Josef Kiening: Häuser und Familien im Gebiet nordwestlich von München

Sozialer Abstieg vom Bauern zum Häusler

Wie Martin Huber aus Unterschweinbach seinen Hof versäuft

Im früheren Bauerndorf gab es große soziale Unterschiede. Im Jahr 1812 zählte  Unterschweinbach 47 Hausnummern, aber davon waren nur 6 Bauern und  2 Wirte. Der Rest waren Häusler ohne Landwirtschaft.  Bauer konnte nur werden, damals wie heute, wer als Bauernkind geboren wurde.  Es war und ist praktisch nicht möglich, durch Arbeit so viel Kapital zu ersparen, dass man einen Bauernhof damit kaufen kann.

Der traurige Held dieser Geschichte, Martin Huber, geboren 1688 als Sohn des Bauern  Michael Huber in Herrnzell,  gehörte zum privilegierten Bauernstand.  Den elterlichen Hof bekam der ältere Bruder Andreas. Die anderen Geschwister bekamen  ein schönes Heiratsgut als Startkapital.  Zwei Schwestern konnten damit in große Höfe in der näheren Umgebung ein heiraten. Der jüngere Bruder Sylvester erwarb 37-jährig mit seiner Braut einen Bauernhof in Schöngeising. 

Schon mit 23 Jahren konnte Martin Huber 1712 bei einer 18-jährigen  Bauerntochter mit einem großen Hof, dem "Kaltenbauer" in Unterschweinbach einheiraten.  Doch die Erwartung, dass er als junger Bauer seinen Knechten voran arbeiten würde und etwas schafft, hat er nicht erfüllt.  Er verbrachte die Tage im Wirtshaus und wenn er betrunken war, fing er zu streiten und raufen an.

Der Kaltenbacher-Hof gehörte zum Grundherrn und Gericht Hofmark Spielberg .1718 beginnen die erhaltenen Strafprotokolle der Hofmark Spielberg. Da war Huber schon der "Stammkunde" des Richters. An jedem Gerichtstag war er mit einigen Gulden Strafe dabei. Man kann fast sagen, der Amtmann und der Richter lebten von Hubers Strafzahlungen. 
Beispiele:
27.7.1718 Martin Huber hat mit Hans Inhuber im Wirtshaus einen Grimmhandel gehabt und diesen beim Haar her gezogen. Beide haben sich verglichen (verständigt). dass Huber das Gericht auszustehen übernommen. Er ist deshalb gestraft worden.

18.5.1719 Gerichtliche Ermahnung:

"Martin Huber ist öfters der Volltrunkenheit ergeben und dadurch sein Hauswesen an den Nagel hanget, mithin nit allein das Gut nicht recht versieht, sondern auch die Schulden hangen lasset. Daher ist ihm aufgetragen worden, das Hauswesen besser als bisher geschehen, zu regieren, damit man im widrigen Fall nit Ursache habe, gegen ihn andere Messures vorzukehren."

Der Amtmann (Polizist) kam jeden Sonntag ebenfalls ins Wirtshaus Unterschweinbach und konnte am nächsten Gerichtstag genau berichten.

18.5.1719 "Martin Huber hat den Amtmann ohne Ursach im Wirtshaus mit den Worten angefallen  "du Hundsscherg" und hat ihm zwei Ohrfeigen gegeben."

18.5.1719 ".. hat den Müller der Holzmühle bezichtigt, er tut den Leuten die Säcke nicht voll einmahlen"
",,,,  bezichtigt die Zeugen, sie weisen wie die Schelmen"
6.6.1719 .. am Pfingstfeiertag im Wirtshaus gerauft"
6.6.1719  Anna Pöck (Schwägerin) fordert 50 Gulden Erbanteil (Ratenzahlung)
                ... Anna Heigl aus Nassenhausen fordert Lohn für 3 Jahre
1722 .... hat dem Schmied in dessen Haus im Trunk eine Ohrfeige gegeben.

