Josef Kiening: Häuser und Familien im Gebiet nordwestlich von München

Hausnummern-Chaos in Lochhausen

Die Aubinger Lohe ist als Lehmhügel mitten auf die Münchener Schotterebene aufgehäuft. Auf dem nördlichen Ausläufer der Aubinger Lohe liegt das Dorf Lochhausen. Der Lehmhügel ist gutes Ackerland. Gleich daneben ist Sumpf, denn hier kommt der Grundwasserstrom unter der schrägen Schotterebene an die Oberfläche. Alle Wege nach Lochhausen führten durch den Sumpf.

Das Dorf Lochhausen bestand jahrhundertelang  aus 5 großen Bauernhöfen, der Hof des Pfarrers mitgezählt, und  3 kleinen Anwesen sowie einem Hüthaus. Die sumpfige Umgebung ließ das Dorf nicht wachsen, es war nicht mehr Platz.

1839 weckte der Bau der Eisenbahnlinie München-Augsburg das Dorf aus dem Schlaf. Der erste Bauabschnitt endete hier. Es wurde ein Bahnhof gebaut und eine Wirtschaft für die Ausflügler aus München. Die neue Transportmöglichkeit wurde von zwei Ziegeleien genützt, die nun den Lehm zu Ziegeln brannten und nach München verladen haben.

Der alte Ort hatte 9 Hausnummern. Neun war das Hüthaus der Gemeinde.

Der Bahnhof bekam die Hausnummer 9 1/2, doch dann wurde weiter gezählt:
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10 war der neue Wirt, 10 a das Ökonomiegebäude dazu.
Hausnummer 11 wurde dem Gröbenzollner zugeteilt, der weit abseits lag und sich zur Stadt Gröbenzell entwickelte. Das hat mit Lochhausen nichts mehr zu tun.

Die beiden Ziegeleien südlich der Bahnlinie erhielten die Nummern 12 und 13. Jede Ziegelei ist ein weit verstreuter Komplex mit vielen Gebäuden. Nummer 14 bis 16 scheinen Wohngebäude für Ziegeleiarbeiter an der Ziegeleistraße zu sein.

Dann aber bricht das Chaos aus.  Ein Wachstum um den Ortskern war nicht möglich. Die Bauern wollten kein Ackerland verkaufen, denn sie hatten an die Eisenbahn und an die Ziegeleien schon die besten Äcker verloren.

Das Sumpfland um den Ort ist als Baugrund ungeeignet. Zwar wird seit 1680 Wasser aus den Moor-Bächen in Kanälen zu den kurfürstlichen Schlössern in Nymphenburg und Schleißheim geleitet, aber erst eine Vertiefung und Begradigung der Bäche senkte den Wasserspiegel etwas unter das Erdboden-Niveau.

Ab 1900 sahen einige Bauern die Möglichkeit, die nun nicht mehr so nassen Wiesen südlich des Ortes als Baugrund zu verkaufen. Die Baugrundstücke lagen abseits des Ortes und werden deshalb Kolonien genannt. Das deutsche Reich versuchte zu dieser Zeit Kolonien zu erwerben. Das Wort war aktuelle Mode.  Eigentlich handelt es sich bei den Kolonien in Lochhausen nur um drei Wiesen-Grundstücke.

Das erste lag östlich der Straße nach Aubing und wurde Kolonie 1 genannt. Die Parzellierung und Erschließung der Kolonie-Grundstücke erfolgte planlos. In der Kolonie 1 entstand ein Straßengewirr, in dem sich kein Fremder zurecht findet. Natürlich sollte jedes Haus einen Zufahrtsweg bekommen.

Die zweite nasse Wiese lag am westlichen Feldweg entlang des Ackerlandes. Aus dem Feldweg wurde die heutige Pirolstraße und für die Siedlung ließ man sich keinen besseren Namen als Kolonie 2 einfallen.

Eine dritte nasse Wiese zwischen dem Waldrand der Aubinger Lohe und dem begradigten Erlbach wurde  phantasielos Kolonie 3 getauft.

Inzwischen hatte der Imkerverein ein Grundstück in der Aubinger Lohe erworben und Bienenhäuser, sowie als Vereinsheim und Wirtschaft das "Bienenheim" gebaut, das die nächste Hausnummer 18 erhielt.

Mit den Hausnummern wird es immer wirrer. In der zeitlichen Reihenfolge, in der die Häuser gebaut werden, erhalten sie Nummern.  Haus-Nr. 19 scheint das erste Haus in Kolonie 1 zu sein.

