Genealogische Datensammlung Kiening:

Großinzemoos in Hofmarks-Archivalien

Hofmarken sind Verwaltungseinheiten der Barockzeit. Es gab zwar schon im späten Mittelalter Hofmarken, doch ihre Blütezeit erlebten sie nach 1650. 1848 wurden sie endgültig abgeschafft.

Die Hofmarksverwaltung erledigte Aufgaben, für die heute Landratsamt, Amtsgericht, Finanzamt und Notar zuständig sind. Bei den Hofmarken im Hügelland hinter Dachau handelt es sich um Adelshofmarken (im Gegensatz zu Kloster-Hofmarken). Da bald jedes Dorf eine eigene Hofmark war, kann die barocke Verwaltung als "bürgernah" gelten. Hinter Dachau gab es mehr Hofmarken als heute Gemeinden. Sie waren hier im Besitz von adeligen Hofbeamten.

Wahrscheinlich hatte der Kurfürst selten so viel Geld in der Kasse, daß er seinen Spitzenbeamten ein ordentliches Gehalt zahlen konnte. Deshalb verlieh er ihnen Hofmarken als Einnahme und lukrative Nebenbeschäftigung. Gerade vom Dachauer Gebiet aus waren die Arbeitsplätze der Hofbeamten, die Schlösser Nymphenburg und Schleißheim oder die Münchener Residenz, leicht zu erreichen.

Die Adeligen errichteten in ihren Hofmarksorten anmutige Schlößchen, die aber nur im Sommer und Herbst bewohnt wurden. (Im Winter waren sie nicht zu beheizen.)

Da die Steuern aus den Hofmarksorten die wichtigsten Einnahmen waren, förderten die Hofmarksherren Handwerks- und Gewerbeansiedelung. Die Hofmarksorte bestehen meist aus vielen kleinen Anwesen, während für "landgerichtische" Orte wenige große Anwesen typisch sind.

Großinzemoos gehörte ab 1558 zusammen mit Unterweilbach den gleichen Besitzern. Das Hofmarksgericht befand sich wohl im Schloß Unterweilbach. In Großinzemoos selbst gab es kein Gebäude dafür. Der Ort hatte 6 Bauern, 1 Wirt, 1 Schmied und 20 Häusler, die ihren Lebensunterhalt als Tagwerker (Erntehelfer bei den Bauern) und Handwerker verdienten. Diese 28 Familien konnten leicht nebenberuflich verwaltet werden. Das 1656 begonnene früheste erhaltene Briefprotokoll enthält alle Verwaltungsakte bis 1666. 1656 hatte sich das Leben nach dem Dreißigjährigen Krieg wieder normalisiert und die Wiederaufbau-Welle nach der zweiten totalen Verwüstung des Landes durch die Schweden im Jahr 1648 war vorbei.

Ende November / Anfang Dezember war Gerichtstag.

Da kam der Hofmarksherr nach Unterweilbach und die Bauern leisteten ihre Abgaben. Das Gericht verhandelte zuerst die Kirchweihraufereien. Knapp und drastisch werden die Vorfälle geschildet und beide Parteien mit Geldstrafen belegt, z.B.:

"Georg Sulzberger hat sich mit Georg Pirck etlich Maulschellen abgewechselt. Strafe 6 Kreuzer (für jeden). 12.4.1660"

"Anton Heiß, Wirt, hat Michael Mayr, Huber, mit dem Krug zum Kopf geschlagen und dermaßen lädiert, daß er den Bader brauchte."

Am 26.4.1662 werden Raufhändel des Michael Hacker gegen Georg Wörl verhandelt, in die auch der Herr Pfarrer von Röhrmoos verwickelt war. Es kommen nur Geldstrafen vor, die wichtige Einnahmen des Gerichtes darstellen. Für schwerere Verbrechen war das Landgericht in Dachau zuständig.

Wichtiger und interessanter sind die Verträge und Erbvergleiche, wie im

Beispiel des Bauern Kiening:

20.2.1665: Nach dem Tod des Michael Hacker (der 1662 noch eifrig raufte) übernimmt seine Tochter Maria den Hof und heiratet Sebastian Kiening, Sohn des Georg Kiening, gefreiter Sedlbauer in Puchschlagen. Sebastian Kiening erwirbt mit 400 Gulden Heiratsgut das Miteigentum des Hofes. Der Hofmarksherr erhält als Anfall (heute Grunderwerbsteuer) 75 Gulden.

