hol' die Gendarmen. Der Schachenmüllerhiasl ist bei mir. 400 Mark sind zum Verdienen. Lauf schnell!" Ganz im Staaden (Stillen) sagt der Flecklbauer auch noch zur Wirtin: "Der Schachenmüllerhiasl ist draußen. Ich hab' um d' Schandarmen g'schickt. Wenn's guat nausgeht, dann kimm' i' später noch einmal und hol' mir a Faß1 Bier."

Rieger und Kneißl gehen zum Flecklbauernanwesen. Der Hiasl sagt nichts. Er ist müde. Er war ja schon seit Tagen unterwegs, hatte nicht richtig geschlafen und den ganzen Tag nichts gegessen. Außerdem ist es sehr naßkalt und windig. Ihn frierts. Er geht mit dem Flecklbauern ins Haus, setzt sich in der Wohnstube an den Tisch, langt kräftig zu von dem Essen, das der Flecklbauer aus der Wirtschaft mitgenommen hat. Die Flecklbäuerin ist noch nicht eingeschlafen, als ihr Mann von der Wirtschaft heimkommt. Sie hört, daß noch jemand dabei ist. Sie steht wieder auf und schaut, wer der späte Gast ist. Als sie feststellt, daß es der Kneißl ist, legt sie sich wieder ins Bett. Kurz darauf erscheint der Flecklbauer im Schlafzimmer und sagt ihr: "Mutter, die Gendarmen kommen. Ich habe darum fortgeschickt."

Grießer will den Weg nach Altomünster nicht allein gehen. Es ist naß und kalt und stockdunkel. Er geht von Irchenbrunn nach Übelmana zum "Hiasbauern" Josef Mayr. Dort steht er im Dienst, mit ihm der Knecht Dominikus Rösele, der beim "Greppenmaurer" in Sielenbach daheim ist. Etwa um neun Uhr kommt Grießer in Übelmana an. Grießer erzählt dem Rösele seinen Auftrag und bittet ihn, mit ihm nach Altomünster zu gehen. Der andere willigt ein. So marschieren, laufen beide nach Altomünster, zu den Gendarmen. Dort angekommen gehen sie zuerst zum Gendarm Wolfgang Scheidler, klopfen ans Fenster, teilen ihm ihren Auftrag mit. Scheidler, erst vor kurzem von München nach Altomünster versetzt, muß natÜrlich die Kompetenzverteilung in seiner Dienststelle einhalten. Er schickt die beiden Burschen zum Stationskommandanten Brandmaier. Dieser ist schon seit 1894 in Altomünster stationiert. Scheidler zieht sich aber sofort an, nimmt sein Gewehr. Ebenso macht sich auch der Kommandant fertig. Nach kurzer Zeit marschieren die beiden Gendarmen mit Grießer und Rösele aus Altomünster hinaus, über Schauerschorn nach Oberzeitlbach.

Es ist kurz nach elf Uhr, als sie an die dortige Wirtschaft kommen, die bald am Ortseingang liegt. Auch in Oberzeitlbach ist wegen des abgeschafften Feiertages die Wirtschaft voll besetzt. Der Kommandant geht in die Wirtsstube, winkt ein paar Burschen heraus. Ganz wohl ist denen dabei nicht. Was will der Gendarm von ihnen? Sie haben aber kein schlechtes Gewissen. Also folgen sie. Andererseits sieht man es auf dem Land, auch heute noch, nicht ganz ungern, wenn man von höherer Stelle um etwas gebeten wird. Schließlich stehen so sechs, sieben Burschen im Hausgang der Wirtschaft. Der Kommandant Brandmaier erklärt ihnen: "Der Schachenmüllerhiasl ist beim Flecklbauern in Irchenbrunn. Jetzt gibt es 400 Mark zu verdienen. Der Flecklbauer ist auf unserer Seite. Ihr braucht bloß hineingehen und ihn packen. Greift's nur fest zu. Geht's gleich auf seine Händ'. Wenn er was macht, schießen wir ihn schon gehörig z'samm." Restlos begeistert sind die Burschen nicht. Ganz so einfach stellen sie sich die Gefangennahme dieses Räubers nicht vor, vor allem deshalb, weil sie schon soviel über ihn gehört haben. Aber daß sie keine Schneid haben, das wollten sie sich doch nicht nachsagen lassen. Also gehen sie mit. "A Schneid' hamma immer!" dachte sich wohl auch der Andreas Bayerl, der noch dazu an diesem Tag seinen Namenstag feiern konnte. Auch er ging mit den Gendarmen mit. Er war Zimmermann in Altomünster, zuerst beim Schreiner Stich, ehe er sich selbständig machte. Als zu der Zeit, als er noch beim Stich arbeitete, am Altomünsterer Kirchturm Arbeiten vorgenommen werden mußten, stieg Bayerl selbstverständlich auch auf den Turm und ging in rund 60 Meter Höhe außen auf einem Vorsprung um den Turm herum. Schneid haben sie also schon gehabt. Die Gruppe von rund zehn Mann macht sich auf den Weg. Es sind dabei die beiden Gendarmen, Grießer, Rösele, Johann Stumpferl, Bauerssohn aus Oberzeitlbach, Jakob Lindermaier, Dienstknecht von Oberzeitlbach, Josef Lindermaier, Wagner aus Oberzeitlbach, Peter Lechner, Dienstknecht in Oberzeitlbach, Andreas Bayerl, Zimmermann aus Altomünster und noch zwei, drei Burschen.

Die Nacht ist nach wie vor finster. Kein Stern ist am Himmel zu sehen. Eiskalter Regen sprüht herab. Scharfer Westwind, Gegenwind bläst den Männern ins Gesicht. Die Männer schreiten, so gut es geht, zügig voran, Irchenbrunn entgegen. Das Flecklbauernanwesen ist, wie gesagt, das erste am östlichen Dorfrand, und aus östlicher Richtung nähert sich auch die Gruppe dem Ort. Nach einer guten halben Stunde stehen die Gendarmen und die Burschen kurz vor dem Flecklbauernanwesen. Sie versuchen, keinen Lärm zu machen. Aber schon hat sie der Hund des Flecklbauern gewittert. Er fängt wie wild zu bellen an. Die Gruppe bleibt stehen. Der Kommandant aber sagt "Vorwärts!" und so gehen sie weiter, die Polizisten ihrem Schicksal entgegen. Nach wenigen Minuten stehen sie vor dem Wohnhaus des Flecklbauernanwesens. Es war etwa eine halbe Stunde vor Mitternacht. Die Fensterläden sind verschlossen. Kommandant Brandmaier reißt einen Fensterladen am Fenster der Wohnstube auf. Die Außenstehenden sehen gerade noch, wie der Kneißl, der in der Stube am Tisch saß, von dort aufsprang und aus dem Zimmer flüchtete. Rieger ging vom Fenster weg ebenfalls auf die Türe zu. Da erlosch das Licht in der Stube, entweder von Kneißl oder von Rieger ausgemacht, wahrscheinlich von Rieger, da dieser zuletzt allein in der Wohnstube war. Kommandant Brandmaier geht auf die Haustüre zu, drückt den Türgriff nieder, schnackelt ein paarmal. Nichts tut sich, die Haustüre ist versperrt. Stockdunkel ist es im Haus und im Hof. Von innen ist kein Laut zu hören. Nur im Hof bellt der Hund wie verrückt. Die Außenstehenden rufen: "Aufmachen." Einer: "Ist der Lump noch da?" Da meldet sich Rieger: "Wer is' drauß?" "Mir sind's", sagt der Grießer, den der Flecklbauer fortgeschickt hatte. "Dann geht's nur wieder hin, wo Ihr zuerst warts" entgegnet der Flecklbauer. Die Haustüre bleibt weiter verschlossen. Der Gruppe kommt die Sache etwas eigenartig vor. Rieger hat doch selber ausdrücklich um die Gendarmen geschickt. Er kennt den Grießer, der draußen vor der Tür steht. Ist der Kneißl noch da? Hat es sich der Flecklbauer anders überlegt? Der Kommandant überlegt. Gendarm Scheidler schlägt vor, noch einige Einwohner zu wecken, mit diesen und den Burschen das Haus zu umstellen und warten, bis es Tag wird. Die Burschen pflichten Scheidler bei. Sie waren ja von Anfang an nicht der Meinung, daß es einfach sein wird, den Kneißl zu fangen. Der Kommandant aber läßt nicht nach, obwohl doch die Vorschläge Scheidlers und der Burschen vernünftig klangen. Jetzt meldet er sich beim Rieger. Er hat schon oft dienstlich das Flecklbauernanwesen besucht, kennt es in- und auswendig, kennt auch die Bewohner: "Rieger, aufmachen, Gendarmerie ist da!" Da schiebt Rieger den Riegel der Haustüre zurück, stemmt sich aber nun mit seinem Körper gegen die Türe, hält diese zu. Aber die Außenstehenden hatten das Zurückschieben des Riegels gehört, drücken von außen gegen die Türe, drücken Rieger weg, die Haustüre steht offen, die nächtlichen Besucher treten in den finsteren Hausgang. Gendarm Scheidler hat noch immer keine Schneid, in das Haus zu gehen. Ahnt er, was kommt? Erst als ihn der Lechner Peter an seiner Uniform packt und mitzieht, geht er mit.

Die Angekommenen gehen in den Hausgang hinein, die Burschen voraus, die Gendarmen folgen ihnen, die Gewehre schußbereit in den Händen. Frau Rieger kommt auch gerade in den Hausgang. Sie war noch einmal aufgestanden und sah, da sie eine Lampe in den Händen hat, soeben den Kneißl im Hausgang stehen und ihn dann hieraus in die Küche verschwinden, wohin ihn der Rieger geführt hatte. Sie ruft den Eintretenden zu: "Geht's nicht rein. Der hat alle Händ' voll Waffen." Die Angesprochenen lassen sich aber nicht abhalten, das Haus zu betreten. Rösele fragt im Hausgang wo Kneißl ist. Frau Rieger sagt: "Drinnen in der Kammer." Der Stumpferl Hans nahm ihr inzwischen die Lampe aus der Hand. Da flüstert ihm der Flecklbauer ins Ohr: jm Stüberl draußen ist er." Auch Gendarm Scheidler fragt den Flecklbauern, wo Kneißl ist. Der Flecklbauer deutet nach rechts auf die Kammer. In Wirklichkeit stand Kneißl links hinten in der Küche. Die angesprochene Kammer liegt genau gegenüber der Küche. Wenn sich also jemand vor diese Kammertüre hinstellte, war er direkt im Sicht- und Schußbereich desjenigen, der in der Küche stand. Lockt also der Flecklbauer die Gendarmen bewußt in eine Falle? Zeigt er ihnen absichtlich, vorsätzlich die falsche Türe?

Die Gendarmen gehen auf die Kammer zu, Kommandant Brandmaier auf der rechten Seite des Hausganges, Gendarm Scheidler links. In der Mitte der beiden geht Stumpferl und leuchtet mit der Laterne. Von den Gendarmen hat jeder sein Bajonett auf das Gewehr gesteckt. Sie wollen die Kammer stürmen. Wie sie auf der Höhe der Kammertüre sind, sehen sie im Schein der Lampe, daß an der Kammertüre von der Hausgangsseite her der Riegel vorgeschoben ist. Dort kann der Kneißl also nicht sein. Da sieht der Rösele, der mit den übrigen Burschen den Dreien gefolgt war, als erster den Kneißl links in der Küche drin stehen, den Drilling in der Hand. Rösele macht den Kommandanten Brandmaier darauf aufmerksam. Stumpferl dreht sich nun mit seiner Laterne auch nach links. Das Herz bleibt ihm fast stehen. Da steht der Kneißl in der Küche, ein paar Schritte von ihm entfernt. Auch Kommandant Brandmaier hatte den Kneißl gesehen. Er macht einen Schwenk, einen Schritt auf die Türe zu. Da kracht es schon. Kneißl hat blitzschnell seinen Drilling bis an die Hüfte heraufgezogen und auf den Kommandanten abgedrückt.

Brandmaier stürzt, vom Schuß Kneißls getroffen, mit einem Schrei zusammen. Plötzlich ist es wieder stockdunkel im Hausgang. Die Laterne des Stumpferl war erloschen, sein ganzer Mut auch. Ihn und auch die anderen Burschen packt die Angst. In wilder Panik stürzen sie aus dem Hausgang, aus dem Haus. Gendarm Scheidler ist währenddessen auf die Küchentüre zugegangen. Er gibt einen Schuß in Richtung Kneißl ab. Kneißl aber hat sich nach dem Abgeben seines Schusses gebückt. Auch war es dunkel im Haus. Scheidler sieht also Kneißl nicht. Der Schuß des Gendarmen geht auch an Kneißl vorbei und fährt hinten in die Wand in einen Schüsselrahmen. Die irdenen Schüssel zerspringen in tausend Teile. Kneißl hat noch eine Ladung im Lauf seines Drillings. Als er nun so plötzlich den Gendarmen Scheidler vor sich auftauchen bemerkt, drückt er noch einmal ab. Die Schrotladung trifft Scheidler, zersplittert diesem das rechte untere Schienbein. Scheidler stürzt wie sein Kommandant ebenfalls zu Boden.