Martin Huber steigert sich und streitet mit allen.  Zitate aus den Verhandlungen:
29.10.1725 ".. hat seinem Schwiegervater ein Krügel voll Bier ins Gesicht geworfen."
              ."... Amtmann und Richter haben  den Puzzen schon gefressen" ( Butzen ist ein Kernhaus, Apfelbutzen)
              Amtmann und Richter "haben Schmierpapier eingenommen",   ( der Korruption beschuldigt, Schmiergeld)
13,2,1726 .. ist zur Steuerzahlung nicht vor Gericht erschienen, ungehorsam ausgeblieben"

Martin Huber macht nun überall Schulden.

Sogar vom Schullehrer, der üblicherweise als arm gilt, leiht er 30 Gulden und zahlt sie nicht zurück. Beim Wirt in Mittelstetten ist er 100 Gulden schuldig.
12.12.1729  "Huber bekennt die Schuld. Er will bezahlen, so bald der Hof verkauft ist."
Für seinen Schwiegervater ist es bitter, anzusehen, wie der Schwiegersohn den Hof verlumpt.  Die Gläubiger und die Familie versuchen zu retten, so lange noch etwas da ist.
 
Am 13.1.1734 ist es so weit:

 Der Hof wird verkauft.

Martin Huber und seine Ehefrau Ursula  verkaufen ihren Ganzhof
mit 4 Roß 2 Jahrling, 5 Melkkühe, 3 Stierl, 1 Kalb
um 3250 Gulden an Veit Magg Gütler Unterschweinbach
Der Käufer übernimmt es, 1600 Gulden Schulden in vielen unterschiedlichen Posten zurück zu zahlen.

Zum Hof gehören auch 2 Wägen, 2 Pflüge, 2 eiserne Eggen, 2 Gsottstühl, eine Windmühl.
Die Verkäufer bleiben als Inwohner im Zubau-Häusl, bis sie ein anderes Unterkommen gefunden haben.

Der Käufer ist momentan Witwer, heiratet aber kurz darauf, was ihm Heiratsgut der Braut einbringt. Außerdem verkauft er sein bisheriges Gütl am 26.8.1734

Martin Huber, nun kein Bauer mehr, säuft und rauft weiter,

 jetzt sogar mit Bauernknechten, denn an den Tisch der Bauern im Wirtshaus darf er sich nicht mehr setzen.

13.4.1735 "Martin Huber, gewester Kaltenbacher, jetzt Inmann, rauft mit Martin Mayr, Knecht beim jetzigen Kaltenbacher Bauern"   

Seine Familie will den Rest des Verkaufserlöses in Sicherheit bringen. Am 6.6.1735  verkauft  Anton Wenig, Jägerbauer in Oberschweinbach seinen Zubau "Jägersölde"  um 575  Gulden  ohne Fahrnis  an den verganteten Martin Huber, gewester "Kaltenbacher-Bauer" in Unterschweinbach.  Das vormalige 1/4 Gut ist nur noch 1/8 mit "3 Juchart Acker in allen 3 Feldern liegend" (also in jedem Feld ein Juchart), sowie 1 Tagwerk Wismat "Jägerwiesl".  Die anderen Bauern hatten vorher gemeinsam gefordert, dass dieses Anwesen kein "Leerhäusler" wird, da es schon zu viele Tagwerker ohne Erwerbsmöglichkeit in Oberschweinbach gibt und diese auf betteln angewiesen sind. Man wollte also der Familie Huber wieder eine Existenz verschaffen.  Die "Fahrnis", die Haus-Ausstattung. bringt er aus Unterschweinbach mit.

Da viele Jahrgänge der Protokolle der Hofmark Spielberg fehlen, lässt sich nicht weiter verfolgen, was aus dieser Sölde wurde.  Im Kataster von 1812 ist das Haus nicht mehr verzeichnet.

Von zwei der sechs Kinder des Martin Huber haben wir eine Heirat gefunden.  Die anderen vier sind wohl als Kinder oder ledig gestorben.

Mit dem Kaltenbacher-Hof in Unterschweinbach geht es wieder aufwärts, als 1743 ein tüchtiges Bauernpaar darauf kommt.

--------------------------------------------------------------
(C) Josef Kiening, zum Anfang www.genealogie-kiening.de