Dann wird nördlich der Eisenbahn die Münchner Straße zur neuen ( jetzt ist es die alte) Eisenbahn-Brücke verlegt und beiderseits mit Häusern bebaut. Das sind die Nummern 20, 20 1/2 und 20 1/3, sowie 21.

Die Nummer 22 liegt wieder südlich der Bahn und ist eine Bäckerei im Heitmeier-Komplex um die Bahnhofswirtschaft.

Nummer 23 und 23 1/2 entstehen aus der Pfarr-Ökonomie im Ortskern (Schussenriederstraße).  Der neue Pfarrhof hat 23.

Dann folgen Neubauten in Kolonie 1 mit den Nummern 24 bis 48, deren Zuordnung noch nicht völlig gelungen ist.

49, 52 bis 56 befinden sich nördlich der Bahnlinie. Teilweise wurden scheinbar schon Häuser in Kolonie 3 gebaut.

In der Kolonie 2 wurde der Feldweg vom Rand als gerade Straße in die Mitte der Wiese verlegt (jetzt Pirolstraße) und konnte so beiderseits bebaut werden. Westlich davon wurde eine Parallelstraße angelegt (jetzt Sandbergstraße). Beide Straßen enden an einer Querstraße, die Erlbachstraße heißt und früher als Feldweg zum Erlbach führte.

Die Kolonie 2 sollte ursprünglich wohl genossenschaftlich einheitlich mit Häusern im "Gartenstadt"-Typ bebaut werden. Die Straße hieß zuerst Genossenschaftsstraße. Es wurde nur ein Doppelhaus als Musterhaus gebaut. Der Plan für dieses Haus liegt vor. Die Hälfte des Musterhauses ist als Pirolstraße 8 noch erhalten.  Die Zeit nach dem ersten Weltkrieg war ungünstig. Die Inflation hatte alles Geldvermögen vernichtet und es fanden sich keine Käufer für schicke Gartenstadt-Häuser. . Deshalb wurden die Parzellen leer verkauft und jeder baute darauf, was er schaffen konnte. Immerhin gab es hier so etwas wie eine Baulinie.

Mit den  Hausnummern sollte die ganze Siedlung zu Hausnummer 18, dem Bienenheim gehören. . Deshalb erhielten die 26 Häuser in der Reihenfolge der Bauausführung Unternummern zu 18, also 18 1/2 bis 18 1/29.  Die Bruch-Nummern liegen wieder nicht in einer Reihe. Immer wenn irgendwo ein Haus gebaut wurde, bekam es die nächste Nummer.

Die Kolonie 3 war nicht groß und mit drei Parallelstraße noch einigermaßen übersichtlich.

Lehrer Sattler listet 1931 in seinem Heimatbuch die Häuser in der Hausnummernfolge auf. Es ist leider noch nicht gelungen, alle Hausnummern ihren Plätzen zuzuordnen.

Da sich nun niemand mehr ausgekannt hat, welche Hausnummer wo zu suchen war, wurden um 1931 Straßennamen eingeführt und die Hausnummern in den Straßen fortlaufend gezählt. Ganz glücklich war die Lösung nicht, denn beispielsweise die Koloniestraße, jetzt Federseestraße,  war und ist streckenweise unbebaut. Wie viele Nummern sollte man für die freie Fläche reservieren ?

Kaum waren die neuen Straßennamen eingeführt, kam 1942 der Befehl von höherer Stelle, Lochhausen zusammen mit Aubing nach München einzugemeinden. Alle Straßennamen außer der Erlbach- und der Sandbergstraße gab es schon in München. Deshalb wurden 1945 zuerst die Adolf-Hitler-Str. und die Schlageter-Str. in Schussenriederstraße und Federseestraße umbenannt. Die unpolitischen Straßen bekamen  um 1950 neue Namen, die es in München sonst nirgends gibt.  Für Kolonie 2 und 3 wurden sie nach Vogelarten genannt. Für Straßen in späteren Neubaugebieten  standen Vogelforscher Pate. Die Lochhauser hatten, da sie nun Münchner geworden sind, nichts mehr mitzureden.

Eine breite Schneise wurde für den Verkehr als Lochhausener Straße über und entlang der Eisenbahn angelegt.. Der örtliche Verkehr leidet darunter, dass die Bebauung planlos erfolgte und die Straßen so verlaufen, wie sie als Feldwege  für die Ochsenfuhrwerke angelegt wurden..

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(C) Josef Kiening, zu http://www.genealogie-kiening.de/ oder startseite akll.de