Kommandant Brandmaier war von Kneißl am Oberschenkel knapp unterhalb des Unterleibs getroffen worden. Er schleppte sich mit seinen letzten Kräften noch ein, zwei Meter an die rechte Seite des Hausganges. Nun lehnt er mit seinem Oberkörper an der Mauer. Durch die Verletzung, die die Hauptschlagader zerrissen hat, verliert er sehr rasch Blut. Niemand hilft ihm. Niemand kann ihm helfen. Während des Schußwechsels zwischen Scheidler und Kneißl verblutet Kommandant Brandmaier. Er stirbt im Hausgang des Flecklbauernanwesens. Der andere angeschossene Gendarm, Scheidler, schleppt sich derweil zur Stubentüre hin.
Plötzlich ist wieder Licht im Hausgang. Seit dem ersten Schuß sind kaum drei Minuten vergangen. Sie aber genügten, um ein Menschenleben auszulöschen und ein weiteres lebensgefährlich zu verletzen. Kneißl späht vorsichtig aus der Küchentüre heraus. Er hat inzwischen den Revolver in die rechte Hand genommen. Den Drilling trägt er mit der Linken. Er gibt dem Flecklbauer mit dem Revolver ein Zeichen, macht eine Handbewegung, die wohl bedeuten soll: "Ist die Luft rein?" Dann sieht er noch einen der Begleiter der Polizisten im Hausgang stehen und den Gendarmen Scheidler zur Stubentüre hinkriechen. Kneißl schreit: "Naus bei der Tür oder Ihr seid alle hin." In Todespanik verläßt auch der letzte der Burschen, Josef Lindermaier, den Hausgang. Vor lauter Aufregung kommt er aber nicht an die Haustüre, sondern an die Stubentüre und steht plötzlich in der Stube, statt im Freien. Kneißl will auf den schwer verletzten Scheidler mit seinem Revolver einen weiteren Schuß abgeben, will ihn töten. Da stellt sich ihm die Flecklbäuerin, die während des Schußwechsels in der Wohnstube war und nun wieder in den Hausgang tritt, entgegen: tu das nicht. Der (sie meint den Kommandanten Brandmaier) kann sich so schon nicht mehr rühren." Da versetzt Kneißl dem bereits verstorbenen Kommandanten Brandmaier einen Fußtritt und bemerkt dazu: "Du bist gut hin!" Dann springt er über den toten Gendarmen hinweg und verläßt durch die hintere Haustür den Ort des traurigen und furchtbaren Geschehens.

Noch einmal stehen zwei der Burschen Todesängste aus. Kneißl saust aus der hinteren Haustüre heraus in die stockfinstere Nacht. Er sieht nicht, daß gleich neben der Türe die Waschbank der Riegers steht. Unter diese Waschbank hatten sich während des Schußwechsels der Bayerl Anderl und noch einer der jungen Männer geflüchtet. Plötzlich sehen sie, wie die Haustüre aufgeht und der Kneißl herausspringt, genau auf die Waschbank zu. Sie ducken sich noch mehr. Schon prallt Kneißl an die, mehr auf die Waschbank. Diese zerbricht unter seinem Stoß. Die Trümmer fallen auf die beiden Burschen herab. Kneißl sieht Gott sei Dank die Beiden nicht. Mit einem Fluch rappelt er sich wieder auf und rennt davon.

An der vorderen Haustüre spricht der Stumpferl Hans, der gleich nach dem ersten Schuß auf und davongelaufen war, sich jetzt aber wieder zurücktraute, den verletzten Gendarmen Scheidler an: "Herr Scheidler, soll ich den Pfarrer und den Doktor holen?" ja, lauf zu." Da rennt der Stumpferl Hans heim zu sich, zum "Felbermeier" nach Oberzeitlbach, um einzuspannen und nach Altomünster zu fahren, den Arzt und den Priester zu holen.

In Oberzeitlbach hatten es mehrere junge Männer mitbekommen, daß die Polizisten Helfer gesucht hatten. Auch der Bauerssohn Josef Münch aus Oberzeitlbach, zu der Zeit gerade in Unterschauerschorn bedienstet, merkte es. Er wußte aber wie die anderen in der Wirtsstube auch nicht, um was es ging. "Vielleicht nimmt die Polizei wieder eine Hausdurchsuchung vor. Da halten wir uns raus." sagte er zu seinem Freund, dem "Oberländer Hans" aus Wollomoos, der ihm beipflichtete. Sie wollten in der Wirtschaft die Rückkehr ihrer Kameraden abwarten. Diese blieben lange aus. Das machte sie doch stutzig. Deshalb suchten sie nach einiger Zeit im Ort die Polizisten und die Kameraden. Doch sie fanden diese nicht. Jetzt wollten sie erst recht wissen, was los war. Im Stumpferlanwesen warteten sie auf die Rückkehr eines Beteiligten.

Sie brauchten sich nicht lange zu gedulden. Atemlos kam der Stumpferl Hans daher, kaum, daß er noch nach Luft schnappen konnte. Er war froh, daß er jemanden antraf. Mit kurzen Worten erzählte er die Geschichte. "Los", sagte er zu den beiden, "Lauft schnell auf Altomünster, weckt den Doktor und den Pfarrer. Ich komme gleich mit den Rössern nach." Und bis der Stumpferl Hans die Rösser eingeschirrt und sie vor die Chaise (sprich "Schäse" = Wagen für Personentransport, die Personensitze überdacht, von Pferden gezogen) gespannt hatte, da war der Josef Münch schon längst über den Schauerschorner Berg hinweg gerannt auf Altomünster zu. Im Doktorhaus am Marktplatz (heute Kaufhaus Schwarz und Lesti) trommelt er den Arzt Dr. Klemens Lechner aus dem Bett. Er solle sich schnell fertigmachen, der Räuber Kneißl habe die Gendarmen erschossen. Er werde sofort abgeholt mit der Chaise. Dann lief Münch weiter zum Kaplanhaus neben der Kirche und sagte dem Kaplan Lorenz Steffl das gleiche. Beide Herren nahmen die erforderlichen Unterlagen mit. Kaum waren sie bereit, rollte auch schon die Chaise, kutschiert vom Stumpferl Hans, zum Markt herein. Aufgestiegen und schon ging es wieder fort, zu helfen, soweit dies noch möglich war.

Als Arzt und Kaplan in Irchenbrunn ankamen, gegen drei Uhr morgens, sah es im Hausgang des Flecklbauernanwesens gespenstisch aus. Der Boden war über und über mit Blut bedeckt. Auf der rechten Seite des Ganges saß der Stationskommandant Brandmaier auf dem Boden, mit dem Oberkörper an die Wand gelehnt - tot. Auf der gegenüberliegenden Seite des zugigen Hausganges lag Scheidler, schwer verletzt, frierend, über und über mit Blut bespritzt. Der Verletzte wurde nun in die Wohnstube getragen, der Ofen wurde eingeheizt, der Arzt untersuchte die Wunde, verband sie, so gut es ging und lagerte den Verletzten richtig, bis er im Laufe
des Tages nach Altomünster transportiert werden konnte. Beim Kommandanten Brandmaier konnte der Arzt nur noch den Tod feststellen, eingetreten durch Verblutung aufgrund der Schußwunde. Der Kaplan war also umsonst mitgekommen.

Kurz nach Morgengrauen kamen die beiden Frauen der Gendarmen nach Irchenbrunn. Fürchterlich war für sie das Wiedersehen mit ihren Ehegatten: einer tot, der andere schwerverletzt. Scheidler war bei Bewußtsein und konnte sich mit seiner Frau unterhalten. Er erklärte dieser gegenüber, daß Brandmaier und er in eine Falle gelockt worden seien. Sonst hätte es der Flecklbauer wohl anders angemacht. Scheidler wiederholte in den folgenden Tagen noch öfters: "Wenn der Flecklbauer gewollt hätte, hätten wir den Kneißl leicht kriegen können. Er hätte nur die Haustüre offen lassen dürfen oder seiner Frau sagen können, daß sie, wenn die Gendarmen kämen, gleich aufmachen solle."

Die Leiche von Benedikt Brandmaier wurde am 4. Dezember nach Schwabsoien bei Schongau überführt und am 6. Dezember dort beerdigt. Auch Gendarm Wolfgang Scheidler überlebte seinen Kommandanten nicht lange. Wegen der fürchterlichen Wunde sollte der rechte Fuß abgenommen werden. Durch das lange Liegen im zugigen Hausgang auf dem kalten Pflaster hatte sich Scheidler eine schwere Lungenentzündung zugezogen. Außerdem bekam er ein Geschwür am Hals. Dies alles zusammen brachte seinen doch unerwartet schnellen Tod bereits am 19. Dezember. Er wurde am 21. Dezember im Altomünsterer Friedhof beerdigt. Seit 1935 steht an seinem Grab (Nummer 267, heute Serz) eine Tafel mit folgender Aufschrift: Andenken Benedikt Brandmaier k. Gen. Kommandant, Wolfgang Scheidler k., Gendarm, gef. im Dienste durch Mörderhand am 30.11.1900.

Zehn Kinder waren zu Halbwaisen geworden. Die Ehegatten Brandmaier hatten drei Kinder, die Scheidlers sieben, wovon das Kleinste beim Tode des Vaters ganze vier Monate alt war.

Weshalb Rieger zuerst nach den Gendarmen schickte und ihnen dann die falsche Türe zeigte, wird sich wohl nie mehr aufklären lassen. Wollte Rieger beides, einmal den Tod des verhaßten Kommandanten und zum anderen die Festnahme des Kneißl, um dadurch auch noch die 400 Mark kassieren zu können?

Viele waren der Meinung, daß Rieger die Gendarmen dem Kneißl vor die Flinte getrieben habe. So hat der Bauer Josef Pfisterer aus Humersberg während des Prozesses gegen Kneißl als Zeuge ausgesagt, daß der Flecklbauer einmal ihm gegenüber lachenden Mundes erklärt habe: "Der Kommandant Brandmaier geht doch noch einmal so ein, daß er kaputt ist." Auch die Wirtin Katharina Brugger aus Oberzeitlbach hatte unliebsame Äußerungen von Rieger über die Gendarmen gehört. Weiter sagte sie, daß die Leute nach dem Vorfall vom 30. November meinten, daß es der Flecklbauer nicht gut gemeint hatte mit den Gendarmen. Auch der frühere Bürgermeister von Irchenbrunn, Johann Kaspar, war der Meinung, daß der Flecklbauer die Gendarmen in die Falle lockte. Der frühere Gendarmeriekommandant von Hohenzell, Georg Troll, gab im Prozeß an, daß der Flecklbauer im Jahr 1891 einen Förster so lange im Wirtshaus zurückhielt, damit Kneißl bei diesem einen Diebstahl verüben konnte. Die Bevölkerung von Hohenzell sei der Meinung, daß der Flecklbauer dem Kneißl die Gendarmen vor die Flinte getrieben habe. Andererseits erzählte der Gastwirt Matthias Reitmayer von Hohenzell, daß Kommandant Brandmaier mit dem Flecklbauer acht Wochen vorher in seiner Wirtschaft beisammensaß. Reitmayer gab die Meinung der Bevölkerung so wider, daß einige meinten, daß es Rieger mit dem Gendarmen nicht gut gemeint habe, während andere wiederum glauben, daß Rieger tatsächlich die Festnahme des Kneißl veranlassen wollte.

Wenige Tage nach den Schüssen auf die Polizisten besichtigte ein Journalist das Flecklbauernanwesen in Irchenbrunn. Dabei fiel ihm auf, daß ein zur Straße hin gelegenes Fenster mit einem Kleiderkasten verbarrikadiert war. Der Journalist fragte die Flecklbäuerin, warum dies gemacht wurde. Da antwortete Frau Rieger, daß sie sich vor der Rache des Kneißl fürchteten und der Kleiderkasten gegen Schüsse, des Kneißl dienen sollte.