"Am 26.2.1665 erlegt Georg Kiening im Namen seines Sohnes den oben paktierten Anfall von 75 Gulden" beim Hofmarksgericht.

Als zweitgrößter Bauer in Großinzemoos erwarb Sebastian Kiening bald Ansehen und wird regelmäßig in den Briefprotokollen als Zeuge und später als Kirchenprobst genannt.

Die beiden gewählten Kirchenpröbste der St.Georgs-Kirche verwalteten den Zechschrein der Kirche, ein Vorläufer der Raiffeisenkasse. Hier konnte Geld, meist Mündelgeld, angelegt werden und wurde gegen 3 bis 4 % Zins für Investitionen ausgeliehen. Da dies unter Obhut und Aufsicht der Kirche geschah, galt die Zahlung und Annahme von Zinsen nicht als Wucher. Die erforderliche Buchhaltung erledigte das Hofmarksgericht. Schuldscheine und Quittungen für die ratenweise Rückzahlung der Darlehen sind die einzigen Vorgänge, die korrekt und vollständig in den Briefprotokoll-Bänden aufgezeichnet sind, denn sie wurden bei Fälligkeit wieder benötigt.

Bei den anderen Vorgängen unterzogen sich die Schreiber oft nicht der Mühe der Reinschrift, sondern begnügten sich damit, die Niederschrift den Betroffenen auszuhändigen und die Gebühren dafür in Empfang zu nehmen.

Die Jahrgänge von 1667 bis 1695 sind verloren gegangen, doch auch bei den vorhandenen Jahrgängen 1696 bis 1803 fehlen viele Einträge.

Das Hofmarksgericht war kein ständig besetztes Amt. Der als Richter amtierende Hofmarksherr war nicht immer ein juristisch ausgebildeter Beamter. Es tauchen auch Witwen und Erbengemeinschaften als Hofmarksbesitzer auf. Selbst wenn die Urkunde beginnt: "Ich, Graf von Minucci ... " mit einer seitenfüllenden Aufzählung von Titeln, bedeutet das nicht, daß der Hofmarksherr persönlich anwesend war. Es können auch die Schreiber in seinem Auftrag gehandelt haben. Die Personen der Schreiber wechseln in den Briefprotokollen von Großinzemoos ständig, denn diese Gerichtsstelle wurde von Schreibern des Dachauer Gerichtes nebenbei erledigt, was die Schlampigkeit der Geschäftsführung erklären könnte.

Über die Familie des Sebastian Kiening verraten die Protokolle nichts mehr, nicht daß die Ehefrau Maria geb. Hacker etwa zwischen 1680 und 1690 stirbt und daß Sebastian als 2. Ehefrau eine Elisabeth heiratet und den Kindern aus der ersten Ehe der mütterliche Vermögensanteil als Erbe zusteht.Von den Kindern aus der 1. Ehe ist bisher nur Maria bekannt, die in Sigmertshausen Johann Hörl heiratet. Als dieser am 2.6.1699 in Großinzemoos ein Darlehen von 100 Gulden aufnimmt, bürgt der Schwiegervater Sebastian Kiening für ihn.

Am 30.5.1716 ist Sebastian gestorben und sein Sohn Abraham aus 2. Ehe hat vor oder nach seinem Tod den Hof übernommen. Abraham heiratet erst 1721, er war wohl auch noch recht jung. Am 11.8.1724 einigt sich Abraham "noch zu Lebzeiten der Mutter" mit seinen Geschwistern, von denen Sebastian und Elisabeth verheiratet, während Michael und Therese zwar erwachsen, aber noch ledig sind.

Am 2. Januar 1730 wird nun etwas ungewöhnliches protokolliert:

Der erst gut 30 Jahre alte Abraham Kiening wird Austrägler!