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich am Tag nach der Tat das fürchterliche Geschehen von Irchenbrunn: "Der Kneißl hat die Altomünsterer Gendarmen erschossen." Die Gendarmerien wurden alarmiert. Die Telegramme jagten sich. Telefone gab es noch keine. Die Bahnstationen von Augsburg bis Schrobenhausen, von Augsburg bis München, von Ingolstadt bis München wurden verständigt, damit Kneißl möglichst schnell festgenommen werden könnte, wenn er die Bahn zur Flucht benützen würde. Polizeistreifen wurden angeordnet. Die erste fand bereits am nächsten Tag, Samstag, in der Früh um fünf Uhr im Bereich der Gendarmeriestation Bruck statt. In Aichach, Friedberg, Pfaffenhofen wurden ebenfalls Polizeistreifen angeordnet. Abschriften des Haftbefehls für Kneißl wurden verteilt und an die gemeindlichen Anschlagtafeln angeheftet. Außerdem wurde behördlicherseits darauf hingewiesen, "daß Jedermann verpflichtet ist, alsbald dem Bürgermeister und der nächsten Gendarmeriestation Mitteilung zu machen, wenn er etwas von dem Aufenthalt des Kneißl erfährt. Insbesondere sind alle Wirte hierzu verpflichtet. Eines schweren Verbrechens macht sich schuldig, wer dem Kneißl hilft, sich zu verbergen oder zu entfliehen. Die Herren Bürgermeister und jede Privatperson haben die Gendarmerie bei ihrer Verfolgung des Kneißl tatkräftig zu unterstützen." Auch wurde bereits am 1. Dezember in Aichach die erste Verhaftung vorgenommen von vermuteten Unterschlupfgebern des Kneißl. Am 2. Dezember wurde die Belohnung für die Ergreifung des Kneißl von bisher 400 Mark auf 1000 Mark erhöht. Kneißlhysterie setzte ein.

Spottpostkarten waren damals viel im Umlauf. Sie verhöhnten die Polizei, die rechts im Gebüsch nach Kneißl sucht und in der Mitte am Baum einen Haftbefehl mit dem Hinweis auf die 1000 Mark Belohnung anbringt, während Kneißl links am Stadeltor steht und ein Plakat anbringt, mit dem er verspricht:
"5 Maß Bier!!! 1 Porzion Leberkas u. Schwartenmagn u.
1 Kalbshaxn mit Zeugstiefl auch all Senft dazua, zahl' ich dem, wo mich fangt, und derf amal an mein Drilling riachn. I bin a
paar Dutzend Jahr alt, einige Mir. groß, Figur bunket,
Haare schwarzblond, trag'Havelock u. geh net am Pfiff.
Wohnort: schmekskropfeter. Herr Mathias Kneissl. Schachermühlhiasl.


Überall wurde er in der Folgezeit gesehen. Zum ersten Fehlalarm kam es schon am 3. Dezember. Ein Gendarmerie-Wachtmeister aus Pasing sah angeblich den Kneißl an diesem Tag mittags in Lochhausen in den Eisenbahnzug einsteigen, während der Fahrt in Richtung Maisach in der Nähe von Gröbenzell vorn Zug abspringen und in das Dachauer Moos flüchten. Daraufhin wurden sofort die Polizeistationen Pasing, Puchheim und Olching telegrafisch zur Verfolgung des Mörders angewiesen. Auch die Polizeistation Dachau wurde informiert. Polizeistreifen wurden durchgeführt. Abends stellt sich heraus, daß nicht der Kneißl in den Zug eingestiegen war, sondern ein Bahnarbeiter und daß ein Absprung überhaupt nie vorgekommen war. Ergebnis dieses Tages: "Über den wirklichen Verbleib des Kneißl fehlt zur gleichen Zeit jede Spur."

    Dabei sollte es auch längere Zeit bleiben. Noch drei Monate lang konnte Kneißl der Polizei entwischen. Es war die Zeitspanne, während der der Name Kneißl weitum berühmt wurde. Die "Kneißl-Jagd" begann. Das "Räuber und Schandarm-Spiel" ging weiter. Es war auch schon eigenartig, wie sich Kneißl verhielt. Er war immer in einem eng umgrenzten Gebiet geblieben, immer dort, wo er sich auskannte und wo er auch viele Menschen kannte und wo er auch manche Unterschlupfgeber hatte. Dazu freuten sich große Teile der Bevölkerung, wenn Kneißl immer wieder der Polizei auskam. Damit konnten und wollten diese Bevölkerungskreise auch der Obrigkeit eins auswischen. Gerade dies war es, was der Polizei sehr zu schaffen machte. Die Unterstützung der Polizei durch die Bevölkerung fehlte fast ganz, bei einem Teil aus Vorsatz, bei einem aus Gleichgültigkeit, bei einem Teil wohl auch aus Angst vor Rache des Kneißl. Diese Haltung der Bevölkerung stellte nach einiger Zeit auch der neue Stationskommandant von Altomünster, Georg Mühlbauer, fest: "Wenn die Bevölkerung in der Gegend den Sicherheitsorganen bis zur Zeit einigermaßen an die Hand gegangen wäre, so würde es unmöglich sein, daß sich ein Verbrecher wie Kneißl so lange umhertreiben könnte."

    Kneißl aber konnte es. Nach dem Verlassen des Flecklbauernanwesens war er noch in der Nacht nach Aichach gegangen, holte dort sein Fahrrad ab, das er bei Bekannten untergestellt hatte und übernachtete dort in Hofmanns Eiskeller. Am nächsten Tag ging es zurück nach Aufkirchen, dann nach Bruck. In der äußeren Maisacher Straße wohnte der Hofner Franz, genannt "der Parasol-Franzl". Zu ihm fuhr Kneißl, klopfte und sagte: "Franz, mach auf, mich schickt der Bader von Aufkirchen zu Dir." Bader war Flaschenbierhändler in Aufkirchen. Zu diesem kam Kneißl wieder am 5. Dezember, kaufte zwei Flaschen Bier und mußte dafür 50 Mark zahlen. Seine Lage wurde eben auch noch ausgenützt. Bei dieser Gelegenheit ist gleich festzuhalten, daß Kneißl nie jemanden freiwillig unterstützt hat, nie den "Armen" etwas gegeben hat, wie auch heute noch hie und da entsprechende Meinungen im Umlauf sind. Kneißl hat nie etwas "springen" lassen. Kneißl hat einzig und allein für sich selbst gestohlen. Er brauchte Geld, weil er immer dann, wenn er irgendwo Unterschlupf gefunden hatte, überhöhte Preise für Essen und Bier bezahlen mußte. Seine sogenannten "Freunde" wußten schon auch im wahrsten Sinne des Wortes, wieviel ihnen der Kneißl Hiasl wert war. So jammerte Kneißl später im Prozeß: "Wenn ich ein 10-Mark-Stück hergab, habe ich höchstens ein paar Maß Bier und etwas zu essen bekommen. Herausgegeben wurde mir nichts mehr." Kneißl war auch kein Räuberhauptmann. Er unternahm seine Streifzüge allein, raubte allein. Nach seinem Besuch in Aufkirchen wandte sich Kneißl wieder nordwärts. Für die nächsten Nächte, vom 6. auf  7. und vom 7. auf 8. Dezember, suchte er sich den Stadel des "Marterbauern" in Hohenried bei Altomünster zum Übernachten aus. Der 13jährige Dienstbub Alto Michl aus Altomünster, der bei seinem Onkel, dem Marterbauern Thomas Neumair in Stellung war, schöpfte am 6. Dezember, abends um 3/4 6 Uhr, Wasser. Da sah er eine fremde Mannsperson von Erlach, vom Jrlerbauer", heraufkommen und auf das Stall- und Stadelgebäude seines Dienstherrn zugehen. Michl ging sofort ins Haus und gab seine Wahrnehmung weiter. Die Bewohner kamen heraus, haben aber niemanden mehr gesehen. Alle Türen im Hof wurden dann verschlossen. Ein Türl, das sich an der Giebelseite des Stadels befand, und das nur mit einer Leiter erreicht werden konnte, wurde mit einer Stange zugelehnt. Am nächsten Morgen war die Stange weggeschoben. Das Türl stand offen.

Um 1/2 9 Uhr in der Früh kam der Kaminkehrer zu Neumair. Michl mußte für diesen aus dem Stadel eine Leiter holen. Der Stadel, der teils an den Stall angebaut war und sich teils über dem Stall befand, war von innen verschlossen und konnte nur vom Stall aus geöffnet werden. Als Michl vom Stall her auf die Türe zuging, die in den Stadel führte, hörte er auf der Stadeltenne Schritte. Er lief sofort zurück und erzählte seine erneuten Wahrnehmungen. Neumair benachrichtigte seine Nachbarn. Gemeinsam durchsuchten sie dann Stall und Stadel. Im Heustock stellten sie fest, daß ein Loch ausgehöhlt war, in dem eine Person offensichtlich geschlafen hatte. Zu sehen war aber niemand mehr. Die Bauern gingen daraufhin wieder zur Alltagsarbeit über, der Kaminkehrer reinigte den Kamin.

Die Dienstmagd Josefa aber vom Bauern "Strixl" benachrichtigte die Gendarmerie von Altomünster. Diese war seit 6 Uhr früh auf Streife, ein Teil mit dem Kommandanten Mühlbauer und den Gendarmen Stegmann und Gläßl in Richtung Randelsried, wo sie gegen zehn Uhr ankam und mit der Mannschaft aus Schiltberg zusammentraf. Der andere Teil der Altomünsterer Gendarmen streifte in Richtung Adelzhausen. Gendarm Wiesmayer hielt die Stellung in Altomünster. Aufgrund der Nachricht der Josefa schickte Wiesmayer sofort einen Boten nach Randelsried, um seine Kameraden zu informieren. Diese brachen sofort nach Hohenried auf. Als sie dort ankamen, glaubten sie, ihren Augen nicht trauen zu können. Der Hof des Marterbauern war voll von Leuten. Mindestens 50 Personen waren da. Über die Hälfte mit Gewehren ausgerüstet. Was für Kaliber waren da darunter. Mit denen hätten sich die Schützen, wenn sie geschossen hätten, höchstens selbst verletzt als daß sie dem Kneißl etwas antun hätten können. Die Polizisten durchsuchten mit den Bauern den Stadel, schichteten Heu und Stroh um, fanden aber nichts. Die Zuschauer zogen wieder ab, die Polizisten ebenso, die Bauern gingen wieder ihrer Arbeit nach.

Am nächsten Tag, 8. Dezember, war richtiger Feiertag, Fest der Unbefleckten Empfängnis Mariä. Der Marterbauer hielt die Kirchenwacht, er paßte also auf die drei Höfe in Hohenried auf, während die übrigen Bewohner in der Kirche in Altomünster waren. Plötzlich klopfte es an die Haustüre. Gendarm Stegmann stand draußen, als Landstreicher verkleidet. Der führte den Bauern um den Stadel herum und zeigte ihm in dem aufgeweichten Boden eine deutlich sichtbare frische Spur. Der Gendarm zog dann ein Blatt Papier, mit einem Stiefelabriß drauf, aus der Tasche und verglich. Beide Stiefelabrisse stimmten überein. Der Stiefelabriß auf dem Papier aber war die Stiefelgröße vom Kneißl. Dieser hatte sich also bestimmt in dem Stadel aufgehalten.

Nach diesem Vorfall verloren sich Kenntnisse über die jeweiligen Aufenthaltsorte des Kneißl. Dafür wurden umso mehr unsinnige Gerüchte über den Kneißl in Umlauf gegeben. Er solle in hohlen Bäumen übernachten. Er solle in Frauenkleidern umhergehen und so weiter. Auch mußten viele Unschuldige vorübergehend wegen Kneißl büßen. Am 11. Dezember bettelte ein Handwerksbursche in Großberghofen um Brot. Sofort wurde er als der Kneißl angesehen, die Polizei alarmiert. Die Vermutung stellte sich als falsch heraus, der Handwerksbursche war echt. Weiter wurde Kneißl immer öfters zur gleichen Zeit an weit entfernten Orten gesehen. Auch "kneißelte" es bald an allen Ecken und Enden. Diebstähle wurden verübt und sofort auf den Kneißl geschoben, auch an so weit entfernten Orten, zur gleichen Zeit oft, daß es dem Kneißl unmöglich gewesen sein konnte, an all diesen Orten gewesen zu sein.

Die Polizei traf organisatorische Maßnahmen. Von der Kreisregierung (heute Regierungsbezirk) Oberbayern wurde Gendarmerie-Oberleutnant Küster zur Leitung der Fahndung nach Kneißl abgeordnet. Die Gendarmerien im Kneißlgebiet wurden verstärkt. Provisorische Gendarmeriestationen wurden eingerichtet in Hohenzell, Hilgertshausen, Jetzendorf, Lauterbach, Unterweikertshofen, Thalhausen, Tandern, Zillenberg, Freienried, Heretshausen, Sielenbach, Plixenried, Erdweg, Kreuzholzhausen, Einsbach, Rottbach, Ebertshausen, Unterschweinbach, Mittelstetten, Eismannsberg. Kneißl war aber nicht zu finden.

Bald wurde die Gendarmerie wegen ihrer Mißerfolge mit Spott überzogen. Am 7. Dezember bereits, nur eine Woche nach dem Drama von Irchenbrunn, erhielt eine Zeitung in Dachau folgenden Brief: "Dachau, am 7. Dezember 1900. 0, Leid, o Leid, für die grüngefrackte Büchsenmannschaft, welche mit so vieler Mühe mich sucht, aber doch leider vergebens ist alles. Könnens erfrieren wies wollen. Ich wollt es auch kein raten, daß er mich anpackt, denn der wäre schlimm daran. Ich habe heute Nacht in einem großen Hundestall übernachtet und hab mir die Ruhe gut schmekken lassen. Schön lasse ich grüßen meine lieben Herrn Schutzmänner Mathias Gneißl Schachenmühle."

Die Zeitung gab den Brief an den Magistrat Dachau weiter mit dem Bemerken: "Doch dürfte es veranlaßt erscheinen, nach der Persönlichkeit dieses Briefschreibens zu recherchieren und geht deshalb Gegenwärtiges mit dem Originalbriefe gegen Wiedervorlage an den Magistrat." Am 12. Dezember teilte der Magistrat des Marktes Dachau dem Bezirksamt Dachau mit, "daß der Schreiber anliegenden Briefes bis zur Zeit nicht ermittelt werden konnte." Die Übermittlung von Nachrichten ging noch nicht so schnell vonstatten wie heute. Bilder von Kneißl gab es nicht. Also kannte ihn auch der größte Teil der Bevölkerung vom Aussehen überhaupt nicht. Es kam öfters vor, daß alleingehende Personen auf der Landstraße plötzlich mit einem jungen Burschen zusammentrafen, der auch des Weges ging. Meistens kam dann das Gespräch auf den Kneißl zu sprechen und die fremde Person erkundigte sich, was so alles über diesen erzählt wird. Besonders weibliche Personen freuten sich, wenn sie beispielsweise nicht allein durch den Wald gehen mußten. Sie fürchteten sich besonders vor dem "bösen Kneißl". Die männliche Person begleitete gern. Nach einer Weile, nach dem Durchqueren des Waldes, verabschiedete sich der Fremde, der sich vorher nicht vorgestellt hatte, mit der Bemerkung: "So, jetzt kannst Du ja wieder allein weitergehen. Auch kannst jetzt sagen, Du bist mit dem Kneißl gangen." Sagte es und war schon bald wieder im Wald untergetaucht. Zurück blieben verdatterte und verängstigte Personen.

Ebenso mußte die Polizei oft dementieren, daß sich Kneißl an diesem oder jenen Ort aufgehalten habe.

Am 23. Dezember tauchte Kneißl wieder auf. Gegen acht Uhr abends klopfte er an einem Anwesen in Sulzemoos und drohte mit dem Erschießen, wenn er nicht beherbergt werde. Die Frau war dagegen, daß Kneißl ins Haus gelassen wurde. Kneißl stieg dann ohne weiteres über die Leiter in den Dachraum, wo Heu und Stroh untergebracht waren und legte sich zur Ruhe. Am nächsten Tag gegen vier Uhr in der Früh ging er wieder fort. Im gleichen Anwesen soll Kneißl noch einmal gewesen sein. Um dies herauszubekommen, unternahm die Polizei eine Hausdurchsuchung. Mit welch zweifelhaften Methoden die Polizei dabei in der Kneißlsache zuweilen vorging, zeigt das folgende Beispiel. Als die Polizei die Hausdurchsuchung vornahm, waren nur die vier kleinen Kinder, das älteste zehn Jahre alt, zu Hause. Der Mann war verhaftet, die Frau auf einer Beerdigung. Ein Polizist befahl dem fünfjährigen Buben, er solle ihn auf den Boden führen. Voller Angst klammerte sich der Bub an seine ein wenig älteren Geschwister. Mit Gewalt riß der Polizist den Buben von seinen Geschwistern weg und trug ihn auf den Dachboden. Dort mußte der Bub dem Polizisten die Stelle zeigen, wo Kneißl geschlafen haben sollte. Schließlich plauderte doch eines der Kinder aus: daß Kneißl an jenem Tag gegen ein Uhr in der Früh erschien und gegen 1/2 4 Uhr wieder fortging. Die Mutter mußte Kaffee und Knödel machen, wovon Kneißl fünf aß. Wie halt Kinder sind, meinte der andere Bub: Fünf? Ich hab gmeint, bloß drei."

Weihnachten verbrachte Kneißl in München. Am 6. Januar, es war nun das Jahr 1901, war Kneißl wieder da in seinem Gebiet. Gegen 1/2 6 Uhr abends ging Kneißl, aus Richtung Wiedenzhausen kommend, an Altstetten vorbei. Als ihn dabei eine Magd erkannte, rief sie ihm nach: "Bist nicht gar der Schachenmüllerhiasl?" Da schaute sich Kneißl um und ging, ohne ein Wort zu sagen, wieder weiter. Er bog nach dem Weiler links ab und ging querfeldein in den nahen Wald, Richtung Großberghofen. Vermutlich hatte er dort im Wald ein Zusammentreffen mit einer Person, die ihm Nachrichten überbrachte. Kneißl wanderte an diesem Abend noch weiter. Gegen 1/2 1 Uhr sah der Nachtwächter von Wenigmünchen eine Mannsperson, die dem Kneißl ähnelte. Als diese Person den Nachtwächter sah, flüchtete der Fremde in eine Hausnische. Als der Nachtwächter auf dieses Haus zuging, lief die Person davon, drehte sich aber öfters um. Nach einiger Zeit sah der Nachtwächter, daß der Fremde ein Gewehr mit sich führte. Er ließ daraufhin von einer weiteren Verfolgung ab. Anschließend hatte sich Kneißl in einen Stall in Wenigmünchen eingeschlichen und dort geschlafen. Daß die Gendarmen bei ihrer Fahndung ergebnislos blieben, hatten sie sich zum Teil selbst zuzuschreiben. Einige Male waren sie dem Kneißl dicht auf den Fersen. Aber durch Unfähigkeit brachten sie sich selbst um den Erfolg, den Kneißl verhaften zu können. War die Sache in Hohenried schon unglücklich angegangen worden, so war der nachstehend beschriebene Vorgang in Hörzhausen direkt peinlich für die Polizei. Er zeigt aber auch die Kaltblütigkeit des Kneißls. Als der Gütler Josef Endres aus Hörzhausen am Freitag 11. Januar, in der Früh in den Stall kam, fiel ihm auf, daß im Stallgang Stroh herumlag. Er fragte seine Frau, ob sie das Stroh vom Stadel hereingenommen habe zum Streuen. Diese verneinte dies. Dann sagte Endres: "Dann weiß ich nicht, woher das Stroh kommt."

In der Nacht vom 11. auf 12., Freitag auf Samstag, und Samstag auf Sonntag, 12. auf 13., war Kneißl wieder im Stall. Endres stellte wieder Stroh fest. Während der ganzen Nacht war auch eine Kuh, die gerade ein Kalb hatte, unruhig. Sie schrie die ganze Nacht. Am Sonntag in der Nacht, 13. Januar, als die Kuh wieder schrie, ging die Frau Endres gegen 23 Uhr mit einer Laterne in den Stall, der mit dem Wohnhaus und dem Stadel unter einem Dach, wie es früher üblich war, untergebracht war, um zu sehen, was los sei. Sie hat nichts auffallendes bemerkt. Kuh und Kalb war aber auf. Dies ist jeweils ein Zeichen, daß im Stall nicht alles in Ordnung ist, daß irgend jemand im Stall ist oder jemand auch hineingeleuchtet hat. In den Stallgang ging die Frau Endres aber nicht. Sie hat nur von der vom Wohngebäude in den Stall führenden Tür aus in den Stall hineingeleuchtet. Die Kuh hörte jedoch nicht auf zu schreien. Am anderen Morgen, Montag, 14. Januar, um 3/4 5 Uhr stand Endres auf, um das Vieh zu füttern. Während er zum Füttern ging, sprach er mit seiner Frau über die Sache. Da hörte er auf einmal einen Krach von der zum Stadel führenden Tür und sagte: Jetzt ist wer beim Stall naus." Er ging mit dem Licht auf die Stadeltür zu. Er leuchtete dabei auch in den Stallgang. Dort sah er ein Strohlager: ein Strohbüschel lag quer, einer der Länge nach. Es war deutlich zu sehen, daß dort jemand gelegen war.

Endres zeigte die Sache dem Bürgermeister an. Daraufhin kamen am anderen Tag, Dienstag, 15. Januar, in der Früh um fünf drei Gendarmen und der Bürgermeister zu Endres. Sie weckten ihn auf. Der Bürgermeister sagte, daß die Gendarmen schon um ein Uhr bei ihm gewesen seien. Endres führte die Gendarmen in den Stall, zeigte ihnen den Platz, wo das Lager war. Einer der Gendarmen sagte dabei, Endres solle langsam gehen. Die fremde Person könne vielleicht noch dort sein. Endres sagte aber, es könne niemand drin sein, weil er tags zuvor fest zugesperrt habe. Die Polizisten waren dazu der Meinung, das hätte er nicht tun sollen. Er sollte den vielmehr hereingelassen haben. Die Gendarmen suchten dann den Stall und Stadel aus, ebenso die Wagenremise. In die Holzremise sahen sie nicht. Diese steht getrennt von dem Anwesen im Garten. Endres sagte dazu: "Da droben wird er doch nicht sein." Die Gendarmen sagten: "Da steigt er doch nicht hinauf, da ist's ihm zu kalt." Nach ungefähr einer Stunde entfernten sich die Gendarmen. Endres wollte an diesem Tag in den Wald fahren. Er suchte dazu seine Hacke. Auch fiel ihm ein, daß ihm der Sack mit Klee fehlte. Beides fand er nicht. Als Endres an diesem Dienstag mittags einspannte, sagte er zu seiner Frau, sie solle Stroh von der Holzremise herunterwerfen. Als sie über die Leiter in den oberen Teil der Holzremise gestiegen war, fing sie zu schreien an, stieg wieder herunter und sagte: "Da schau nach, was da droben ist. Da siehst Du Deine Hacke und Deinen Sack." Als Endres hinaufkam, sah er ein Strohlager. An dessen Kopfende lag der leere Sack. Der Klee war auf dem Boden ausgeleert worden. Die Axt lag längs der rechten Seite des Lagers. Endres teilte seine Wahrnehmungen dem Sohn des Bürgermeisters mit.

Erst am Freitag, 18. Januar, also ganze drei Tage später, kamen wieder Gendarmen. Gegen acht Uhr kamen zwei Gendarmen und fragten Endres, ob er etwas gesehen habe. Dieser sagte: ja, eine Ahnung haben wir alle Tage gehabt. Am Dienstag hätten sie ihn recht schön kriegen können. Da ist er auf der Holzremise auf dem Stroh gelegen." Endres führte die Polizisten auf die Holzremise und zeigte ihnen den Platz, wo er alles hatte liegen lassen bis auf die Axt. Als sie wieder herunterkamen, kamen sie vor der Stadeltüre zum Stehen. Da machte Endres die Gendarmen darauf aufmerksam, daß im Garten eine ganz frische Spur von dem Bahngleis, das auf der einen Seite das Anwesen des Endres begrenzt, zum Stadel führe. Die Gendarmen sagten dazu, da könne jemand anders auch gegangen sein. Endres merkte, daß sie auf diese Spur kein Gewicht legten. Die Gendarmen sagten vielmehr zu Endres, wenn er wieder etwas vernehme, dann sollte er es ihnen sagen. Endres sagte zu den Gendarmen, sie sollten kommende Nacht kommen und aufpassen. Vom Stadel aus könnten sie bis zur Bahn sehen. Darauf erwiderten die Gendarmen: ja, es werden zwei in der Nacht kommen und zwei in der Früh." Das Gespräch fand vor der Stadeltür statt. In den Stadel gingen die Gendarmen nicht.