Scheinbar blieb seine Ehe kinderlos und er sah nicht mehr ein, daß er sich als Bauer abplagen sollte, nur um seinen ledigen Geschwistern Heiratsgut zu zahlen. Der "Aussteiger" übergab seinen Hof um 2000 fl. an seinen jüngeren Bruder Michael. Der Übergabsbrief lautet (in heutiger Rechtschreibung):

Abraham Kiening von Großinzemoos des Baron Zechs Hofmark Weilbach bekennt, verhoffend seinen Nutzen, Ruhe, Wohlfahrt und Gelegenheits willen, aufrecht und redlich übergeben zu haben, wie Übergabsrecht und am beständigsten sein soll, tut auch dies ganz wohlberechtigt und mit Consens hernach benannter löblicher Grundherrschaft.

(Er übergibt) seinem freundl. lieben Brudern, dem ehrengeachteten Michael Kiening und dessen nunmaligen Eheweib Apollonia seinen eine Zeit innegehabten und genossenen ganzen Hof, so mit dem Eigentum dem Hochwohlgeborenen Herrn Johann Josef Zech, Freiherrn von Sulz und Dreybach, Herr zu Weilbach und Großinzemoos, des Hohen Domstift Augsburg Erbküchenmeister, angehörig und hierauf veranleite Freistiftsgerechtigkeit besteht, nebst allem Zubehör mit Dreingab aller Roß und Vieh, Schäf und Geschirr, dann Haus- und Baumannsfahrnis, nichts gesondert noch ausgenommen, um benannte 2000 fl. Rheinische Münz gutgangbarer Landeswährung, jeden Gulden zu 15 Batzen oder 60 Kreuzer gerechnet, woran die Übernehmer-Eheleute gnädiger Herrschaft 225 fl. nach deren Statt und Platz schuldig zu bezahlen übernommen.

Dann müssen sie zu Hl. Lichtmess 1730 250 fl. erlegen, von welchen Herr Johann Höger, Benefiziant bei U.l. Frau in München 200 fl. und dem Jakob Langmayr von Biberbach als der Übernehmenden Schwager 50 fl zu geben.Von den verbleibenden 1525 fl. erhält Langmayr, solang das Heiratsgut hereingeht, 4 Jahre nacheinander 150 fl., dann 50 fl., nach folgendem Heiratsgut aber von den gleichmäßigen 100 fl. nachfristen ihm Langmayr gleichfalls 4 Jahre lang 25 fl. bezahlt werden. Von den übrigbleibenden und abschiebenden Fristen zahlen die Übernehmer den Geschwistern und Gläubigern, die es dringendsten benötigen.

Nächstens hat der Übergeber zeitlebens die unvertriebene Herberg auf dem Pfrindhäusl, so die Gutseintuer auf ihre Kosten errichten lassen. Auch dies zu seiner Sustentation ausgenommen: 1/2 Sch. Weizen, 1 1/2 Sch. Korn, 4 Viertel Gersten und 1/2 Sch. Habern, dann Holz, Licht und Salz frei, 2 Paar Schuhe, dann an Weihnachten, ob etwas geschlachtet wird oder nichts, 15 Pfd. Rindfleisch, an Kirchweih 10 Pfd. Fleisch und 10 Maß braunes Bier, weiter jährlich zur Fasnachtszeit ein schönes Feistling (Fäustlinge?) herzustellen. Dem Übergeber ist eine Kuh zu seinem Nutzen zu stellen und wann dieser noch eine dazu kaufen oder erziehen wolle, muß man es ihm auch gestatten und solle dazu ein Fuder Heu über den Wagen geladen und 1 Fuder Grummet, dann Stroh und Gsott, soviel nötig, abgeben.Falls die Kuh umstehen oder altershalber keine Milch geben sollte, müssen die Übernehmer eine andere stellen. Dann zur Sommerszeit zum Eintragen um die Herberg herum oder der übernommenen Gründe zur Notdurft ein Gras vergönnt werden.

Drittens hat der Übergeber ausgenommen, daß 2 Pifang Bayerische und soviel weiße Rüben abgefolgt werden. (Will der) Gutszedierer ein eigenen Ehehalten zum Kochen, Waschen und aufwarten des Viehs halten, müssen die Übernehmer sie verköstigen und ihr den Lohn geben. So gebührt dem Übergeber aus dem Garten der 4. Teil Obst, wenn dergleichen gerät. Dem Weber muß der Wirklohn bezahlt werden. Es sind 5 Hennen in das Pfründhäusel und 1/2 Dutzend Eier jährlich zu behändigen, 2 Schafe zu führen und laufen zu lassen und letztlich alle Quatember 1 fl. 30 Xr. und alle Gebächt 1 weißer Laib Brot zu verreichen.