Als die Gendarmen fort waren, ging Endres in den Stall, um das Vieh weiter zu füttern. Er nahm die Futterwanne und ging in den Stadel, um Gsod (das ist kleingeschnittenes Futter, aus Heu und Stroh vermischt) zu holen. Als er in den Stadel hinausgekommen war, sprang plötzlich Kneißl vom Viertel herunter, ging mit einem dreiläufigen Gewehr auf Endres zu, drückte das Gewehr dem Endres auf die Brust und preßte diesen damit an die Futterschneidemaschine hin. Kneißl rief dabei: "So Bürscherl, jetzt will ich Dir auch einmal leuchten. Warum verfolgst Du mich? Habe ich Dir schon einmals etwas Leids getan? Jetzt muß ich Dir halt eine Kugel durchjagen." Endres konnte vor Schrecken nichts sagen. Er wollte die Hände aufheben und um sein Leben bitten, da schrie ihn Kneißl an: "Die Hände fallen lassen." Endres brach vor Schreck zusammen. Kneißl riß ihn mit dem Gewehr wieder in die Höhe und schrie ihn wieder an: "Stehen bleiben." Dann gab er ihm mit dem Gewehr einen Stoß auf die Brust und ging auf die Türe zu. Von dort schrie er zurück: "Wenn Du mich nochmals verfolgst, dann erschieß ich Euch alle zwei im Bett drin." Dann entfernte er sich. Kneißl war also im Stadel gewesen, als die Gendarmen im Hof nach ihm suchten und hörte sich das Gespräch zwischen Endres und den Gendarmen an. Endres, 45 Jahre alt, konnte schier nicht Mehr gehen vor lauter Schrecken. Als er daraufhin in die Stube kam, begegnete er seiner Frau. Diese fragte ihn, was mit ihm sei, ob er irgendwo heruntergefallen sei. Er erzählte ihr den Vorgang. Frau Endres ging daraufhin zum Bürgermeister und berichtete über den Vorfall. Dieser schickte seinen Sohn den Gendarmen nach. Die Gendarmen kamen zurück. Endres berichtete nochmals über den Vorgang. Man konnte die Spur des Mannes im Schnee vom Stadel weg ganz gut verfolgen. Die Gendarmen gingen der Spur nach. Kneißl trug bei diesem Vorgang einen grünen Hut. Über diesen und über das Gesicht hatte er einen Schal gebunden. Weiter hatte er einen langen dunklen Überzieher und grüngraue Gamaschen an und einen Rucksack dabei. Am Samstag, 19. Januar, waren dann zwölf Gendarmen in das Anwesen von Endres gekommen, hatten alles untersucht, aber natürlich nichts mehr gefunden. Kneißl war bereits wieder ausgeflogen.

Die Polizei kam also nicht weiter in ihrer Fahndung nach Kneißl. Die Polizei schickte Kriminalpolizisten in Zivilkleidern aus. Die Bezirksämter hatten angeordnet, daß die Gemeinden Nachtwachen aufzustellen hatten, jeweils zwei Mann. Die Nachtwachen hatten die Ortschaften zu begehen und dabei besonders die Häuser im Auge zu behalten, in welchen Kneißl bereits Unterschlupf oder Anhänger gefunden hatte. Diese Nachtwachen wurden ungern und deshalb auch schlecht durchgeführt. So kam es vor, daß die Nachtwächter von der Polizei in Wohnstuben angetroffen wurden. Einmal übertrug der Bauer die Nachtwachen auf seinen Knecht, der sie aber nicht ausübte, sondern sich ins Bett legte und schlief. Polizeistreifen wurden unternommen, von Nord nach Süd, von Ost nach West und umgekehrt. Stundenlang marschierten die Polizisten durch die kalte Landschaft, über verschneite und verwehte Straßen, über windige Landschaften. Am 6. Januar erfror sich ein Schutzmann die Ohren. Alles war umsonst. Dabei wußte die Polizei auch, daß sich Kneißl bei der im Januar eingetretenen kalten Witterung kaum ständig in Wäldern und Stadeln aufhalten konnte. Er mußte Unterschlupfgeber haben. Diese aber meldeten sich nicht bei der Polizei. Die Erbitterung auf Seiten der Polizei wuchs. Zwar erhielten die Gendarmeriemannschaften für ihren Einsatz im Kneißlgebiet eine tägliche Zulage von 60 Pfennig. Aber dies konnte den Spott, der ihnen von Seiten der Bevölkerung entgegenschlug, nicht ausgleichen. Nicht selten mußten die Beamten, wenn sie auf einer Streife unterwegs waren, solche Anschläge lesen: Mir sind unsere Dreißig. Bei der Nacht, da stehlen mir fleißig. Beim Tag schaun mir zum Fenster naus und lachen die Schandarmen aus. Die Sicherheitsorgane wurden umorganisiert. Mitte Januar rückte die Abteilung der Münchner Schutzmannschaft wieder nach München ab. Im eigentlichen Fahndungsgebiet blieben nur noch Gendarmeriemannschaften unter der Gesamtleitung von Oberleutnant Küster zurück, der seinen Arbeitssitz in Odelzhausen hatte. Der Unterschied zwischen der Gendarmerie und der Schutzmannschaft war, daß es sich bei der Gendarmerie um ehemalige Soldaten handelte, Unteroffiziere, während die Schutzmannschaft, die es in Bayern nur in München gab, aus nichtmilitärischen, also zivilen Personen bestand. Aber auch diese Umorganisation konnte einen weiteren Schlag des Kneißl nicht verhindern.

Am Mittwoch, 23. Januar, wollte der Rentner Josef  Mooseder in Langenpettenbach die Fensterläden seines Wohnhauses schließen. Als er aus dem Haus ging, bemerkte er einige Schritte von seinem Haus entfernt einen Mann in gebückter Haltung. Dieser sprang nun auf Mooseder zu und setzte diesem mit der rechten Hand einen Revolver und mit der linken ein Schnappmesser auf die Brust und sagte: "Geld her oder ich schieße!" Der Fremde, es war Kneißl, hatte eine Zipfelmütze über den Kopf gezogen. Für die Augen waren Löcher ausgeschnitten. Mooseder ging rückwärts wieder in das Haus. Kneißl folgte ihm, wobei er fortwährend dem Mooseder den Revolver an die Brust setzte. Im Hausgang kam die Ehefrau Veronika dazu. Diese bat den Kneißl, sie doch am Leben zu lassen. Auch sagte sie zu ihm: "Wir haben kein Geld." Daraufhin machte sie einen im Hausgang stehenden Kleiderschrank auf und nahm eine Schachtel heraus. Diese war leer. Sie zeigte sie dem Kneißl. Der war damit nicht zufrieden und sagte weiter: "Du hast Geld und weil Du vor Jahren kein Geld hergegeben (er meinte hergeliehen) hast, so stehle ich es Dir." Dann wiederholte er seine Drohung: "Geld her oder ich schieße." Dadurch eingeschüchtert, ging Mooseder in sein Schlafzimmer, wo er aus einem Schrank 56 Mark (eine Doppelkrone, das war ein 20-Mark-Goldstück, drei Kronen, das waren drei 10-Mark-Goldstücke, vier Markstücke und ein Zweimarkstück) entnahm und sie Kneißl aushändigte. Als Kneißl das Geld hatte, sagte er: "Ich tu' Euch nichts." Als er dann ging, sagte er noch: "Wenn Du das kleine Kind vorhin nicht auf dem Arm gehabt hättest, dann hätte ich Dich gleich vom Fenster aus erschossen." Kurz nach dem Mooseder-Grundstück gab Kneißl einen Schuß ab. Dann flüchtete er in Richtung Indersdorf. Nach diesem Raub in Langenpettenbach wurde Kneißl noch einmal gesehen, und zwar am 26. Januar in Wenigmünchen. Dann hört und sieht man von ihm wochenlang nichts mehr.
Er ist untergetaucht, hat gute Unterschlupfgeber gefunden. Bei der Polizei gingen zwar eine Menge Briefe ein, deren Schreiber alle Kneißl gesehen haben wollten. Alle Nachforschungen verliefen aber im Sande. Es fehlte der Polizei jede Spur. Dies war bei der Bevölkerung nicht so. Hier tauchte der Kneißl hin und wieder auf, vor allem dann, wenn er seine Wohnungen wechselte.

Am Samstag, 16. Februar, fuhr der Bote Andreas Eigenhardt aus Pischertshofen abends von München heim. Auf der Straße zwischen Frauenberg und Aufkirchen wurde er gegen zehn Uhr von Kneißl angehalten. Kneißl stand links an der Straßenböschung bei einigen Weidenbäumen und hielt die Pferde von Eigenhardt an. Auf den Ruf des Eigenhardt "Was gibt es da?" sagte Kneißl: "Halt ein wenig und laß mit Dir reden. Was spricht man in München vom Kneißl?" Eigenhardt gab ihm Auskunft. Da sagte der andere: "Ich bin selber der Kneißl." und zeigte dem Eigenhardt seinen Drilling. Eigenhardt bat den Kneißl, ihm nichts zu tun und ihn weiterfahren zu lassen, was Kneißl zugab mit der Drohung, wenn ihn Eigenhardt verrate, werde er ihn jederzeit erwischen und ihn samt den Pferden totschießen.

Die Polizei mußte mit der Zeit resignierend feststellen: im Fahndungsgebiet herrscht weder eine Aufregung noch Angst und Furcht unter der Bevölkerung. Viele sagen: "Uns tut der Kneißl nichts. Warum sollen wir der Gendarmerie helfen." Die Gendarmerie kann jedoch allein ohne Mithilfe der besseren Bewohner und bei der Sympathie, die Kneißl genießt, nichts ausrichten trotz unausgesetzter Spähe und Nachforschungen, wenn ihr nicht der Zufall günstig ist."

Dieser Zufall war schon im Entstehen. Xaver Lorenz war wegen Einbruchdiebstahl in Haft. Er war gleichzeitig aus München ausgewiesen. Am 20. Februar ließ sich dieser Lorenz auf eine Wache der Münchner Schutzmannschaft bringen. Dort erzählte er, daß seine Frau eine Cousine zum Matthias Kneißl sei und Anhaltspunkte über den Aufenthalt des Kneißl habe. Lorenz hoffte wohl, daß er dann, wenn seine Frau aussagte, wieder die Aufenthaltsgenehmigung für München bekommen würde. Daraufhin wurde die Frau von der Schutzmannschaft vernommen. Anfangs leugnete sie, etwas zu wissen. Auf Zureden des vernehmenden Schutzmannes und auch auf Zureden ihres Mannes gab die Frau Lorenz dann doch zu, daß sie von Johann Vöst, einem Freund des Hiasl, wisse, daß sich der Kneißl in einem Haus eines Flaschenbierhändlers in der Nähe von Maisach aufhalte. Vöst fahre jede Woche, gewöhnlich am Samstag oder Sonntag, zu Kneißl hinaus und versorge diesen mit Lebensmitteln und Geld. Dieses stamme wahrscheinlich von der Mutter des Kneißl, meinte die Lorenz.

Die Frau Lorenz wurde nicht ohne Grund auch auf die ausgeschriebene Belohnung für die Ergreifung des Kneißl hingewiesen. Sie machte sich schon in den nächsten Tagen auf und erkundigte sich bei Vöst, wann dieser wieder nach Hause fahre. Sie wollte, sagte sie zu ihm, nach Pischertshofen fahren. Da er in dieser Gegend zu Hause sei, wolle sie mit ihm mitreisen. Sie vereinbarten, sich am Samstag, 2. März, noch einmal zu treffen. An diesem Tag, um 19 Uhr trafen sich dann auch die Frau Lorenz, die ihre 18jährige Tochter Mathilde Danner mitgebracht hatte, und Vöst im Gasthaus "Zum steinernen Schild" zum vereinbarten Zeitpunkt. Bei diesem Zusammentreffen wurde ausgemacht, am gleichen Abend um 20.55 Uhr nach Nannhofen abzureisen, was sie dann auch taten. Die Frau Lorenz hatte bereits die Polizei über ihre Fahrt unterrichtet. Um 21.52 Uhr kamen sie in Nannhofen an. Sie marschierten nun zu Fuß weiter.

Frau Lorenz wußte, daß ihnen der Sicherheitskommissär Josef Bossert folgen würde. Dieser war am gleichen Tag nach Nannhofen gekommen. Um diesem den Weg zu markieren, den sie nahmen, streute sie nach Verlassen des Bahnhofes Nannhofen Konfetti und Orangenschalen auf die Straße. Zusammen mit den beiden anderen ging sie dann über Ramertshofen, Aufkirchen nach Pischertshofen. Bossert konnte den dreien, ohne gesehen zu werden, nur bis nach Ramertshofen hin folgen, bis an die Stelle, wo die Straße von Nannhofen her in die Straße von Malching nach Aufkirchen einmündet. Aber bereits vor der Ankunft des Zuges waren Gendarmen von Maisach, Hattenhofen und Unterschweinbach an der Straße nach Aufkirchen und von Aufkirchen nach Unterschweinbach postiert worden. Diese lagen hinter Holzstößen oder auch flach auf dem Boden und beobachteten den Weg der drei nach Pischertshofen. Dort angelangt, gingen die beiden Frauen auf einen einzeln stehenden Stadel zu und umkreisten ihn. Daraufhin kam aus diesem Stadel der Kneißl heraus. Die Frauen ersuchten nun Vöst, bei seiner Rückfahrt am Sonntag abend mit ihnen beim Taglöhner Märkl in Geisenhofen wieder zusammenzutreffen. Vöst ging daraufhin nach Unterschweinbach zu seiner Mutter.

In der gleichen Nacht kam der schon erwähnte Bote Eigenhardt um 1/2 2 Uhr von seiner Botenfahrt aus München in Pischertshofen an. Er blieb dann noch einige Zeit auf. Um 3.15 Uhr klopfte es an den Fensterladen. Eine männliche Stimme begehrte Einlaß. Als Eigenhardt öffnete, war es der Kneißl mit den zwei Frauen. Er bat, weil er und die beiden Frauen stark froren, sich in der Stube wärmen zu dürfen. Eigenhardt ließ alle drei ein. Frau Eigenhardt machte Kaffee. Die Frauen wollten bezahlen, aber Eigenhardt nahm nichts an. Nach etwa einer Viertelstunde gingen die drei wieder fort. Auf diesem Weg verlor sie die Polizei aus den Augen, trotz Straßenposten und Späher und dergleichen. Das war eine erneute Blamage für die Polizei. Diese wußte am nächsten Tag nicht, wo sich Kneißl aufhielt. Ungefähr um vier Uhr kam Kneißl mit Frau Lorenz und der Mathilde, die eine der Freundinnen des Kneißl war (er hatte mehrere, bei einer soll er sogar der Vater eines ledigen Kindes sein), zum Märkl nach Geisenhofen. Er stieg wieder in die Wohnung ein und öffnete dann von innen den beiden Frauen die Haustür. Märkl und seine Frau standen auf und kochten den dreien nochmals Kaffee. Die beiden Frauen hatten Backwerk mitgebracht.

Die ganze Gesellschaft blieb den ganzen Sonntag bei den Märkls. Mittags verzehrten sie mitgebrachtes Schweinefleisch. Vöst verbrachte den Sonntag in Unterschweinbach. Er besuchte dort etwa gegen 12 Uhr die Wirtschaft von Langwieder und gegen 15 Uhr die Wirtschaft von Heiß. Aufgrund der Verabredung am Stadel in Pischertshofen in der Nacht vom Samstag auf Sonntag verließ er am Spätnachmittag, einige Zeit vor Eintritt der Dunkelheit, Unterschweinbach und ging nach Aufkirchen, wo er beim Wirt Lampl einkehrte. Vöst sprach da mit mehreren Bekannten. In der Dämmerung verließ er Aufkirchen und ging nach Geisenhofen zum Märkl. Abends ungefähr um sieben Uhr, es war bereits Nacht, kam Vöst, den der Märkl schon seit längerem kannte und der früher schon bei diesem im Dienst gestanden hatte, bei Märkl an, um die beiden Frauen abzuholen. Die ganze Gesellschaft befand sich bei der Ankunft des Vöst in der Stube. Kneißl hatte gerade seinen Drilling weggelegt, nahm ihn aber gleich wieder an sich. Als Vöst ankam, drängte ihn Kneißl, beim Bader in Aufkirchen vier Flaschen Bier zu holen. Vöst ging auch. Er nahm dazu den Drilling des Kneißl mit. Etwa um acht Uhr kam Vöst beim Flaschenbierhändler an, kaufte vier Flaschen Bier, zu je 22 Pfennig die Halbe ohne Pfand, legte das Geld aus und lieh sich zum Transport der Flaschen einen Sägerer aus. Vöst blieb dem Kneißl zu lange aus und so ging Kneißl fort, um Vöst zu holen. Vor dem Hause kam Kneißl dabei mit einem zum Kammerfensterln gehenden Dienstknecht, der bei Josef Hartl in Waltershofen im Dienst stand, in Streit und zum Raufen. Kneißl zog seinen Revolver, worauf sein Gegner flüchtete. Um diese Zeit gingen auch die drei Dienstknechte des Tonibauern nach Hause. Auch Vöst kam zurück. Nun umkreisten Kneißl und Vöst das Märkl-Haus und das Tonibauernhaus, um den Dienstknecht zu suchen, mit dem Kneißl ins Raufen gekommen war. Kneißl hatte wieder seinen Drilling, Vöst den Revolver des Kneißl. Als die Tonibäuerin wegen des Treibens des Vöst und des Kneißl aus dem Haus herausschimpfte, gab Vöst einen Revolverschuß ab. Schließlich gingen doch beide wieder zum Märkl zurück. Gemeinsam tranken sie das Bier.

Kneißl erzählte dabei unter anderem, daß der Flecklbauer in Irchenbrunn absichtlich die Gendarmen in die Falle gelockt habe. Als Kneißl zum Rieger gekommen sei, habe der Flecklbauer zu ihm gesagt: "Ich schau jetzt, daß die Gendarmen kommen, dann werden schon drei Gendarmen kommen und dann erschießt du die drei". Der Flecklbauer habe ihm auch Geld versprochen, wenn er die Gendarmen erschieße. Weiter jammerte Kneißl, daß es ihm schlecht gehe. Er habe manchmal fünf Tage nichts zu essen bekommen. An Fasching war er in München im Sterngarten gewesen. Er hoffte auch, daß man ihn nicht erwische. Er wolle über das Wasser fliehen. Dann sagte Kneißl, daß Vöst mit ihm gehen solle, um etwas zum Essen zu stehlen. Vöst ging etwa 40 Meter weit mit und legte sich dann in einen Daxenhaufen. Kneißl ging allein weiter und kehrte nach längerer Zeit zurück. In einem Sacktüchel trug er drei tote Hühner bei sich. Die beiden kehrten zu Märkl zurück, wo Kneißl die Hühner auf die Bank warf. Märkl war noch als einziger wach. Ihm war der Diebstahl nicht recht. Die beiden Frauen waren auf dem Kanapee eingeschlafen, Frau Märkl ungefähr um 1/2 9 Uhr ins Bett gegangen. Vöst setzte sich wieder und schlief wohl auch ein, ebenso Kneißl. Märkl ging ins Bett.

Die Polizei wußte, wie bereits festgestellt, nicht, wo sich Kneißl aufhielt. Sie vermutete ihn entweder im Stadel des Eigenhardt in Pischertshofen oder bei der Mutter des Vöst in Unterschweinbach. Es wurden deshalb im Laufe des Sonntags beide Gebäude umstellt. Dazu wurde weitere Gendarmerie angefordert. 25 Mann unter Leitung des Sicherheitskommissärs Bossert, der im Laufe des Sonntags wieder nach München zurückgefahren war, fuhren am Sonntag abend mit dem um 23 Uhr abfahrenden "Augsburger Postzug" nach Nannhofen. In der Bahnstation Maisach schlossen sich weitere fünf Gendarmen an. In Nannhofen angekommen, wurden sofort drei Mann nach Unter schweinbach zur Verstärkung der dortigen Gendarmeriestation und Bewachung des Vöstschen Anwesens gesandt, während die übrige Abteilung nach Aufkirchen marschierte. Hier wurde von einer weiteren Gruppe das Anwesen des Flaschenbierhändlers Bader umstellt. Der Rest unter Führung von Bossert mit Kriminalwachtmeister Renner und dem Gendarmeriestationskommandanten Abt aus Maisach marschierte nach Pischertshofen weiter. Dort eingetroffen, es war etwa 1/2 2 Uhr in der Früh, wurde von einem Teil gleich das Anwesen des Boten  Eigenhardt belagert, während die übrige Mannschaft die ganze Ortschaft umstellte.

In der Früh um vier Uhr, es war bereits Montag, 4. März, gingen die beiden Frauen und Vöst vom Märklschen Haus fort. Sie verabschiedeten sich vom Märkl, der bis dahin zum Teil auf einem Stuhl, zum Teil in seinem Schlafzimmer geschlafen hatte. Kneißl blieb im Märklschen Hause. Er legte sich auf den Diwan in der Wohnstube und schlief weiter. Die beiden Frauen und Vöst gingen über Ramertshofen nach Nannhofen. Nach dem Passieren der Ortschaft Ramertshofen, vor dem Wald, wurden sie von zwei Gendarmen kontrolliert. Diese nahmen dem Vöst ein feststehendes Messer ab. Auf Befragen sagte Vöst zuerst, daß er bei seiner Mutter, dann, daß er bei "seinem Mensch" (Freundin) gewesen sei. Nach dem Ort fragten die Polizisten ihn nicht. Die beiden Frauen gaben ihre Namen an. Dann konnten alle wieder weitergehen. Diese Polizisten waren offenbar über die drei Personen nicht informiert. Eine weitere Panne der Polizei schien sich anzubahnen. Gegen fünf Uhr würde Bossert, der sich immer noch in Pischertshofen aufhielt, von dieser Kontrolle unterrichtet,  daß zwei Polizisten die drei gesehen und kontrolliert hätten, sie aber wieder weitergehen ließen. Sofort schickte Bossert den Melder zurück mit dem Auftrag, die Abfahrt dieser drei Personen nach München zu verhindern, sie festzunehmen und ihm vorzuführen. Die Abfahrt der beiden Frauen und von Vöst konnte gerade noch verhindert werden.

Sofort wurde von den Polizisten von der Lotzbeckschen Gutsverwaltung in Nannhofen ein Wagen mit Pferdegespann beschlagnahmt und die Festgenommenen zu Bossert gebracht. Dort legte die Frau Lorenz ein umfassendes Geständnis ab, daß sie die letzte Nacht im Hause der Märkl in Geisenhofen verbracht habe, wo sich Kneißl jetzt noch befinde. Jetzt galt es für Bossert, keine Minute mehr zu verlieren. Er ließ die Festgenommenen in Pischertshofen zurück, besetzte den Wagen mit neun Gendarmen, und im Trab und Galopp ging es querfeldein nach Geisenhofen. Etwa gegen 1/2 sieben Uhr kamen diese ersten Gendarmen dort an. Bossert ließ 100 Meter vor dem Märklschen Hause vom Wagen absitzen und sofort das Haus umstellen. Kneißl war überrumpelt, seine Flucht unmöglich. Der übrige Teil der in Pischertshofen gewesenen Polizisten sauste in aufgelöster Ordnung im Laufschritt nach Geisenhofen und war in wenigen Minuten dort. Nach der Umstellung des Hauses rief die Polizei die Märkls aus dem Haus. Märkl selbst war gerade vorher wegen eines Lärmes vor seiner Kammertür aufgewacht. Als er dort nachsehen wollte, sah er gerade noch den Kneißl aus der Wohnstube in den angebauten Stadel flüchten. Märkl kleidete sich an und ging aus dem Haus zu den Gendarmen.

Sicherheitskommissär Bossert stellte ihn wegen der Beherbergung des Kneißl zur Rede. Märkl leugnete anfangs, gestand aber, als seine Frau ein offenes Geständnis abgelegt hatte, die Sache auch zu. Märkl wurde umgehend verhaftet. An diesem Tage wurden übrigens noch verhaftet Andreas Eigenhardt aus Pischertshofen und Daniel Bader aus Aufkirchen, genauso wie Vöst und Märkl wegen Begünstigung des Kneißl und in das Untersuchungsgefängnis nach Augsburg eingeliefert. Die Ehefrau des Märkl sagte ferner, daß Kneißl von dem plötzlichen Auftauchen der Polizei ganz "konsterniert" war, als da plötzlich eine ganze Wagenladung voll Schandarmen heranrollte. Sie glaubte auch bestimmt, daß Kneißl noch in dem Stadel sei, weil er nicht mehr gut entwischen konnte. Lebensmittel habe Kneißl auch nicht.

Bossert benachrichtigte hierauf umgehend die k. Polizeidirektion München und bat um Verstärkung zur Unterstützung. Auf dieses hin wurde mit dem 11.30 Uhr nach Augsburg abgehenden Postzug eine Abteilung von zwei Unteroffizieren und zwanzig Schutzmännern und mit dem 14.30 Uhr in gleicher Richtung abgehenden Zug eine weitere Abteilung von zwei Unteroffizieren und dreißig Schutzmännern nach Nannhofen gesandt. Beide Abteilungen marschierten sofort nach ihrer Ankunft über Ramertshofen nach Geisenhofen. Die Führung der Schutzmannschaft erhielt der k. Polizeihauptmann Georg Seufferheld, der ebenfalls mit dem Zug um 14.30 Uhr nach Nannhofen fuhr und sich anschließend mit der Abteilung nach Geisenhofen begab. Diese kam gegen 16 Uhr in Geisenhofen an. Die Mannschaft erhielt ihre Quartiere zugewiesen und mußte um 17 Uhr die auf Posten befindlichen Mannschaften ablösen. Die Posten wurden alle zwei Stunden abgelöst. Auch an die vierzehn Gendarmeriestationen Altomünster, Aubing, Dachau, Ehestetten, Einsbach, Gern, Hohenzell, Kühbach, Odelzhausen, Olching, Puchheim, Schwabhausen, Sielenbach, Unterweikertshofen wurde telegrafiert: "Kneißl in Geisenhofen nordöstlich der Bahnstation Nannhofen eingeschlossen. Zur Ablösung sofort alle verfügbaren Mannschaften mit Gewehr und Munition nach Geisenhofen abschicken".