Womit diese Übergab beschlossen und die übernehmende Eheleute landesgebräuchliche Gewährschaft versprochen. ....... Bei dieser Übergabe sind gewesen Sebastian Kiening von Westerndorf und Franz Reindl zu Biberbach. .........

Dem Übergeber Abraham verblieb also kein Kapital, sondern nur der Lebensunterhalt. Am 15.3.1743 heißt es:

Abraham Kiening, Austrägler, wollte wegen Anforderungen, die im Austragsbrief enthalten sind, gegen seinen Bruder Michael Kiening klagen. Auf Vermittlung (des Nachbarn) Michael Mayr vergleichen sich die Brüder: Michael richtet im Herbst das Austragsstübel in bewohnbaren Stand, zahlt das rückständige Quatembergeld und will auch veranstalten, daßAbraham, wenn er die Kost nicht mit über den Tisch zu genießen gedenke, ihm diese in das Austragsstübl geschafft werden solle, womit Abraham zufrieden ist.

Nach einem nicht vorhandenen Protokoll vom 4.7.1747 war Abrahams Nachlaß 87 fl., die Michael laut Quittung am 14.12.1753 an die Nichte Therese Kiening, Glasbauerntochter von Westerndorf, Dienstmagd beim Hofzimmerwarter Benedikt Vogl in München, auszahlte.

Der schlampige Zustand der Hofmarksverwaltung in Großinzemoos war den Untertanen bekannt und wurde von diesen zu ihrem eigenen Vorteil ausgenützt. So behauptet Michael Kiening am 7.4.1761 bei der Übergabe an seinen Sohn, er habe den Hof am 16.10.1713 "an sich gebracht", also von seinem Vater übernommen. Das kann nicht sein, denn da war er noch ein Kind. Natürlich wußte Michael genau, daß er den Hof 1730 vom Bruder übernommen hatte. Bauernschlau erhoffte er einen Vorteil bei der Festsetzung des Übergabewertes, nach dem der zu zahlende "Anfall" berechnet wurde. Es wäre daraus zu schließen, daß die fehlenden Protokoll-Jahrgänge 1712 bis 1720 bereits um 1760 verloren waren.

Zum Abschluß sei noch

ein ulkiger Streit vom 19.1.1752

Simon Sedlmayr, Bäck zu Inzemoos, klagt gegen Michael Kiening, Bauer allda, daß derselbige in dem Wirtshaus zu Simmertshausen ihm unter ehrlichen Zechleuten vor einem herrschaftlichen Schergen ausgerufen, er wolle ihm einen Rock mit grünen Ärmeln machen lassen, damit er erkenntlich sei und vor einem Schergen paßiere. Und weil er, Bäck, als ein Handwerksmann derlei Injurien auf ihm nicht liegen lassen kann, so bittet er um Wahrmachung und redlichen Namen.

Antwort: Der beklagte Kieninger erwidert hierauf, zu Sigmertshausen im Wirtshaus nichts anderes geredet zu haben, als daß der anwesende Schmied zu Inzemoos des Bäcken seiner Dienstmagd das ausgetrunkene Bier wieder ersetzen solle, indem der Bäck sonsten ihn beim Hw. Grafen verklagen möchte und ohnedem einen grünen Ärmel bräuchte.

Replic: Der Kläger verharrt bei seiner Klag und offeriert sich zur Weysung.

Duplic: Der Beklagte begehrt diesfalls keine Weysung, sondern was er geredt hat, er aus eines Gespaß getan.

Bescheid: Dem Kiening wurde seiner ausgestoßen üblen Worte hiermit allerdings verwiesen und Amtwillen korrigiert per - fl. 34 Kreuzer.

(sinngemäß: Kiening nannte den Bäcker einen Denunzianten und erhielt einen Verweis und 34 Kreuzer Strafe.)

Literatur-Hinweise:  Röhrmoos

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(C) Josef Kiening, zum Anfang www.genealogie-kiening.de