Bis zu 140 Polizisten dürften sich anschließend in Geisenhofen aufgehalten haben. Seufferheld regte ein offensives Vorgehen gegen Kneißl an. Doch der die gesamte Operation leitende Gendarmerie-Oberleutnant Küster, der sein Hauptquartier im oberen Stockwerk des Tonibauernanwesens hatte, mußte sich an die Anweisung halten, mit größter Vorsicht zu Werke zu gehen und alles zu vermeiden, was zu Verlusten unter den Polizisten hätte führen können. Es wurden deshalb die Mannschaften in drei Gruppen eingeteilt, die sich in der Belagerung des Anwesens alle zwei Stunden ablösen mußten. Der Montag nachmittag und die folgende Nacht vergingen, ohne daß von Kneißl etwas festgestellt worden wäre. Die Polizei hatte schon Angst, daß ihr der Kneißl wieder entkommen sein könnte. Kneißl verhielt sich völlig ruhig. Er hätte zwar, wie er später darüber berichtete, zehn Gendarmen erschießen können. Waffen und Munition hätte er gehabt. Aber er dachte sich: "Halte dich ruhig. Dann werden sie schon wieder abziehen". Daß ihn jemand verraten könnte, glaubte er nicht.

Am Dienstag, 5. März, wurde gleich in der Früh die Frau Märkl noch einmal verhört. Diese blieb bei ihren gemachten Angaben, daß sie nicht glaube, daß Kneißl aus dem Stadel noch habe entwischen können. Seufferheld machte daraufhin den Vorschlag, die Frau Märkl solle in das Haus gehen und den Kneißl überreden, sich freiwillig zu stellen, da er nicht mehr entkommen könne. Die Frau Märkl lehnte jedoch ab mit dem Bemerken, daß ihr Kneißl bereits angekündigt habe, wenn er verraten werde, würde er stets den Betreffenden niederschießen. Sie wolle sich nicht dieser Gefahr aussetzen, da Kneißl zu allem fähig sei. Die gleiche Bemerkung machte auch der Bürgermeister Hainzinger, als an ihn dasselbe Ansinnen gestellt wurde. Nun überlegte die Polizei, ob man nicht den Stadel anzünden solle, um Kneißl zum Verlassen zu bewegen. Dagegen legte aber der Nachbar, Mösl "zum Tonibauer" energischen Widerspruch ein. Er befürchtete, nicht zu Unrecht, daß auch sein Hof in Feuer aufgehen könnte. Mit Überredung und Stadelanzünden war es also nichts. Deshalb mußte die Frau Märkl eine genaue Beschreibung der Einteilung des Wohnhauses und des Stadels geben. Daraufhin wurde beschlossen, die Scheune von der Nord- und Ostseite aus unter Gewehrfeuer zu nehmen, um vielleicht auf diese Weise Kneißl zur Kapitulation zu bewegen. Die Scheune war mit Stroh gedeckt. Es war also ein leichtes, das Dach zu durchschießen.

Frau Märkl mußte mit ihrem Kind, mit ihrem Vater und ihrer Ziege das Haus verlassen. Vor Beginn der Beschießung wurde Frau Märkl noch veranlaßt, die Tore des Stadels, des Stalles und des Wohnhauses zu öffnen. Gleichzeitig wurden die Bewohner des südlich des Märklschen Anwesens gelegenen Anwesens ersucht, aus dem Hause zu gehen zur Vermeidung etwaiger Unglücksfälle. Außerdem wurde auf einem ziemlich weiten Umkreis das Gelände durch Mannschaften abgesperrt, damit während der Beschießung niemand in den Schußbereich gelangen konnte. Anschließend wurde um 9 Uhr mit der Beschießung des Stadels abwechslungsweise durch Gendarmerie und Schutzmannschaft begonnen. Die Beschießung erfolgte gruppenweise in der Stärke von je fünf und sechs Mann, und zwar von der Nord- und Ostseite aus mit langsamem Schützenfeuer. Es wurde zwischen Gendarmerie und Schutzmannschaft abgewechselt. Durchschnittlich dürfte jeder eingeteilte Mann zehn bis zwölf scharfe Schüsse abgegeben haben. Auf Kneißl zeigte die Beschießung des Anwesens keinerlei Wirkung. Er wurde auch durch keinen Schuß verletzt.

Nach einer 30minütigen Beschießung der Scheune konnte keine Wirkung erzielt werden. Deshalb wurde beschlossen, vom Wohnhaus aus in den Stadel zu schießen als letztes Mittel, um den Kneißl vielleicht doch noch zum Aufgeben zu zwingen. Das Wohnhaus und der Stadel waren nur durch eine Bretterwand getrennt. In Höhe des oberen Stockwerkes des Wohnhauses führte ein Boden über die Hälfte des inneren Stadelraumes. Der Plan war daher sehr leicht ausführbar, weil durch einige Beilhiebe die Bretterwand leicht entfernt werden konnte. Es wurden dann Freiwillige gesucht, in das Haus zu gehen. Sofort traten alle Gendarmen und Schutzmänner vor. Es wurde schließlich eine Abteilung von 36 Freiwilligen zusammengestellt, wovon 4 Mann mit Hacken zum Durchschlagen der Bretterwand ausgerüstet wurden. Diese Abteilung ging nun im Laufschritt mit "Hurra"-Rufen auf das Wohnhaus zu. Sie verteilte sich im Wohnhaus so, daß zwölf Mann davon die Parterreräume, zwölf Mann die Räumlichkeiten im 1. Stockwerk und zwölf Mann den Dachraum zu durchsuchen hatten, von wo aus dann das Feuer in den Stadel hätte eröffnet werden sollen.

Die Freiwilligen, die in das Haus eindrangen, waren sowohl Gendarmen als auch Schutzmänner. Diese beiden Gruppen rivalisierten sehr stark, bekämpften sich bei dem Kneißlfangen und waren aufeinander eifersüchtig. Jede Gruppe wollte später den Kneißl zuerst gesehen haben. Die Gefangennahme des Kneißl stand nun vor dem entscheidenden Moment. Die für das erste Stockwerk eingeteilten Polizisten liefen über die Stiege in den oberen Stock. Ein Schutzmann begann sofort, mit einer Hacke die Bretterwand zum Stadel zu durchschlagen. Dabei drehte er sich mit dem Rücken zum Kamin. Dieser Kamin stand, wenn man von unten über die Stiege heraufkam, auf der linken Seite des Raumes im oberen Geschoß, frei im Raum. Der Kamin bildete mit der Bretterwand und der Außenmauer eine kleine Nische. Der Schutzmann war immer noch mit dem Wegschlagen der Bretter beschäftigt, da sah ein anderer Schutzmann plötzlich den Schatten einer Person in diese Nische hinter dem Kamin verschwinden. Sofort schrie der Schutzmann: "Obacht, da ist er". Gleichzeitig warf er sein Gewehr weg, das er in der linken Hand trug, sprang zum Kamin hin, lehnte sich mit der linken Seite an den Kamin und schaute vorsichtig um die Ecke, "eingedenk, daß jetzt der Kampf auf Leben und Tod beginne", wie sich der Schutzmann später ausdrückte, in völlig falscher Einschätzung der Lage. Dabei sah er in der Nische den Räuber stehen.

In diesem Moment sah auch ein anderer Polizist den Kneißl; denn sofort wurden in ganz kurzer Entfernung des Schutzmannes zwei scharfe Revolverschüsse abgegeben, wobei dem Schutzmann das Feuer vor den Augen vorbeifuhr und die Kugeln dicht neben seinem Kopf vorbeisausten. Es handelte sich hier nachweislich um Schüsse von Polizisten, da Kneißl in diesem Moment schon nicht mehr im Besitz von Waffen war. Diese hatte er längst vorher versteckt. Kneißl war also zu diesem Zeitpunkt und auch in der nachfolgenden Zeit völlig wehrlos den schießwütigen Polizisten ausgesetzt. Hätte Kneißl den Polizisten noch etwas antun wollen, so hätte er beispielsweise dem Schutzmann, der ihm den Rücken zudrehte, gefährlich werden können. Kneißl hatte sich aber mit seinem Schicksal schon abgefunden. Nach diesen beiden ersten Schüssen schoß auch der schon erwähnte Schutzmann viermal auf Kneißl. Mindestens einer dieser Schüsse traf Kneißl. Er ging zu Boden. Die Polizisten schossen aber immer noch. Insgesamt 21 Schüsse haben sie auf den unbewaffneten und wehrlosen und ruhig dagestandenen Kneißl abgegeben.

Fünf Schüsse hatten Kneißl getroffen. Er erhielt einen Steckschuß in den Kopf, einen Schuß in den linken Unterarm, zwei Schüsse in den rechten Oberarm und einen Schuß in den Unterleib mit zweimaliger Darmverletzung. Es bestand dadurch unmittelbare Lebensgefahr. Auch eine der Wunden am rechten Arm hätte die Verblutung von Kneißl herbeiführen können, weil da eine Schlagader verletzt wurde. Durch ein baldiges anschließendes Verbinden dieser Wunde wurde diese Gefahr beseitigt. Die Polizisten waren durch die vorausgegangenen angeblichen Aussagen von Kneißl, er würde sich bis auf die letzte Kugel verteidigen und auf einen Polizisten mehr oder weniger käme es ihm nicht an, so aufgeputscht worden, daß sie fast ohne Besinnung und Überlegung, ob der Gesuchte nun überhaupt Widerstand leistet oder nicht, auf Kneißl schossen. Die Einwirkungen auf Kneißl von Seiten der Polizei waren aber nach den 21 Schüssen noch nicht vorbei. Nachdem Kneißl zu Boden gegangen war, fing er zu wimmern und zu bitten an und rief mit erhobener rechter Hand zweimal: "Bitt' schön, bitt' schön". Trotzdem schossen die Polizisten noch aus drei Schritt Entfernung weiter auf ihn.

Erst als ein Schutzmann rief: "Hört auf!", wurde das Schießen eingestellt. Dann erst sprang der Schutzmann aus seiner Stellung hervor, zu Kneißl hin und packte diesen am Hals und drosselte ihn. Es war 3/4 10 Uhr am Dienstag, 5. März 1901, als damit die Freiheit des Räubers Kneißl zu Ende ging und er gefangengenommen wurde. Um 11.30 Uhr meldete die Einsatzleitung aus Geisenhofen an die Polizeidirektion München: "Nach vorhergegangener Beschießung des Anwesens Nr. 8 Haus mit Sturm genommen. Kneißl verhaftet und schwer verletzt. Schuß in Bauch und zwei in Arm. Mannschaft keine Verletzung." Der Schutzmann wollte den Kneißl gar nicht mehr loslassen. Außerdem kamen immer mehr Polizisten dazu und schlugen auf Kneißl ein. Da nahm ein Gendarm den Schutzmann am Rockkragen und versuchte, ihn von Kneißl wegzureißen. Er sagte: "Bringts ihn doch nicht gleich um." Da aber andere Polizisten nachdrängten, konnte der Gendarm den Schutzmann nicht wegziehen.

Die Polizisten gebärdeten sich wütend gegenüber Kneißl und hätten ihn am liebsten gelyncht. Befehle der Vorgesetzten, Ruhe anzunehmen, mißachteten sie. Erst nach einiger Zeit konnte Kneißl in ein im gleichen Stockwerk gelegenes Schlafzimmer gebracht und durchsucht werden. Bereits vorher und auch bei dieser Gelegenheit wurden immer wieder Rufe laut: "Der hat seinen Revolver noch". Gefunden und gesehen hat niemand einen solchen bei Kneißl. Er hatte diesen, wie schon erwähnt, zusammen mit seinem Drilling, der Munition und den drei gestohlenen Hühnern im Fehlboden des Märklschen Hauses versteckt. Dort wurden sie am 11. März vom Stationskommandanten Abt aus Maisach gefunden. Anschließend wurde Kneißl auf dem Rücken des bereits mehrfach erwähnten Schutzmannes über die Stiege in das Erdgeschoß hinuntergetragen und von dort ins Freie. Während dieses Herumtragens im Haus wurde immer wieder von den Polizisten auf Kneißl eingeschlagen.

Während des Heruntertragens fing Kneißl plötzlich von selbst zu reden an, ohne daß er gefragt worden wäre: "Der Flecklbauer ist an allem schuld". Das wiederholte Kneißl in einem fort die ganze Treppe hinunter. Inzwischen war beim Nachbarn Mösl angefragt worden, ob Kneißl dorthin gebracht werden dürfe, weil im Märklhaus zu wenig Platz war. Bauer Mösl erlaubte dies. So wurde Kneißl in den Stadel des Tonibauernhofes getragen und dort vom Polizeiarzt Dr. Hermann Falk verbunden. Im Stadel fragte Kriminal-Wachtmeister Jakob Renner den Kneißl, was er denn mit dem Flecklbauern meine, worauf Kneißl immer und immer wieder erwiderte: "Der ist an allem schuld". Bald darauf kam jemand mit der Meldung, daß Pfarrer Lorenz Biesenhofer aus Aufkirchen da sei. Daraufhin wurde Kneißl in die Wohnstube getragen und auf das Kanapee gelegt. Hier sagte er: "Der Flecklbauer sagte zu mir: Du bleibst da. Ich lasse die Gendarmen holen. Da werden dann drei oder fünf kommen und du schießt sie nieder. Ich sage nicht, wer es getan hat. Pfarrer Biesenhofer nahm anschließend dem schwerverletzten Räuber die Beichte ab und spendete ihm die letzte Ölung.

Anschließend wurde Kneißl mit einem Truhenwagen zum Bahnhof nach Nannhofen gefahren. Der Wagen wurde vom Knecht namens Metzger des Bürgermeisters Hainzinger gelenkt. Während dieser Fahrt deckte ihm Stationskommandant Abt aus Maisach mit einem Taschentuch das Gesicht ab, um ihn vor dem Regen zu schützen. Auch hier sagte Kneißl: "Der Flecklbauer ist schuld". Zu Abt sagte Kneißl: "Ich hätte Sie oft erschießen können, habe es aber nicht getan." Da Abt am Samstag vorher beobachtet hatte, wie Kneißl vom Haus des Boten Eigenhardt herausging, sagte Abt zu Kneißl: "Ich hätte dich damals auch erschießen können", worauf Kneißl meinte, Abt hätte ihn doch nicht getroffen; denn sein Gewehr wäre doch besser gegangen.

Auf dem Bahnhof in Nannhofen hatte sich inzwischen eine große Menschenmenge angesammelt, die alle den Kneißl sehen wollten. Unter den Zuschauern war auch Franz Hofner aus Bruck. Als diesen der Kneißl sah, sagte er zu ihm: "Gelt, Franzl, hast mich auch fünf Tage untergebracht." Hofner wurde daraufhin sofort verhaftet. Die Frau des Hofner war übrigens eine Tante des Erhard Holzleitner, der zusammen mit Kneißl den Raub in Oberbirnbach verübte.

Ihre große Zeit hatte an diesen beiden "Geisenhofener Tagen" auch die Bevölkerung dieses Landstriches nördlich von Bruck und darüber hinaus. Sofort als bekannt wurde, daß Kneißl in Geisenhofen sei, kamen scharenweise Zuschauer und wollten alles ganz nah miterleben, was sich da abspielt. Knechte und Mägde ließen ihre Arbeit liegen und stehen, die Gabel, die sie gerade in den Händen hatten, steckten sie in den Boden und rannten nach Geisenhofen. Selbst aus München kamen Schaulustige mit dem Zug angereist, um beim vorläufig letzten Akt im Zusammenhang mit dem Kneißl dabeizusein.

Als die Gefangennahme des Kneißl vorüber und auch die Polizei wieder abgerückt war, stürmten die Leute das Märklsche Haus und stocherten die Kugeln aus der Mauer heraus, um ein Andenken an die Beschießung und die Gefangennahme des Kneißl zu haben. Zum Teil wurden die Gewehrkugeln auch verkauft. Kneißl wurde mit dem Zug nach München gebracht, bereits um 1.10 Uhr in die Chirurgische Klinik aufgenommen und von Obermedizinalrat Angerer nachmittags am Unterleib operiert. Der Zustand des Kneißl war lebensgefährlich, aber nicht hoffnungslos. Kneißl war in dieser Klinik in einer isolierten Zelle, die nur mit einem Bett ausgestattet und deren einziges Fenster auf die Nußbaumstraße hin mit einem schweren Gitter gesichert war, untergebracht.

Bereits an den beiden nächsten Tagen wurde Kneißl nach Genehmigung des behandelnden Arztes jeweils kurze Zeit vom Untersuchungsrichter, Landgerichtsrat Otto Dröber aus Augsburg, vernommen. Als Unterschlupfgeber nannte er dabei nur den Josef Märkl aus Geisenhofen, wo Kneißl verhaftet wurde, und den Brunnenmacher Franz Hofner aus Bruck. Beide nannte Kneißl wahrscheinlich nur aus Rache, weil er über Märkl vermutete, daß ihn dieser verraten habe, und weil er über Hofner verärgert war, daß ihm dieser während seines fünftägigen Aufenthaltes bei diesem 30 Mark abverlangte und für eine Maß Bier beispielsweise eine Mark. Üblich war damals beim Bier die Hälfte. Wegen der Tat in Irchenbrunn schob Kneißl alle Schuld auf den Flecklbauern Rieger. Dieser habe ihn, Kneißl, verständigt, daß er, Rieger, die Gendarmen holen lasse zu dem Zweck, daß sie Kneißl erschießen. Nach der Aussage Kneißls wollte ihn Rieger dafür bezahlen. "Und wenn es mein halbes Anwesen kostet!" soll der Flecklbauer nach den Angaben von Kneißl gesagt haben. Rieger würde dann nach der Erschießung der Gendarmen dem Kneißl zur Flucht die hintere Haustür öffnen. Er, Kneißl, habe nicht die Absicht gehabt, die Gendarmen zu verletzen, geschweige denn zu töten.

Am 3. Mai kamen Sachverständige zu dem Entschluß, daß eine Überführung des Kneißl in ein Gefängnis "noch nicht thunlich" sei. Kneißl wurde bis dahin sehr oft von seiner Mutter besucht. Einmal jammerte er dabei über das viele Beten, ein andermal über das andauernde Kalbfleischessen. Dazu sagte er: "Ich fresse überhaupt nichts mehr." Weil die Mutter des Kneißl mit dem Hiasl auch immer über die Straftaten sprach, was nicht erlaubt war, wurde ihr am 24. Mai die allgemeine Erlaubnis zum Besuchen ihres Sohnes entzogen. Sie mußte künftig jedesmal eine für den Einzelfall auszustellende Sprechkarte vorzeigen. Kneißl selbst wurde Tag und Nacht bewacht. Es war ständig ein Gendarm in seinem Zimmer.

Anfang August herrschte bei der Polizei Alarmstufe eins. Die Theres Kneißl war an einem dieser Tage bei ihrer Schwester Maria Danner gewesen und hatte sich nach der Adresse ihres Bruders Josef Pascolini erkundigt, der nach Amerika ausgewandert war. Außerdem hatte die Mutter des Kneißl "erst vorige Woche von einem russischen Grafen und Kunstmaler 1000 Mark bekommen", wie die Polizei erfuhr. Von diesem Grafen, dem ehemaligen Freund ihrer Tochter Katharina, erhielt Frau Kneißl monatlich 70 Mark. Sie hatte früher die Hausarbeit für diesen Grafen verrichtet. Die Tochter Katharina war übrigens als zweites der fünf Kneißlkinder am 24. Dezember 1899 an einer Frühgeburt gestorben. Außerdem machte die Genesung des Kneißl bis zu diesem Zeitpunkt gute Fortschritte.

 Am 2. August war Kneißl sogar betrunken. Seine Mutter hatte ihm zwei Flaschen Wein gebracht, wohl im Hinblick auf seinen Geburtstag zwei Tage später. Die Menge Wein war für den Kneißl zuviel. Aufgrund dieser gesamten Umstände befürchtete die Polizei, daß Theres Kneißl in Amerika ein Quartier suchte und deshalb eine Flucht des Hiasl geplant war. Dieser wurde wahrscheinlich nicht zuletzt aufgrund dieser Befürchtungen am 10. August im Garten der Chirurgischen Klinik achtmal fotografiert und am 12. August in das Untersuchungsgefängnis nach Augsburg verlegt.

Bei dem erwähnten Josef Pascolini in Amerika wohnte ein Wilhelm Karl. Dieser war der Sohn einer Schwester des Pascolini. Dieser war im Jahre 1900 bei einem Einbruchdiebstahl gefaßt und verhaftet worden. Er konnte der Polizei entkommen und sprang vom ersten Stock des Gebäudes auf die Straße. Dabei brach er sich den Fuß. Er schleppte sich zwar in den Keller des Hauses, wurde dort aber gefunden und verhaftet und in die Chirurgische Klinik eingeliefert. Von dort ist er mit Hilfe des Kneißl Hiasl entkommen, wurde anschließend in Allach acht Monate lang gepflegt und ging dann mit den Legitimationspapieren des Matthias Kneißl nach Amerika.

Im Landgericht Augsburg begann am Donnerstag, 14. November 1901, vor dem Schwurgericht der Prozeß gegen Kneißl. Er war angeklagt wegen zwei Verbrechen des Mordes, vier Verbrechen des Totschlags und drei Verbrechen des Raubes. Mitangeklagt war der Flecklbauer Michael Rieger wegen Beihilfe zu zwei Verbrechen des Mordes. Als Verteidiger hatte Kneißl eine Kapazität auf diesem Gebiet, nämlich Rechtsanwalt Dr. jur. Walter Sigismund von Pannwitz aus München. Geboren 1856 in Mehlsack in Ostpreußen, war von Pannwitz in zweiter Ehe mit der sehr reichen Catalina Roth verheiratet. Mit dieser hatte er eine Tochter namens Ursel, die mit dem achten Earl of Chichester verheiratet war und heute noch in Südengland lebt. Dr. von Pannwitz machte aber seinen größten beruflichen Sprung, als er Justitiar von Kaiser Wilhelm II. wurde und mit diesem auch nach dessen Abdankung 1918 nach Holland ins Exil ging. 1920 ist von Pannwitz in Buenos Aires gestorben.

Um neun Uhr eröffnete Oberlandesgerichtsrat Rebholz den Prozeß. Groß war der Andrang der Zuschauer und auch der Presse. 19 Journalisten waren anwesend, darunter auch ein Berichterstatter aus der Schweiz. Zuerst erfolgte die Auslosung der zwölf Geschworenen. Anschließend wurden die Namen der Zeugen vorgelesen. 122 Zeugen waren geladen gewesen. Am ersten Prozeßtag wurden die beiden Angeklagten verhört. Am zweiten Tag begannen die Zeugenvernehmungen. Am dritten Tag kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Staatsanwalt und Verteidiger Dr. von Pannwitz. Der Staatsanwalt wehrte sich, über die Vorgänge bei der Festnahme von Kneißl zu sprechen: "Ich verlange, daß alle Fragen, welche sich auf die Festnahme beziehen, abgeschnitten werden. Solche Dinge können nur Sensation hervorrufen oder Mitleid für Kneißl erwecken." Darauf entgegnete von Pannwitz mit erhobener Stimme: "Ich verwahre mich gegen den Vorwurf der Sensationsmacherei. Ich habe hier eine schwere Pflicht; denn es handelt sich um den Kopf eines Menschen, und ich werde mir ein für alle Mal vom Staatsanwalt keinen Vorwurf machen lassen. Wenn selbst königlich bayerische Gendarmen und Schutzleute so erregt sind, daß sie schließlich den Schatten ihrer Waffen für solche in den Händen des Kneißl halten, dann muß ich sagen: Kneißl hat sich bei seinen Äußerungen auch von der Erregung hinreißen lassen."

Am Montag wurde die Beweisaufnahme abgeschlossen, am Dienstag begannen in der Früh die Plädoyers. Staatsanwalt Fahrnbacher begründete in seinem zweistündigen Vortrag die Anklage, die auf Mord an den beiden Gendarmen in Irchenbrunn lautete. Verteidiger Dr. von Pannwitz begann um elf Uhr mit seiner Verteidigungsrede. Er verneinte eine Mordabsicht gegenüber den Gendarmen. Er konnte damit aber die Geschworenen nicht überzeugen. Diese entschieden im Fall des Kommandanten Brandmaier auf Mord und im Fall des Gendarmen Scheidler auf Körperverletzung mit Todesfolge. Der Flecklbauer wurde freigesprochen. Auf Mord aber stand die Todesstrafe. Sein Verteidiger rief zwar das Reichsgericht in Leipzig an, aber ohne Erfolg, reichte dann ein Gnadengesuch beim Prinzregenten Luitpold ein. Als Antwort hierauf teilte der Staatsanwalt am Mittwoch, 19. Februar 1902, in der Früh um sieben Uhr im Untersuchungsgefängnis dem Kneißl mit, daß von der "Allerhöchsten Stelle die vielleicht zuversichtlich erhoffte Begnadigung nicht gewährt worden sei". Kneißl nahm das Todesurteil gefaßt entgegen. Seine Hinrichtung stand nun fest. Kneißl machte von der 24stündigen Gnadenfrist Gebrauch. Die Hinrichtung mit dem Fallbeil fand deshalb am Freitag, 21. Februar 1902, in der Früh um sieben Uhr im alten Gefängnis in Augsburg statt. Matthias Kneißl hatte seine Taten mit seinem Leben gesühnt.
  
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